05.05.2003

Nigeria nach den Wahlen

Obasanjo triumphiert aber Wahlunregelmäßigkeiten wurden auch bei diesen Wahlen festgestellt

Nigeria nach den Wahlen

Obasanjo triumphiert aber Wahlunregelmäßigkeiten wurden auch bei diesen Wahlen festgestellt

Die ausbleibenden Unruhen im westafrikanischen Gigantenstaat Nigeria sprechen schon für sich. Hoffentlich ist das nicht die "Ruhe vor dem Sturm". Während President Olusegun Obasanjo die Unruhen samt Todesfällen herunterspielte als für nigerianische Verhältnisse geringfügig (und deswegen auch akzeptabel) - immerhin kam es zu keinen Massenkrawallen wie schon in Kano und Kaduna in wesentlich weniger brisanten Situationen als die Presidentschaftswahlen - halten andere diese Wahlen für eine Farce - darunter der IGFM. Hier der Bericht:
Frankfurt/M. (23. April 2003) - Die nigerianischen Wähler haben - wenn man den Berichten der amtlichen Wahlkommission folgt - mit eindrucksvoller Mehrheit den 67 Jahre alten Exgeneral Olusegun Obasanjo in seinem Amt als Präsident Nigerias bestätigt. Doch das amtliche Ergebnis spiegelt nach Auffassung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) nur einen Teil der politischen Wirklichkeit in Afrikas bevölkerungsreichstem Staat wieder. Der in Frankfurt ansässigen Menschenrechtsorganisation, liegen aus Nigeria Berichte über zahlreiche gravierende Wahlrechtsverstöße und Wahlmanipulationen vor.
Zum offiziellen Ergebnis der Wahlen erklärte IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin: "Grundsätzlich positiv ist, daß es im Gesamtstaat Nigeria nicht wie in den zwölf nördlichen Bundesstaaten zu einer Machtübernahme durch fundamentalislamische Politiker wie den Präsidentschaftskandidaten Mohammadu Buhari gekommen ist. Beängstigend ist aber das riesige Ausmaß der Verweigerung des Wahlrechtes und der Wahlfälschungen! In vielen Fällen wurden deutlich mehr Stimmen ausgezählt als vorhanden. In einzelnen Regionen konnte nicht gewählt werden, und aus ländlichen Regionen, in denen es keine Wahlen gab, wurden Wahlergebnisse gemeldet."
Der nigerianische Menschenrechtler Prof. Obiora Ike kritisiert: "Der wiedergewählte christliche Präsident und Exgeneral Obasanjo hat in den vergangenen Jahren tatenlos zugesehen, daß in zwölf nordnigerianischen Provinzen die Scharia eingeführt wurde. Hunderte von Körperstrafenurteilen wurden seither im Namen des islamischen Rechtes gefällt. Das Schicksal der zum Tod durch Steinigung verurteilten jungen Mutter Amina Lawal ist weiterhin ungewiß. Die Gefahr einer Übertragung der Scharia auf Lagos und andere westliche Provinzen ist noch nicht gebannt. Obasanjo und die Regionalpolitiker seiner Partei sind in den kommenden Monaten und Jahren daran zu messen, ob sich die Scharia auch in Westnigeria ausbreitet."
Seit Obasanjo 1975 zum Stabschef der nigerianischen Armee ernannt wurde, ist er einer der mächtigsten Männer Nigerias. Im Gegensatz zu seinem diktatorischen Vorgänger Sani Abacha gilt Obasanjo bei vielen politischen Beobachtern als Verfechter des Prinzips freier Wahlen. Bereits 1979 verzichtete er erstmals auf die Möglichkeit, die Herrschaft des Miltiärs fortzusetzen, indem er erstmals freie Wahlen ermöglichte. Zuvor hatte er zugelassen, daß die Scharia als eine mögliche Rechtsform in die Verfassung Nigerias aufgenommen, berichtet Prof. Ike.
Die IGFM widerspricht Obasanjos Darstellung, die Wahlen und der Wahlkampf seien für die nigerianischen Verhältnisse friedlich gewesen. Das Gegenteil ist aber der Fall: Der im Herbst 2002 begonnene Wahlkampf fand in einer äußerst angespannten Situation statt. Immer wieder kam es zu ethnisch und religiös motivierten Übergriffen, berichtet die Menschenrechtsorganisation, die auch in Nigeria mit einer nationalen Gruppe vertreten ist. So hätten allein die Ausschreitungen im Gefolge der Miss World Veranstaltungen in der Hauptstadt Abudja und in den nördlichen Provinzen Hunderte von Toten und Tausende von Verletzten und Vertriebenen gefordert. Massaker durch das nigerianische Militär und Kämpfe zwischen Bauern- und Nomadenvölkern forderten mehr als 500 Menschenleben. Zudem hatten ethnisch motivierte Ausschreitungen in den Ölfördergebieten Wahlen in dieser Region zur Farce gemacht. - (Quelle: IGFM)