21.03.2006

Protestwelle gegen drohende Todesstrafe für einen afghanischen Christen

CDU-Menschenrechtsexperte: Terrorjustiz würde Unterstützung Afghanistans Grundlage entziehen<br />

Protestwelle gegen drohende Todesstrafe für einen afghanischen Christen

CDU-Menschenrechtsexperte: Terrorjustiz würde Unterstützung Afghanistans Grundlage entziehen

B e r l i n / K a b u l (idea) – Die drohende Todesstrafe für den Afghanen Abdul Rahman hat in der westlichen Welt eine Protestwelle ausgelöst. Der 41jährige Christ muß sich seit dem 16. März vor dem Obersten Gerichtshof in Kabul wegen seiner Abkehr vom Islam verantworten. Nach dem islamischen Recht, der Scharia, wird dies als Verbrechen gewertet und mit dem Tod bestraft. Die Regierungen Deutschlands, der USA und anderer westlicher Länder setzen sich für Rahman ein und mahnen die afghanische Regierung, die Religionsfreiheit zu achten. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, er verfolge das Verfahren „mit größter Sorge“. Er erinnerte die Regierung in Kabul daran, daß das Grundrecht der Religionsfreiheit in der afghanischen Verfassung garantiert sei. Er vertraue darauf, daß dies nicht „nur auf dem Papier“ stehe. Scharfe Kritik an dem Prozeß übte der CDU-Menschenrechtsexperte Hermann Gröhe, der dem Auswärtigen Ausschuß des Bundestages und dem Rat der EKD angehört. Er wies darauf hin, daß Deutschland einen erheblichen Beitrag zum Wiederaufbau des Landes am Hindukusch leiste. „Eine Terrorjustiz gegen afghanische Christen würde der Unterstützung Afghanistans durch Deutschland die Grundlage entziehen“, sagte Gröhe gegenüber idea. Man dürfe nicht hinnehmen, „daß es diese Form der Scharia in der afghanischen Rechtsprechung gibt“. Zugleich wies er den Unmut der afghanischen Regierung über die Kritik aus Deutschland zurück: „In Menschenrechtsfragen gibt es kein Verbot von Einmischungen. Menschenrechtsverletzungen gehen alle an.“ Der afghanische Wirtschaftsminister Amin Farhang hatte sich gegen eine Einmischung Deutschlands in die inneren Angelegenheiten seines Landes gewandt.

FDP-Kirchenbeauftragter: Deutschen Truppen bei Todesurteil abziehen

Der Kirchenbeauftragte der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Michael Goldmann (Berlin), drohte angesichts des möglichen Todesurteils gegen den Christen mit einem Ende des deutschen Engagements in Afghanistan. Deutsche Soldaten seien dorthin entsandt worden, um den Übergang zu einer Demokratie zu sichern, in der die Menschenrechte geachtet werden. Wenn ein Todesurteil gegen Rahman gesprochen und sogar vollstreckt werde, könne es nur eine Konsequenz geben: „Deutsche Soldaten müssen umgehend aus Afghanistan abgezogen werden.“

EKD-Ratsvorsitzender: Religionswechsel gehört zu Menschenrechten

Auch führende Vertreter der Kirchen und der Evangelikalen machen sich für Rahman stark. Der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber (Berlin), betonte, daß es ohne Religionsfreiheit keine Menschenrechte gebe. Religionsfreiheit schließe auch das Recht ein, die Religion zu wechseln. Wenn dies sogar mit der Todesstrafe bedroht werde, sei jede Grenze überschritten. Huber erinnert an die vom Zentralrat der Muslime in Deutschland veröffentlichte Islamische Charta. Dort heißt es, daß die im Zentralrat vertretenen Muslime das Recht akzeptierten, die Religion zu wechseln, eine andere oder gar keine Religion zu haben. Der Ratsvorsitzende verweist auch darauf, daß vor einem Jahr die Christin Zarah Kameli aus Deutschland in den Iran abgeschoben werden sollte, obwohl ihr dort Vergleichbares gedroht habe wie jetzt Rahman. Wer jetzt gegen die ihm drohende Todesstrafe protestiere, müsse auch anerkennen, daß Menschen nicht in ein Land abgeschoben werden könnten, in dem sie wegen ihres religiösen Bekenntnisses an Leib und Leben bedroht sind. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann (Mainz), nannte das drohende Todesurteil „ein alarmierendes Signal, wie es um die Achtung der Religionsfreiheit in Afghanistan auch heute noch steht“. Kein Staat habe das Recht, die persönliche Glaubensentscheidung eines Menschen zu beeinflussen, zu behindern oder gar zu bestrafen.

Evangelische Allianz: Morde an Konvertiten häufige Praxis

Der Vorsitzende des Arbeitskreises Religionsfreiheit der Deutschen Evangelischen Allianz, Pfarrer Paul C. Murdoch (Sachsenheim bei Stuttgart), bedauerte gegenüber idea, „daß die demokratisch gewählte Regierung Afghanistans diesen islamischen Weg im mittelalterlichen Sinn geht“. Der Fall sei eine Nagelprobe für die afghanische Führung, wie sie sich zu Religionsfreiheit und den Menschenrechten verhalte. Murdoch wies zugleich darauf hin, daß es in vielen islamischen Ländern „fast Alltagspraxis“ sei, Konvertiten zu lynchen. Muslimische Familien sähen es als ihre Pflicht an, sogenannte „Abtrünnige“ zu töten. Der Leiter eines in Afghanistan tätigen Hilfswerks, der namentlich nicht genannt sein will, sagte gegenüber idea, die große Mehrheit der afghanischen Bevölkerung bejahe die Demokratisierung des Landes und befürchte, daß ein Todesurteil gegen Rahman diesen Prozeß gefährden würde. Das Verfahren gegen den Christen belege zugleich, daß es eine christliche Minderheit in Afghanistan gebe, was offizielle Stellen bestritten. Die Bundesregierung sollte nach Ansicht des Hilfswerk-Leiters deshalb darauf hinwirken, daß die afghanische Regierung die christliche Minderheit anerkennt. Solange dies nicht der Fall sei und keine Rechtssicherheit bestehe, dürfe man keine afghanischen Christen in ihr Herkunftsland abschieben.

Rückkehr zum Islam abgelehnt: „Ich bin Christ und glaube an Jesus Christus“

Rahman arbeitete vier Jahre lang für eine christliche Hilfsorganisation in Pakistan und trat während dieser Zeit zum christlichen Glauben über. Nach einem neunjährigen Aufenthalt in Deutschland kehrte er 2002 in seine afghanische Heimat zurück, um sich für das Sorgerecht für seine beiden Töchter (13 und 14 Jahre) zu bemühen. Im Streit um das Sorgerecht wurde die Polizei eingeschaltet, die ihn schließlich wegen seines Wechsels zum Christentum verhaftete. Rahman lehnt eine Rückkehr zum Islam ab. „Ich bin Christ und glaube an Jesus Christus“, sagte er laut Presseberichten vor Gericht.