20.02.2020
Deutschland: Gewaltverbrechen in Hanau
Kirchenvertreter äußern sich bestürzt - Pröpstin Kropf-Brandau steht Trauernden in der Marienkirche zur Seite
Hanau/Wiesbaden (idea) – In Hanau hat ein 43-jähriger Deutscher am Abend des 19. Februars in und vor zwei Bars mindestens neun Menschen erschossen und weitere verletzt. Führende Kirchenvertreter haben sich bestürzt und fassungslos über die Tat geäußert. Nach Angaben des hessischen Innenministers Peter Beuth (CDU) gibt es Hinweise auf einen mutmaßlich rechtsextremen Hintergrund der Tat: „Nach unseren jetzigen Erkenntnissen ist ein fremdenfeindliches Motiv gegeben.” Der mutmaßliche Täter Tobias R. soll Sportschütze gewesen sein. Er sei polizeilich zuvor nicht in Erscheinung getreten, sagte Beuth im Wiesbadener Landtag. Tobias R. wurde nach einer Großfahndung tot in seiner Wohnung aufgefunden, ebenso wie seine 72-jährige Mutter. Polizeiangaben zufolge hat er ein Bekennerschreiben veröffentlicht, ebenso ein Video. Darin habe er sich negativ über Migranten aus arabischen Ländern und der Türkei geäußert. Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen übernommen. Die Opfer des Täters haben – mit Ausnahme der Mutter – alle Migrationshintergrund.
Sieben Notfallseelsorger im Einsatz
Angesichts dieses „unfassbaren Gewaltverbrechens“ sind am Tag nach der Tat alle evangelischen Kirchen in Hanau geöffnet, sagte die Pröpstin des Sprengels Hanau-Hersfeld der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Sabine Kropf-Brandau (Bad Hersfeld), gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Sie habe sich sofort von ihrem Amtssitz in Bad Hersfeld nach Hanau begeben, um mit den dortigen Geistlichen die weiteren Schritte zu beraten. In den Kirchen lägen Texte aus, die für solche Krisenfälle von der Notfallseelsorge vorbereitet seien. Sie enthalten biblische Klagetexte. Noch in der Nacht seien sieben Pfarrer als Notfallseelsorger vor Ort gewesen, sagte Kropf-Brandau weiter. Die Seelsorger hätten Angehörige, aber auch Rettungskräfte betreut. Kropf-Brandau besuchte die Evangelische Marienkirche in Tatortnähe, um in der Kirche Trauernden und Ratsuchenden beizustehen. Für den Abend ist nach ihren Worten eine Mahnwache auf dem Marktplatz geplant, an der Bischöfin Beate Hofmann (Kassel) teilnehmen wird.
Bischöfin Hofmann: „Vergangene Nacht hat das Leben in Hanau verändert“
Hofmann zeigte sich in einer ersten Stellungnahme erschüttert über das Gewaltverbrechen: „Wir trauern mit den Angehörigen der Toten und sprechen ihnen unser Beileid aus. Wir beten für die Trauernden. Wir beten für die an Leib und Seele Verletzten, dass sie wieder gesund werden.“ Die Kirche wisse sich verbunden mit allen Einsatzkräften und mit den Notfallseelsorgern im Einsatz. Nach den Worten der Bischöfin „hat die vergangene Nacht das Leben in Hanau verändert“. Die evangelische Kirche werde sich weiter für ein friedliches Zusammenleben in der Stadt einsetzen. Ähnlich äußerte sich auch der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung (Darmstadt). Er schrieb auf seiner Facebookseite: „Wir sind entsetzt über das grausame Verbrechen in Hanau. Wir beten für die Opfer und alle, die jetzt trauern. Wir beten für die Menschen, die ermitteln und Hilfe leisten. Wir beten für Hanau.”
EKD-Ratsvorsitzender macht Rechtspopulisten mitverantwortlich
Betroffen zeigte sich auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München). Er schrieb auf Facebook: „Ich bin fassungslos angesichts der Gewalttat von Hanau.“ Seine Gedanken und Gebete seien bei den Opfern und ihren Familien: „Wenn sich bewahrheitet, was jetzt bekanntgeworden ist, dann ist diese Gewalttat ein trauriger Beleg für die brutalen Konsequenzen des Gifts, das rechtspopulistische und rechtsextreme Kreise zu streuen versuchen.“ Wer Rassismus und Ausländerfeindlichkeit säe, „der muss auch damit rechnen, dass daraus brutale Gewalt erwächst“, so Bedford-Strohm.
Weltkirchenrat: Extremismus und Rassismus ausmerzen
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie (Berlin) erklärte: „Es reicht. Spätestens jetzt muss jedem klar sein: Wer auf Hass und Ausgrenzung setzt, schürt Gewalt und solchen Irrsinn.“ Die Diakonie setze sich dafür ein, „dass sich hier jeder Mensch willkommen und sicher fühlt – unabhängig von Herkunft, Rasse, Religion oder Geschlecht“. Auch der Weltkirchenrat verurteilte die Tat. Der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Olav Fykse Tveit (Genf), rief dazu auf, extremistische und rassistischen Einstellungen in der Gesellschaft auszumerzen: „Extremismus und Hass haben keinen Platz in unserer Welt.“
Ministerpräsident Bouffier (CDU): Die Tat macht sprachlos
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) zufolge macht die Tat „im Grunde sprachlos“. Wegen der Schüsse von Hanau habe der hessische Landtag eine bereits begonnene Plenardebatte abgebrochen. Die Abgeordneten hätten damit „ein wichtiges Zeichen“ gesetzt. Hanau liegt im Main-Kinzig-Kreis etwa 20 Kilometer östlich von Frankfurt am Main und hat etwa 100.000 Einwohner.