15.02.2007

Deutschland: Bundestagspräsident fordert Gottesbezug in EU-Verfassung

Von: Evangelische Nachrichtenagentur idea
L e i p z i g (idea) –20.01.2007 (09:57) - Die Europäische Verfassung braucht nach Ansicht von Bundestagspräsident Norbert Lammert einen Gottesbezug. Lammert sprach am 19. Januar in Leipzig vor rund 3.300 Besuchern des Kongresses christlicher Führungskräfte.
Der CDU-Politiker bezeichnete er es als Verstoß gegen historische Wahrhaftigkeit und
intellektuelle Redlichkeit, wenn die Verfassung den wichtigsten Hinweis auf die religiösen und kulturellen Wurzeln Europas unterschlagen würde. Dass der bei Volksabstimmungen in
Frankreich und den Niederlanden abgelehnte Verfassungsentwurf nur um den Preis des
Verzichts auf den Gottesbezug zustande gekommen sei, nannte Lammert äußerst
besorgniserregend. Ohne ein Mindestmaß an gemeinsamen Grundüberzeugungen werde keine
Gesellschaft zusammengehalten. Als harten Kern der westlich-abendländischen Zivilisation
bezeichnete der Politiker die Verbindung von christlichem Glaube und Vernunft.
Kritik an mut- und lustloser Debatte über Werte
Auch in Deutschland müsse neu über die geistigen Grundlagen der Gesellschaft nachgedacht
werden, forderte Lammert. In den vergangenen Jahren sei die öffentliche Debatte über
gemeinsame Überzeugungen und Werte, die für eine freiheitliche Gesellschaft lebenswichtig
seien, mut- und lustlos geführt worden. Das Bekenntnis vieler Intellektueller zur
Multikulturalität und zum interreligiösen Dialog habe vermieden, sich auf einen Standpunkt
festzulegen. Dies sei jedoch Voraussetzung für einen Dialog. Die Reputation der westlichen
Zivilisation habe massiv darunter gelitten, dass der Eindruck entstanden sei, man stehe nicht
mehr zu eigenen Überzeugungen. Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist nicht überholt
Lammert rief alle gesellschaftlichen Gruppen auf, ihre unterschiedlichen Interessen dem
Allgemeinwohl unterzuordnen. Führungskräfte hätten ihre Verantwortung bisher nicht
überzeugend wahrgenommen. So werde seit mehr als 30 Jahren über eine
Arbeitnehmerbeteiligung am Produktivvermögen diskutiert, ohne dass etwas passiert sei. Die
Kluft zwischen sinkenden Einkommen und wachsenden Unternehmensgewinnen dürfe aber
nicht noch größer werden. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums sei nicht überholt. Kritik übte der Bundestagspräsident auch an der Verteilung des globalen Reichtums. In Deutschland werde für mobiles Telefonieren jährlich mehr Geld ausgegeben, als drei bis vier Milliarden Menschen
in anderen Erdteilen für ihren gesamten Lebensunterhalt zur Verfügung hätten.
Nicht nur Fundamentalismus, auch Gleichgültigkeit ist gefährlich
In der Begegnung von Kulturen und Religionen sieht Lammert nicht nur eine Bereicherung,
sondern auch eine Herausforderung, bei der es nicht ohne Konflikte abgehe. Dabei müsse zwei großen Versuchungen widerstanden werden. Weder dürften einzelne ihren persönlichen
Glauben mit fundamentalistischem Eifer für alle und jeden zum geltenden staatlichen Recht
machen wollen, noch könnten religiöse Überzeugungen für irrelevant und belanglos erklären
werden. Die zweite Variante sei in Deutschland vorherrschend, so Lammert, aber nicht weniger gefährlich als die erste.