27.12.2007

Türkei: Christenmorde von Malatya - Ermittlungen werden neu aufgerollt

Türkische Justiz ist nach journalistischen Enthüllungen unter Druck

Türkei: Christenmorde von Malatya - Ermittlungen werden neu aufgerollt

Türkische Justiz ist nach journalistischen Enthüllungen unter Druck

Ankara/Türkei, 07.12.2007 (KAP) Unter dem Druck von journalistischen Enthüllungen über
eine Verstrickung staatlicher Organe in die Christenmorde von Malatya rollt die türkische
Staatsanwaltschaft nun die Ermittlungen neu auf. Wie Zeitungen in Ankara und Istanbul am 7.
Dezember berichteten, forderte die Staatsanwaltschaft am Abend des 6. Dezember vom Gericht
die Akten zurück, um das bereits abgeschlossene Ermittlungsverfahren wieder zu eröffnen.
Vorangegangen war eine Serie von Enthüllungen in der Presse, die auch am 7. Dezember nicht
abriss: Der mutmaßliche Haupttäter hatte demnach bei dem dreifachen Mord eine Pistole bei
sich, die von der Polizei erst am Vortag beschlagnahmt worden war.
Der Hauptangeklagte Emre Günaydin hatte demnach zwei Tage vor der Tat, am 16. April, eine Schreckschusspistole gekauft. Die Waffe sei ihm schon am nächsten Tag polizeilich
abgenommen worden, weil er damit öffentlich herumgeschossen habe und Nachbarn das nächste
Wachzimmer informierten. Eine Rückgabe hätte er normalerweise bei Gericht beantragen
müssen, was mindestens eine Woche dauert. Bei dem Mord an den drei Christen am 18. April
hatte Günaydin die Pistole dennoch bei sich; sie wurde laut Bericht am Tatort sichergestellt.
Aus den Akten gehe hervor, dass mindestens einer der jugendlichen Angeklagten überzeugt war,
dass der Befehl zu der Tat "von höherer Stelle" gekommen sei, heißt es in den Medienberichten.
Die fünf mutmaßlichen Täter waren in den Monaten vor dem brutalen Mord im telefonischen
Kontakt mit Repräsentanten des "tiefen Staates" im Bereich von Justiz, Sicherheitsbehörden und
Militär.
Hintergründe und Hintermänner
Die Tatsache, dass diese Details von den Journalisten zutage gefördert wurden und nicht von der
Staatsanwaltschaft, untermauert Befürchtungen der Hinterbliebenen und der protestantischen
Gemeinden in der Türkei, dass die wahren Hintergründe und Hintermänner bei dem Prozess
unter den Teppich gekehrt werden sollten. Statt den Hinweisen auf Kontakte der Angeklagten
zu staatlichen Organen nachzugehen, habe sich die Staatsanwaltschaft in ihrem
Ermittlungsverfahren im vergangenen halben Jahr vorwiegend mit den Kontakten der
Mordopfer befasst und mit der Frage, ob sie missionarisch tätig gewesen seien - was in der
Türkei nicht illegal ist.
Die Staatsanwaltschaft in Malatya erklärte nun, die Ermittlungen sollten erneut aufgenommen
und ausgeweitet werden. Der Prozess, der Ende November eröffnet wurde, soll dennoch
fortgesetzt werden. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 14. Jänner anberaumt. In dem
Verfahren müssen sich fünf Burschen im Alter von 19 und 20 Jahren für den Mord an dem
protestantischen Pastor Necati Aydin und zwei Gemeindemitgliedern - Tilman Geske und Ugur
Yüksel - verantworten.
Quelle: Katholische Nachrichtenagentur Kathpress (KAP), Wien/Österreich