03.07.2007
Deutschland: Kardinal Meisner zum Kölner Moscheen-Streit -"Verfassungswirklichkeit garantiert Religionsfreiheit"
Köln/Deutschland, 20.06.2007/APD Im Streit um den Bau einer Grossmoschee in Köln zeigte
der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner Verständnis für die Pläne der Muslime. In
einem Interview mit dem Deutschlandfunk äusserte sich der katholische Geistliche zugleich
auch besorgt: Man müsse wachsam bleiben, dass die Terrains, die man Muslimen zur
Verfügung stellt, nicht Territorien werden, auf denen sich die Scharia immer mehr entfaltet.
Meisner wörtlich: "Ich muss ganz schlicht und ehrlich sagen: Aus traditioneller islamischer Sicht sind Versuche, der Scharia graduell immer mehr Raum in unseren Breiten zu verschaffen,
ganz legitim und verständlich." Den muslimischen Mitbürger solle jedoch klargemacht werden,
dass in unseren heutigen Gesellschaften die einzelnen religiösen und ideologischen Gruppen
sich anders darzustellen und anders zu verhalten haben, wenn sie in Gerechtigkeit und
Harmonie in unserem demokratischen Staatsgebilde nach Art der Bundesrepublik Deutschland
und ihrer Verfassung leben wollen. Dies sei ein laufender Prozess. So habe der deutsche
Bundesinnenminister dies schon mit den beiden Islam-Konferenzen getan. Das müsse auch von
den christlichen Kirchen in Deutschland getan werden. Die evangelische Kirche habe mit ihrem
Papier über die gute Nachbarschaft dies schon in Angriff genommen. Auf römisch-katholischer
Seite werde man dieses Papier auch noch mal erneuern.
Die Religionsfreiheit in Deutschland, so Kardinal Meissner, werde durch die
Verfassungswirklichkeit garantiert. Deshalb könne jeder seine Religion ausüben, falls die
Religion selbst die Verfassungswirklichkeit respektiere und natürlich auch der Vertreter der
betreffenden Religion.
Auf die Frage, wie er sich erklären könne, dass der Moschee-Bau von den Kölnerinnen und
Kölner abgelehnt werde, stellte der Kardinal seinerseits Gegenfragen in den Raum: "Könnte die
Ablehnung nicht daran liegen, dass zum Beispiel Muslime, die bei uns hier in Köln Christen
werden, wo Religionsfreiheit herrscht, sich in ihrem Leben durch ihre Glaubensgenossen
bedroht fühlen? Oder könnte es weiter daran liegen, dass es von muslimischer Seite in
Deutschland, in Köln keine oder kaum Proteste gibt, wenn etwa Christen in vorwiegend
muslimischen Ländern, auch in der Türkei verfolgt oder getötet werden?"
Meisner warf auch die Frage aus, warum zum Beispiel die Türkisch-Islamische Union der
Anstalt für Religion (DITIB), welche die grosse Moschee in Köln bauen möchte, nicht hilfreich
zugunsten der Christen bei ihren Glaubensbrüdern in der Türkei eintrete, denen permanent der
Bau von kleinen christlichen Kirchen in der Türkei verboten werde.
Der Kardinal trat im Interview für ein bescheidenes Prinzip der Gegenseitigkeit ein: "Wir
brauchen nicht so viele christliche Kirchen in der Türkei, wie die Türken bei uns Moscheen
brauchen. Aber wir möchten dort, wo sie nötig sind, möchten wir sie wirklich in Toleranz
genehmigt haben, dass christliche Kirchen gebaut werden können und dass christliches Leben
sich entfalten kann, ohne dass auch dort Christen um ihr Leben fürchten müssen."
Der Kölner Erzbischof verlangte im Deutschlandfunk-Interview auch Transparenz, was die
Veranstaltungen in den Räumen, in der Moschee, um die Moschee herum anbetrifft. Meisner:
"Unsere Gottesdienste sind alle öffentlich, und bei uns hat jeder Zutritt und Einblick. Das muss
auch hier so sein in einer solchen Gesellschaft wie die unserige, wo die Einwohnerzahlen so
hoch sind, wo wir wirklich Tür an Tür leben. Es geht mir darum, um eine wirklich gute
Nachbarschaft, und da müssen wir wirklich darum bitten und darauf bestehen, dass die
Muslime, ich sage es noch einmal, unserer Verfassungswirklichkeit entsprechend ihr Leben
gestalten."