02.03.2007

Ägypten: Christen sollen Brandanschläge geplant haben

Polizei zwingt Kopten zu Falschaussagen - Muslime zünden Geschäfte von Christen an

Ägypten: Christen sollen Brandanschläge geplant haben

Polizei zwingt Kopten zu Falschaussagen - Muslime zünden Geschäfte von Christen an

ISTANBUL, 26. Februar 2007 - Nach einer Serie von Brandanschlägen gegen Christen sind
in Ägypten zwei christliche Familien festgenommen worden. Nach eigenen Angaben soll die
Polizei sie gezwungen haben, die Brandanschläge auf ihre Häuser zu dementieren. Die
koptisch-orthodoxen Familien aus Armant, 600 km südlich von Kairo, sagten, die Polizei
habe sie 36 Stunden lang festgehalten, nachdem sie am 13. Februar eine Anzeige aufgeben
wollten. Unbekannte hatten Brandanschläge auf ihre Häuser verübt. Die Polizisten sagten, es
gebe keine Beweise und der Schaden sei minimal. Die Polizei soll die Christen aufgefordert
haben, Falschaussagen zu unterzeichnen, mit denen sie erklären, sie hätten "versucht, ihre
eigenen Häuser in Brand zu stecken, um zu behaupten, sie würden von Muslimen angegriffen
und um Polizeischutz zu verlangen." Die sechs Kopten wurden bis zum 15. Februar festgehalten,
dann unterzeichneten sie die Aussage, ihre Häuser selbst angezündet zu haben. Ein
christliches Mitglied des Gouverneursrates soll für die Kopten mitverhandelt und zugesagt
haben, dass die Aussagen nicht gegen sie verwendet werden.
Vier Tage zuvor hatten muslimische Gruppen vier Geschäfte von Christen angezündet.
Internationale Medien haben berichtet, eine Liebesbeziehung zwischen einem Christen und
einer Muslima sei Anlass für die Gewalt gewesen. Inländische Medien berichteten jedoch,
dass es zu den Anschlägen kam, weil Christen muslimische Frauen durch Erpressung zur
Konversion zwingen würden. Wie der Informationsdienst Compass aus Armant erfuhr, hatte
die Polizei nach dem Gewaltausbruch acht junge Muslime und den Kopten Ramy Ishaq
verhaftet, dessen Beziehung zu einer 19-jährigen Muslima Auslöser der Unruhen gewesen
sein soll. Ishaq und sieben Muslime befinden sich noch in Polizeigewahrsam.

Hintergrund:
Am 19. Februar behauptete die Kairoer Wochenzeitung "Sawt al-Umma", der Kopte Ashraf
Narouz, dessen Fotostudio durch den Anschlag vom 9. Februar schwer beschädigt wurde,
habe Fotos von nackten muslimischen Frauen gemacht, um sie durch Erpressung zur
Konversion zu zwingen. Ebenfalls schwer beschädigt wurde der Lebensmittelladen des
Kopten Mehareb Azer, die Läden der Christen Shenouda Rarag und Mina Sawiris brannten
teilweise ab. Wie die Zeitschrift meldete, wurde am nächsten Tag auch das Auto eines
Christen zerstört. "Sawt al-Umma" ging soweit, den christlichen Gouverneur von Qena zu
beschuldigen, er schüre religiöse Spannungen, indem er Christen in seinem Amtsbezirk
vorziehe. Außerdem würden koptische Aktivisten im Ausland zum Konfessionsstreit
beitragen, "indem sie schreiben, dass Christen verfolgt werden."

Die Wochenzeitung "Watani", die einem Kopten gehört, druckte am 18. Februar Interviews
mit Einwohnern von Armant ab. Mohamed Abdel-Qader, der Vater eines 16-jährigen
Muslims, der an der Gewalt beteiligt war, sagte, er sei so zornig über seinen Sohn, dass er ihn
nicht im Gefängnis besuchen wolle. Er und andere Eltern gaben radikalen Muslimgruppen die
Schuld. Diese hätten die Jugend der Stadt seit Ende der 1990er Jahre mit "extremistischen,
fanatischen Gedanken" beeinflusst. Ein prominenter Muslim, der anonym bleiben wollte,
sagte, dass Ishaq "wahrscheinlich von anderen jungen Männern gehasst wurde, weil er ein
erfolgreiches Unternehmen hatte, während viele junge Muslime unter Arbeitslosigkeit und
Armut leiden."

Beziehungen zwischen Muslimen und Christen, die in Ägypten bei beiden Religionsgemeinschaften
ein Tabuthema sind, waren in den letzten Jahren oft die Auslöser von Spannungen
zwischen Muslimen und Christen. Kopten behaupten, dass junge Christinnen regelmäßig
entführt und gezwungen werden, zum Islam überzutreten, was oft schwer nachzuweisen ist.
Kritiker setzen dagegen, die Frauen würden möglicherweise freiwillig gehen, um der Armut
und einer schlechten Familiensituation zu entrinnen. Manche gehen aber auch aus Liebe.
Andererseits diskriminiert das ägyptische Recht Nichtmuslime: Christen dürfen offiziell
keine Muslima heiraten (während Muslime Christinnen heiraten dürfen). Es gibt keineRechtsvorschrift für einen Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion.

In der Praxis sind ägyptische Sicherheitskräfte oft an Gewaltakten gegen Christen beteiligt,
die von der Regierung und der Auslandspresse mit der Bezeichnung "konfessionell bedingte
Unruhe" verharmlost werden. Bei Angriffen auf Kirchen in El-Udaysaat und Alexandria im
Januar bzw. April vergangenen Jahres starben zwei Kopten und über 20 wurden verletzt.
Compass Direct