20.06.2007

Deutschland: "Die Religionsfreiheit hat ihre Grenzen"

WeltOnline - 30. Mai 2007 - Deutschlands oberster Lutheraner ist dafür, dass in der
Bundesrepublik [Deutschland] Moscheen gebaut werden. Im Gespräch mit WELT ONLINE
warnt Johannes Friedrich zugleich davor, die Religionsfreiheit zu hoch einzustufen, und
beschreibt seine Forderungen an die Muslime, die in Deutschland leben.
WELT ONLINE: Wie weit muss der Staat den Moslems entgegenkommen?
Johannes Friedrich: Sie müssen selbstverständlich alle Möglichkeiten haben, die ihnen unsere
Religionsfreiheit bietet. Ich bin auch dafür, dass Moscheen gebaut werden. Ob sie überall in der
gewünschten Größe gebaut werden müssen, ist eine andere Frage. Und ich bin sehr dafür, dass
sich die moslemischen Verbände einigen, damit der Staat einen Ansprechpartner erhält.
WELT ONLINE: Reicht das für einen islamischen Unterricht?
Friedrich: Wenn der Staat eine Ansprechgruppe hat, mit der man ein Curriculum für einen
Unterricht in deutscher Sprache aufstellen kann, dann reicht es schon. Da wäre schon viel
gewonnen. Man hätte ein starkes Gegengewicht zu den Koranschulen.
8
WELT ONLINE: Können Sie den Wirbel um die Frankfurter Richterin, die in einer
Scheidungssache Koran-Gründe angeführt hat, verstehen?
Friedrich: Unbedingt. Auch für mich war das ein ganz bedenkliches Zeichen. Wie bei uns
gehandelt oder geurteilt wird, das kann nicht von den Vorstellungen der Muslime her bestimmt
werden. Ich fand die Aufregung ganz gut.
WELT ONLINE: Muss über Religionsfreiheit noch einmal gründlich nachgedacht werden?
Friedrich: Religionsfreiheit hat dort ihre Grenzen, wo andere Grundrechte, wie sie im
Grundgesetz verankert sind, tangiert werden. Es kann nicht sein, dass Religionsfreiheit über
allen anderen Grundrechten steht. Von unserem Glauben her haben wir als Christen mit keinem
dieser Grundrechte Probleme. Das müssen wir auch den Muslimen abverlangen. Wer das nicht
kann, muss eben in ein anderes Land gehen!
WELT ONLINE: Die Kirchen sind in einen intensiven theologischen Dialog mit dem Judentum
eingetreten. Gibt es auch Chancen für einen Trialog, also auch mit den Moslems?
Friedrich: Ich persönlich halte nichts vom Trialog. Weil damit ja unterstellt würde, dass es sich
um eine Art gleichschenkliges Dreieck handelte. Unser Verhältnis zu den Juden ist ein anderes
als zum Islam. Die Juden glauben an den Gott, an den auch Jesus geglaubt hat. Die Muslime
nicht.
WELT ONLINE: Bei den großen ökumenischen Themen, zum Beispiel eucharistische
Gastfreundschaft, tritt die Kooperation der Konfessionen auf der Stelle. Doch beim
Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) 2010 in München wird dieses Thema wieder mit Wucht
aufbrechen.
Friedrich: Es wird dort keine gemeinsame Abendmahlsfeier geben. Keine legitimierten und, wie
ich hoffe, auch keine nichtlegitimierten Feiern. Die beiden nichtlegitimierten Abendmahlsfeiern
2003 in Berlin haben der Ökumene geschadet. Der ÖKT ist dazu da, gemeinsam zu Themen, die
für unsere Gesellschaft wichtig sind, Stellung zu nehmen. Doch ich halte grundsätzlich an der
Bitte an die katholische Kirche fest, aus seelsorgerischen Gründen den evangelischen Teil
konfessionsverschiedener Ehepaare zur Eucharistie zuzulassen. Ich weiß allerdings nicht, ob
meine Bitte, dies sozusagen mit Brief und Siegel auszustellen, noch Sinn macht, nachdem sie
sechs Jahre nicht gefruchtet hat. Oder muß ich mich damit zufrieden geben, dass ich das
Ökumenische Direktorium so lesen kann, dass der Seelsorger diese Freiheit hat?
WELT ONLINE: ...und sie auch nutzt... Schlagworte
Friedrich: ...worüber ich mich freue. Ich befürchte allerdings, dass das permanente Nachhaken
nur den Widerstand größer macht. Möglicherweise ist das ja ziemlich protestantisch oder
typisch deutsch gedacht, wenn man sagt, wir wollen das alles schriftlich haben. Auf katholischer
Seite denkt man anders: Würde man die Ausnahme näher beschreiben, würde - so befürchten
meine Kollegen es wohl - aus der Ausnahme schnell eine Regel, und das könne man sich nicht
wünschen.
WELT ONLINE: Viele konfessionsverschiedene Eheleute wünschen sich aber Klarheit. Sie
sagen, das ist doch verboten, also gehe ich nicht zur Eucharistie.
9
Friedrich: Das ist auch meine Erfahrung. Und deshalb hätte ich gerne diese klare Stellungnahme
der Bischöfe gehabt, um die Unsicheren zu ermutigen. Aber ich bin nicht mehr sicher, ob ich
das erreichen werde.
Johannes Friedrich ist als Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche
der oberste Lutheraner in Deutschland. Der ehemalige Propst von Jerusalem, ein ausgewiesener
Ökumeneexperte, steht seit 1999 an der Spitze der bayerischen Landeskirche.