15.02.2007

Deutschland: Verstimmung bei muslimischen Verbänden

über „Vorurteile<br />verbreitende“ Handreichung der EKD. Gesprächstermin vorerst abgesagt.<br />

Deutschland: Verstimmung bei muslimischen Verbänden

über „Vorurteile
verbreitende“ Handreichung der EKD. Gesprächstermin vorerst abgesagt.

Hintergrund: „Dialog und Mission schließen sich aus“
Von Yasin Alder, Bonn Islamische Zeitung (iz) 07.02.2007 - Der islamisch-christliche Dialog
hat wieder einmal einen Dämpfer erhalten. Die muslimischen Spitzenverbände Zentralrat der
Muslime (ZMD), Islamrat, DITIB und V.I.K.Z. hatten ein für den 6. Februar angesetztes
Gespräch mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) abgesagt. Nach der
Veröffentlichung der EKD-Handreichung „Klarheit und gute Nachbarschaft“vom November
2006 sähen die Verbände erheblichen Klärungsbedarf, teilte die EKD am 31.01. mit. Eine
Stellungnahme oder Begründung der muslimischen Verbände zu der Absage fand sich erst
verspätet, am Dienstag und Mittwoch, den 06. bzw. 07.02., in Form einer kurzen
Presseerklärung auf deren Webseiten. Eine ausführlichere Stellungnahme sei aber, so
Verbandsvertreter gegenüber der IZ, in Arbeit. Die Pressemitteilung unter dem Titel
„Aufgeschoben heißt nicht aufgehoben“ stammt vom neu gegründeten Koordinierungsrat
(KMD) der großen muslimischen Verbände DITIB, Islamrat, V.I.K.Z. und ZMD. Darin wird
betont, dass nicht nur auf muslimischer Seitegroßer Unmut über die Handreichung entstanden
sei und dass die Verbände nach ausführlicher Diskussion zu der Überzeugung gelangt seien,
dass aufbeiden Seiten noch erheblicher Klärungsbedarf bestehe, bevor das Gespräch
weitergeführt werden könne. Daher wollten die unterzeichnenden Verbände den
Gesprächstermin auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, wobei Bischof Huber dann von
muslimischer Seite eingeladen werden solle.
Der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Huber, der mit seinen Äußerungen zum Islam in der
Vergangenheit mehrfach unter Muslimen unangenehm aufgefallen war, deutete die Absage der
Verbände eher als internes Abstimmungsproblem derselben: „Das kann ich nur so verstehen,
dass unter Ihnen selbst der Bedarf nach einer Klärung besteht, die weiteren Gesprächen mit der
EKD vorausgehen soll.“ Huber erklärte, er bedauere, dass der seit langem festgelegte Termin
nun nicht zur Klärung der Bedenken genutzt werden konnte.
In einem Interview mit dem „Spiegel“ verwehrte Huber sich angesichts der kritischen Aussagen
einiger Verbände zum christlichen Missionsanspruch gegen derartige Kritik mit den Worten:
„Es kann meiner Auffassung nach nicht die Aufgabe der muslimischen Verbände sein, uns
vorzuschreiben, wie wir den christlichen Glauben zu verstehen haben. Wenn sie Einwände
dagegen haben, wie wir den Islam darstellen, werden wir das aufmerksam hören“. Eine
bemerkenswerte Aussage, sind doch andererseits Versuche der äußeren Einflussnahme auf das
Glaubensverständnis der Muslime heute gang und gäbe. Der Islamratsvorsitzende Ali Kizilkaya
kritisierte denn auch, die EKD trete in der Handreichung als „Oberlehrer“ auf.
Eine längere Zeit der Gesprächsverweigerung würde das gesellschaftliche Klima unnötig
belasten, stellte der Koordinierungsrat der Vereinigungen des christlich-islamischen Dialoges in
Deutschland (KCID) in Stuttgart fest. Dennoch sei keine dauerhafte Eiszeit zwischen den beiden
Religionen zu befürchten. Der KCID bewertete den Streit als Folge bisher nicht gründlich genug
geführter Gespräche. Nun sei nicht weniger, sondern mehr Dialog genug geführter Gespräche.
Nun sei nicht weniger, sondern mehr Dialog nötig, hieß es. Die Debatte um die
EKD-Handreichung zeige, dass in der Vergangenheit das Gespräch auf Spitzenebene nicht
