11.11.2006

Land ohne Bibeln

Ein ehemaliger Häftling aus Nordkorea über die Lage im „Christenverfolgerstaat Nr.1“<br />

Land ohne Bibeln

Ein ehemaliger Häftling aus Nordkorea über die Lage im „Christenverfolgerstaat Nr.1“

Nordkorea ist das einzig noch verbliebene stalinistisch-kommunistische Regime. Das verschlossenste Land der Erde destabilisiert derzeit mit seinem Atomwaffenprogramm den Weltfrieden. In keinem Land der Erde werden Christen so stark verfolgt. Christen werden als die größten Feinde des Regimes angesehen. Der 50jährige Nordkoreaner Kim Tae Jin berichtet derzeit auf einer Deutschlandreise als Gast des Hilfswerkes „Open Doors“ über die Lage in seiner Heimat. Er war jahrelang als politischer Häftling im Zwangsarbeitslager, bevor ihm 1997 die Flucht nach China gelang, wo er Christ wurde. Seit 2001 lebt er in Südkorea und gründete die „Wüstenfackelträger Missionsgemeinschaft“, die aus Nordkorea geflüchtete Christen zu Missionaren ausbildet. idea-Redakteur Eckhard Nickig befragte Kim.

idea: Der nordkoreanische Diktator Kim Jong II hält die Welt derzeit mit Atombombentests in Atem. Glauben Sie, daß er die Atombombe im Ernstfall auch einsetzen würde?

Kim: Ich kann mir vorstellen, daß er die Atombombe auch einsetzt, wenn er in die Enge getrieben wird. Er hat einmal erklärt, daß eine Erde ohne Nordkorea keine Erde mehr sei und vernichtet werden müsse.

idea: Würden Sie ein militärisches Eingreifen der UNO bzw. der USA gegen Nordkorea befürworten?

Kim: Ein solches militärisches Eingreifen würde einen Krieg nach sich ziehen, der für die Bevölkerung ein großes Unglück wäre. Deshalb bin gegen eine Militäraktion. Besser wäre es, wenn China mehr Druck auf das Regime in Pjöngjang – der Hauptstadt Nordkoreas – ausüben würde.

Das Gesäß verbrannt

idea: Sie waren vier Jahre im Zwangsarbeitslager Yodok. Wie wurden Sie dort behandelt?

Kim: Obwohl ich unterernährt und in schlechtem Gesundheitszustand war, wurde ich zu harter Arbeit gezwungen. Ich wurde immer wieder schwer mißhandelt. Einmal wurde ich an den Händen gefesselt, und die Aufseher haben mit ihren Füßen solange auf die Hände eingetreten, bis sie von dem starken Druck schwarz anliefen. In diesem Zustand haben sie mich auf brennenden Kalk gesetzt. So bin ich am Gesäß verbrannt, wodurch ich mich nicht gerade hinlegen konnte und bei jedem Stuhlgang Qualen erlitt. Einige Mithäftlinge haben versucht, sich ihre eigenen Finger abzuschneiden, andere verhielten sich so, als seien sie behindert – alles nur, um etwas mehr in Ruhe gelassen zu werden.

idea: Wie geht es den Christen in den Lagern?

Kim: In den 15 Lagern des Landes gibt es offiziell keine Christen. Wenn Christen entdeckt werden, werden sie einzeln in andere Lager versetzt. Das Regime kennt das Bibelwort „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind ...“ genau und versucht, Christen durch Isolation zu zermürben.

Von der Familie getrennt

idea: Sie wurden nach Ihrer Verhaftung 1987 zwangsweise von Ihrer Frau geschieden und von Ihrer Familie getrennt. Haben Sie sie seitdem wiedergesehen?

Kim: Nach meiner Haftentlassung wurde ich in den Zug gesetzt, um zu meiner Familie zu fahren, doch es stellte sich heraus, daß sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollte. Ich vermute, daß meine beiden Kinder bei meiner Mutter leben, aber ich habe keinen Kontakt. Ich weiß nicht, wie es um sie steht.

idea: Ist das Christentum in Nordkorea nicht inzwischen schon ausgerottet?

Kim: In den 50er Jahren wurde es fast völlig ausgerottet. Ein hochrangiger Politiker war ein ehemaliger Pastor, der sich zum Kommunisten wandelte und die Christen besonders haßte. Er ließ alle Christen, derer er habhaft werden konnte, verhaften. Seit den 90er Jahren konnte eine Reihe von Nordkoreanern flüchten. Im Ausland sind sie dann Christen geworden. Sie sind teilweise bewußt zurückgekehrt und haben im geheimen für die Ausbreitung des Christentums gesorgt. Daher vermute ich, daß die christliche Gemeinde derzeit geringfügig wächst. „Open Doors“ schätzt die Zahl der Christen auf 200.000 bis 400.000 – das sind ein bis zwei Prozent der 23,6 Millionen Bürger.

Bibelteile auswendig gelernt

idea: Bibeln sind in Nordkorea verboten ...

Kim: Bibeln nach Nordkorea zu bringen, ist zu gefährlich. Daher lernen Flüchtlinge ganze Bibelteile auswendig und schreiben sie nach ihrer Rückkehr in Nordkorea nieder. So bleibt das Wort Gottes im Land.

idea: Was sagen Sie Christen, die in völliger Freiheit leben wie in Deutschland, der Schweiz oder Österreich?

Kim: Wer seinen Glauben so frei praktizieren kann wie in diesen Staaten, kann sich kaum vorstellen, daß es ein Land gibt, in dem es nicht eine einzige Bibel geben darf. Ich möchte die Christen in Deutschland dazu aufrufen, für die Christen in Nordkorea zu beten. Dann wird auch ihr eigenes Glaubensleben an Tiefe und Ernsthaftigkeit gewinnen.

idea: Wir danken Ihnen für das Gespräch