19.07.2007

Türkisches Höchstgericht: Orthodoxes Patriarchat nicht "Ökumenisch"


Ankara/Türkei, 27.06.2007 (ORF/APD) Das Oberste Berufungsgericht der Türkei hat dem
orthodoxen Patriarchat in Istanbul das Recht abgesprochen, den Titel "Ökumenisch" zu führen.
Die Bezeichnung habe keine rechtliche Grundlage, hieß es zur Begründung wie türkische
Medien am 26. Juni berichteten. Der Patriarch von Konstantinopel gilt als das Oberhaupt von
mehr als 350 Millionen orthodoxen Christen.
Anlass des Gerichtsverfahrens in der Türkei war ein Streit zwischen dem Patriarchat und
orthodoxen Pfarrgemeinden bulgarischer Nationalität in Istanbul. Der Prozess wurde zwar
eingestellt, die Richter äußerten sich aber zur Frage des Titels Ökumenischer Patriarch. In der
Urteilsbegründung hieß es den Berichten zufolge, das Patriarchat unterstehe vollständig den
türkischen Gesetzen. Nach dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung könne der Staat einer
Minderheit keinen dauerhaften rechtlichen Sonderstatus zuerkennen. Das Ökumenische
Patriarchat äußerte sich zu dem Urteil bisher nicht. Beobachter werten die Entscheidung des
Gerichts als politische Aussage, um die staatlichen Oberhoheit über die Kirche zu betonen.
Ein Streit um einen Titel
Schon seit Jahren sorgt der Titel "Ökumenisch" für Streit zwischen dem Patriarchat und den
türkischen Behörden, die diese Bezeichnung strikt ablehnen. Sie vertreten die Auffassung, dass
der Patriarch nur geistliches Oberhaupt der orthodoxen Restminderheit in der Türkei sei. Die
panorthodoxe Rolle des Ökumenischen Patriarchen haben die türkischen Regierungen stets
zurückgewiesen. Insbesondere Nationalisten werfen dem Patriarchat vor, eine Art orthodoxen
Vatikanstaat auf türkischem Boden errichten zu wollen, eine Unterstellung, die etwa Patriarch
Bartholomaios I. immer entschieden zurückgewiesen hat. Das Wort "Ökumene" stammt aus
dem Griechischen und bedeutet "die ganze bewohnte Erde".
Das Ökumenische Patriarchat in Istanbul gilt nach der Tradition als das geistliche Zentrum der
orthodoxen Christenheit weltweit. Der Patriarch "des Neuen Rom und von Konstantinopel" ist
das Oberhaupt von mehr als 350 Millionen orthodoxen Christen. Er hat allerdings im
Unterschied zum Papst keine umfassende Rechtsgewalt; zu seinen Aufgaben gehört es aber,
panorthodoxe Synoden einzuberufen, Kirchengebieten die Selbständigkeit (Autokephalie) zu
verleihen, Streitigkeiten in Teilkirchen zu schlichten.