genügend gesucht worden sei. „Wir brauchen jetzt nicht weniger, sondern mehr Dialog", sagt
Melanie Miehl, christliche Vorsitzende des Koordinierungsrates. Dem Eindruck, der
Handreichungstext gebe Vorurteile gegenüber dem Islam wieder, entgegnete Huber, dem Dialog
sei nicht gedient, „wenn man alles in die Sprache der Diplomatie verpackt - statt abweichende
Meinungen offen auszusprechen“. Dennoch sei der EKD-Text „kein Papier der Abgrenzung".
Ein Dissens zwischen muslimischen Verbänden und EKD besteht jedoch offenbar darin, was die
Grundbedingungen für den Dialog sind. Laut Huber schlössen Dialog und Mission sich nicht
aus.
Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrats, vertritt hingegen die Auffassung, dass Mission und
Dialog sich ausschlössen. „Die Ebene des Dialogs ist nicht die richtige Ebene für Mission“, sagt
er gegenüber der IZ. „Die Ebene des Dialogs ist für uns als muslimische Verbände ein Forum
dafür, sich kennen zu lernen, sich für einander zu interessieren, und über die Toleranz im
Idealfall zur Akzeptanz zu gelangen und den anderen so zu akzeptieren, wie dieser sich in
seinem Selbstverständnis definiert – und nicht dem anderen vorzuschreiben, wie er zu sein hat.“
Auch er betont, es handle sich nur um eine Absage des Termins und nicht des Dialogs. „Der
Rahmen muss ausgewogen sein und der Dialog muss eine Begegnung auf gleichberechtigter
Ebene sein, das ist wichtig, und keine Seite darf gegenüber der anderen Seite als Oberlehrer
auftreten, das ist die Voraussetzung für den Dialog. Und der Dialog läuft ja an der Basis
teilweise auch sehr gut. Tacheles reden heißt für mich nicht, Vorurteile aufzureihen und als
Vorlage für den Dialog zu verwenden. Es geht hier nicht um Details, sondern in erster Linie
darum, wie wir gemeinsam als Religionsgemeinschaften dem Gemeinwohl dienen können. Und
wenn wir es mit dem Dialog ernst meinen, müssen wir einen respektvollen Umgang miteinander
finden.“
Über Details Ihrer Kritik an der EKD-Handreichung möchten sich die Verbände bisher nicht
äußern, wohl auch um einem künftigen Gespräch darüber mit der EKD nicht öffentlich
vorzugreifen. Der V.I.K.Z. wollte sich gegenüber dieser Zeitung denn auch gar nicht über die
Angelegenheit äußern. In welcher Form das Gespräch wieder aufgenommen werde, sei noch
nicht klar, so Aiman Mazyek, Generalsekretär des ZMD. „Der Stil und die Form, in der in der
Handrechung gesprochen wird, ist einfach nicht der Ton, wie man auf Augenhöhe miteinander
spricht“, so Mazyek. Eine inhaltliche Auseinandersetzung möchte er noch nicht vorwegnehmen.
Diese solle aber noch erfolgen. „Es ist keine Absage des Gesprächs, sondern ein Aussetzen
dieses Termins.“
Die Verbände weisen die Einschätzung Hubers zurück, dass wohl unter ihnen noch interner
Klärungsbedarf bestehen würde. Dies bestätigt im Gespräch mit der IZ auch Aiman Mazyek,:
„Wir haben keine unterschiedliche Meinung zu diesem Papier, wir sind da weitgehend einer
Meinung. Es geht nur darum, wie wir ausführlich dazu Stellung nehmen, das braucht noch ein
wenig Zeit. Es wird aber zeitnah erfolgen.“ Mazyek glaubt, dass der EKD durchaus bewusst
gewesen sein müsse, dass man mit der Veröffentlichung des Papiers eine entsprechende
Reaktion der Muslime bekommen würde.
Die Vertreter der Verbände bestätigten gegenüber der IZ, dass es offenbar einen Unterschied
gibt zwischen dem meist gut funktionierenden Dialog an der Basis, auf Ebene der
Kirchengemeinden, und den in letzter Zeit schärferen Tönen seitens der Kirchenspitzen, sowohl
auf evangelischer Seite durch Bischof Huber als auch von katholischer Seite durch Kardinal
Lehmann. Mazyek berichtet, er habe viele Rückmeldungen von Pfarrern und Einzelpersonen aus
