31.12.2007

Leitartikel: Hass und Gewalt gegen die Botschaft der Nächstenliebe

Verfolgung: Weltweit werden Christen gefangen, gefoltert und zum Tode verurteilt - im Namen Mohammeds, Buddhas oder der Staatsräson<br />Von Till-Reimer Stoldt

Leitartikel: Hass und Gewalt gegen die Botschaft der Nächstenliebe

Verfolgung: Weltweit werden Christen gefangen, gefoltert und zum Tode verurteilt - im Namen Mohammeds, Buddhas oder der Staatsräson
Von Till-Reimer Stoldt

 

Berliner Morgenpost
Berlin - Nach deutschem Recht wäre Younis Masih ein freier Mann. Denn vor deutschen
Gerichten gelten die Worte eines Christen und die eines Muslims gleich viel. Aber Younis
Masih lebt in Pakistan. Und dort reichte die Behauptung eines Muslims, Masih habe den
Propheten Mohammed beleidigt, um ihn in die Todeszelle zu bringen. Dort wartet der
35-Jährige auf seine Hinrichtung. Masih bestreitet zwar alle Vorwürfe. Doch vor pakistanischen
Gerichten gilt das Wort eines Christen nur halb so viel wie das eines Muslims - weil die Scharia
gilt.
Verfolgung in jeder Form
In aller Welt erfahren Menschen Leid, weil sie Christen sind. Mancherorts droht ihnen Folter,
weil sie ihren Glauben öffentlich bekennen, anderswo Gefängnis oder ein fast rechtloser Status.
Ebenso unterschiedlich die Verfolger: In vielen Ländern setzt der Staat Gewalt gegen Christen
ein, in anderen erwächst der Hass aus der Gesellschaft. Christendiskriminierung ist aber nicht
nur reich an Schattierungen, sondern auch schwer in Zahlen zu fassen. Experten von "Kirche in
Not", der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) oder vom Institut für
Religionsfreiheit arbeiten mit Schätzwerten. Demnach sind weltweit etwa 75 Prozent der aus
religiösen Gründen Verfolgten und 80 Prozent der aus religiösen Gründen Ermordeten Christen.
Ein Zentrum der Verfolgung ist die islamische Welt. In fast allen islamisch geprägten Ländern
werden Christen daran gehindert, das Menschenrecht auf freie Religionswahl und Mission
auszuüben. Im Iran, in Saudi-Arabien oder im Sudan wartet auf christliche Missionare und
Konvertiten das Beil oder die Steinigung. In vergleichsweise gemäßigten Ländern wie Ägypten
oder Algerien wandern zum Christentum übergetretene Ex-Muslime und Missionare in die
Psychiatrie oder ins Gefängnis. Und in für islamische Verhältnisse fast liberalen Ländern wie
Malaysia muss der Abfall vom Islam vom Gericht genehmigt werden. Doch solch eine
Genehmigung hat noch kein Gericht je erteilt.
Diskriminierung in der Türkei
Beinahe wie ein Musterknabe wirkt da die Türkei: Dort ist zumindest die freie Religionswahl
erlaubt. Christen werden trotzdem diskriminiert. So besitzen die Kirchen dort keinen
Rechtsstatus und können kein Eigentum kaufen. Sie dürfen ihr Personal nicht selbst ausbilden
und werden immer wieder entschädigungslos enteignet. Die zuletzt zunehmenden Morde an
christlichen Priestern und Missionaren wurden jedoch weder vom Recht gedeckt noch vom
Staat begangen, sondern von fanatischen Bürgern. Ähnlich in Indonesien. Auch dort tritt
weniger der Staat als Christenverfolger hervor, dafür aber ein Teil der islamischen
Bevölkerungsmehrheit. Doch sind dort nicht nur die Täter, sondern auch die Helfer bedrohter
Christen oft Muslime, die ihren christlichen Nachbarn Unterschlupf gewähren und dabei helfen,
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die Täter ausfindig zu machen.
Die Länder mit den meisten Diskriminierungsfällen sind aber marxistische Diktaturen wie
China, Nordkorea oder das ostafrikanische Eritrea. Diese Regime treibt der Wunsch nach
Kontrolle. Sofern sich Christengemeinden in China von den Behörden lenken lassen, können sie
ihren Glauben recht ungestört leben. Die vielen Millionen Christen in evangelischen Freikirchen
wollen sich aber ebenso wenig vom Staat beherrschen lassen wie der romtreue Teil der
katholischen Kirche Chinas. Sie leben meist im Untergrund, von Gefängnis bedroht.
Gewalttätige Hindus
Verfolgt werden Christen auch im Namen Buddhas oder Krishnas: In mehreren indischen
Bundesstaaten hat die regierende Hindu-Partei BJP Gefängnisstrafen eingeführt für christliche
Mission oder den Abfall vom Hinduismus. Zudem wurden 2007 in Indien mehrere evangelikale
Prediger von Hindu-Fanatikern gelyncht, weil sie für ihren Glauben warben. Und in Sri Lanka
drangen wiederholt buddhistische Mönche, begleitet von einer aufgestachelten Meute, in
Kirchen ein und verprügelten die Gottesdienstbesucher.
Eine gängige Erklärung dafür lautet, dass US-Evangelikale in aller Welt "aggressiv"
missionierten und dadurch Gegenreaktionen provozierten. Das jedoch weisen Experten fast
unisono zurück. In Indien etwa besteht "aggressive Mission" darin, dass Freikirchen Neonkreuze
über ihren Gotteshäusern installieren und auf der Straße Bücherstände aufbauen. Zwar sorgen
primär von US-Missionaren aufgebaute Freikirchen für das weltweite Wachstum des
Christentums, was mancherorts als kulturelle Invasion empfunden wird. Diese Freikirchen
werden aber längst von Einheimischen gelenkt. Und deren Bekehrungsversuche erfolgen in
Kirchen, durch Schriften und Gespräche. Sie beanspruchen also schlicht das Recht auf Mission
gemäß Artikel 18 der UN-Menschenrechtserklärung. Würde man dies als aggressiv bezeichnen,
wäre Artikel 18 wohl der wahre Aggressor.
Aus der Berliner Morgenpost vom 24. Dezember 2007