der Kirche bekommen, die insbesondere auf der lokalen Ebene seit vielen Jahren im Dialog mit
viel Erfolg und Engagement tätig seien, und die sehr verstört und vor dem Kopf gestoßen auf
das EKD-Papier reagiert hätten. „Unverständnis ist noch freundlich ausgedrückt, es gibt auch
Kopfschütteln, Ärger und Bedauern an der EKD-Basis.“ Auch in der Vergangenheit habe es
auch aus Kreisen der evangelischen Kirche schon mehrfach Kritik an Äußerungen Hubers
gegeben.
Bekir Alboga, Dialogbeauftragter von DITIB, äußert sich ähnlich: „Wir haben den Dialog mit
der EKD nicht abgesagt, sondern ihn nur verschoben. Meine persönliche Erfahrung mit der
Reaktion einzelner evangelischer Pfarrer und Pfarrerinnen und vereinzelt auch katholischer
Pfarrer bestätigt, dass dieses Papier eine deutliche Abweichung von dem Weg ist, den die EKD
bisher im Dialog mit Muslimen gegangen ist. Ein Pfarrer rief mich an und gab sein Entsetzen
zum Ausdruck. Er haben nach dem Lesen des Papiers die ganze Nacht nicht schlafen können.
Die Pfarrerinnen und Pfarrer vor Ort haben eine andere Vorstellung vom Dialog als die oberen
EKD-Funktionäre, auch wenn man das öffentlich nicht zugibt, erlebe ich das in Gesprächen fast
täglich. Sie finden sich in der Handreichung nicht wieder.“ Zu der Aussage Hubers, dass Dialog
und Mission sich nicht ausschlössen, sagt Alboga: „Das ist ein neuer Ton, den man bis jetzt in
der Öffentlichkeit so nicht ausgesprochen hat“. Selbstverständlich müsse man sich zu seiner
eigenen religiösen Identität bekennen können. „Natürlich wünschen sich alle Gläubigen, dass
Gott auch den anderen Menschen den Weg zum Glauben ebnet“. Die Gelegenheit zum Dialog
dürfe aber nicht als Gelegenheit zur Mission verstanden werden. „Ich bin auch gegen eine
Toleranz, die nicht erlaubt, zu sagen was man glaubt und denkt. Ich lade alle zu diesen
Dialoggesprächen ein – die sind konstruktiv, kritisch, da wird auch Tacheles geredet. Es geht
nicht darum, wie es suggeriert wird, dass wir uns mit Samthandschuhen anfassen. Das entspricht
nicht dem, was tatsächlich im Dialog passiert“, sagt Aiman Mazyek. „Wenn von christlicher
Seite das Gespräch als Mission verstanden wird, ist das für mich unhaltbar.“ Das schließe nicht
aus, dass man auch über Unterschiede offen spreche. Natürliche gehe jeder davon aus, dass die
eigene Religion die Wahrheit ist. „Ich habe aber gelernt, dass andere Religionen das auch für
sich in Anspruch nehmen und wir uns trotzdem nicht die Köpfe einschlagen.“
Zu der in dem Bericht wieder zu findenden Behauptung, die Dachverbände repräsentierten nur
eine Minderheit der Muslime, sagt Mazyek: „Wir haben nie den Anspruch erhoben, für 3,5
Millionen Muslime zu sprechen. Dass darunter auch solche sind, die vielleicht einen
muslimischen Namen haben aber ansonsten mit dem Islam nichts zu tun haben, kann sein. Viele
fühlen sich aber durchaus von den Verbänden vertreten, auch wenn sie keine Mitgliedschaft in
einem Moscheeverein haben oder nur selten in den Moscheen sind. Es gibt einen
praktizierenden Teil, der auch regelmäßig in die Moscheen geht. Und dies ist die entscheidende
Größe: Die Verbände vertreten mindestens zwei Drittel, oder etwa knapp 2.000 der rund 2.500
Moscheegemeinden in Deutschland. Auch die Moscheen, die nicht den Verbänden angehören,
befinden sich ja dadurch nicht in Opposition zu den Verbänden. Sie sind noch dabei, sich zu
organisieren, was derzeit etwa auf regionaler Ebene auch stattfindet. Und die Moscheen sind
nun einmal die Orte, in denen originär muslimisches Leben stattfindet. Und dort ist man auch an
den von den Verbänden bearbeiteten Fragen interessiert.“

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