02.03.2007
Usbekistan: Wie viele Zwangsschließungen religiöser Gemeinschaften gab es wirklich?
von Igor Rotar, Forum 18 Nachrichtendienst 16. Februar 2007
Usbekistan: Wie viele Zwangsschließungen religiöser Gemeinschaften gab es wirklich?
von Igor Rotar, Forum 18 Nachrichtendienst 16. Februar 2007
Usbekistan ist sehr darauf bedacht, seine Verstöße gegen die Religionsfreiheit zu vertuschen,
unter anderem durch seine Statistiken. Beim Vergleich der Zahlen des Staatsausschusses für
Religionsfragen vom Februar 2007 mit jenen vom Oktober 2002 stellte der Nachrichtendienst
Forum 18 fest, dass insgesamt sechs christliche Kirchen angegeben waren, denen die
Registrierung entzogen wurde, darunter Zeugen Jehovas, eine Hare Krishna Gemeinschaft
und eine Baha´i Gemeinschaft. Die Zahlen können nicht unabhängig voneinander
nachgewiesen werden und verbergen konfessionelle Unterschiede, mit einem Anstieg an
russisch-orthodoxen und armenisch-apostolischen Gemeinschaften, deren Verlust des
rechtlichen Status einer protestantischen Gemeinde verschleiert wird. Gläubige in Usbekistan
sagen, dass die Realität wahrscheinlich sehr viel schlechter aussieht. Protestantische
Gemeinden schätzen, dass zwischen 2002 und 2006 38 ihrer Versammlungsstätten vom Staat
geschlossen worden sind. Es wird angenommen, dass mehr als 100 religiöse Gemeinschaften
verschiedener Glaubensrichtungen erfolglos versucht haben, sich registrieren zu lassen. Der
Staatsausschuss behauptet, dass es "keine Einschränkungen oder Hindernisse bei den
Registrierungen" gebe. Ohne staatliche Registrierung sind jegliche religiösen Aktivitäten
illegal und praktizierende Gläubige unterliegen der harten Vorgehensweise des Staates.
Usbekistan setzt alles daran, seine Angriffe auf die Religionsfreiheit zu vertuschen und ein
Element dieser Vertuschung ist die Statistik. Forum 18 hat vergeblich versucht, den
Staatsausschuss für Religionsfragen zu der Aussage zu bewegen, wie viele religiösen
Organisationen im Jahr 2006 geschlossen wurden. Begzot Kadyrov, leitender Experte für
nicht-islamische Glaubensrichtungen des Ausschusses, sagte, er habe dazu keine Information.
Dies ist merkwürdig, wo doch das Sammeln von Statistiken über die Anzahl religiöser
Organisationen eine der Hauptaufgaben des Ausschusses ist.
Versuche vonseiten Forum 18, vom Justizministerium Zahlen zur Schließung religiöser
Organisationen zu erhalten, schlugen gleichermaßen fehl. Zwischen dem 6. und dem 13.
Februar unternahm Forum 18 mehrere Anstrengungen, mit Jalalbek Abdusatarov vom
zuständigen Referat zur Registrierung religiöser Organisationen zu sprechen. Jedes Mal sagte
ein Angestellter, der seinen Namen nicht angeben wollte, Herr Abdusatarov sei nicht
anwesend und jemand anderes könne keine Auskunft geben. Regionale Justizbehörden waren
ähnlich auskunftsunwillig. Am 14. Februar weigerte sich Bekmukhamad Latyrinov,
Vorsitzender der Abteilung für die Registration sozialer Organisationen, Forum 18
telefonisch einige Fragen zu beantworten.
Jedoch sind laut einer Statistik des Ausschusses für Religionsfragen, die auf der von der
Regierung gesponserten Webseite press-zu.info am 15. Februar veröffentlicht wurde, 2.222
religiöse Gemeinschaften von 16 verschiedenen Glaubensrichtungen registriert. Davon sind
1.965 muslimische Gemeinschaften, 61 koreanische protestantische Gemeinden, 36
russisch-orthodoxe Gemeinden, 23 Pfingstgemeinden, 22 Full Gospel-Gemeinden, 11
Seventh-day Adventisten, 7 Baha´i, 6 jüdische Gemeinschaften, 5 katholische Gemeinden, 4
lutherische Gemeinden, 4 neuapostolische, 2 Gemeinschaften der Zeugen Jehovas, 2 Hare
Krishna, eine armenisch-apostolische Gemeinde, eine protestantische "Stimme Gottes"
Gemeinde, eine buddhistische Gemeinschaft sowie eine Zweigstelle einer Bibelgesellschaft. Vergleicht man diese Zahlen, haben insgesamt 6 christliche Gemeinden sowie eine
Gemeinschaft von Zeugen Jehovas, eine Hare Krishna- und eine Baha´i Gemeinschaft in viereinhalb Jahren ihre Registrierung verloren. Jedoch verbergen diese Zahlen konfessionelle
Unterschiede, und mit einem Anstieg von russisch-orthodoxen und armenisch-apostolischen
Gemeinschaften wird der Verlust des legalen Status protestantischer Gemeinden vertuscht.
Offizielle Angaben sollten mit Vorsicht betrachtet werden. Beispielsweise haben die
Behörden 2005 gegenüber Forum 18 fälschlicherweise behauptet, eine katholische Gemeinde sei in Nukus, im nordwestlichen Usbekistan, registriert worden.
Unter den anderen Werkzeugen der statistischen Propaganda, die eingesetzt werden, um
Verstöße gegen die Religionsfreiheit zu leugnen, war eine Meinungsumfrage einer
regierungsgeführten "Nichtregierungsorganisation" (siehe F18 Nachrichten vom 19.
Dezember 2006 www.forum18.org/Archive.php id_891). Diese Vertuschungsbemühungen
gingen einher mit einer gesteigerten Aufforderung der regierungsgesteuerten Massenmedien zur Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten.
Wie Forum 18 weiß, wurden in den letzten 18 Monaten folgende religiöse Gemeinschaften von den Behörden geschlossen:
Die Versammlung von Jehovas Zeugen in Fergana [Farghona] (siehe F18 Nachrichten vom
15. Februar www.forum18.org/Archive.php id_912); die adventistische Seventh-day Gemeinde und eine koreanische protestantische Gemeinde in Samarkand
[Samarqand] (siehe F18 News vom 19. Mai 2006
www.forum18.org/Archive.php id_784; sowie die Full Gospel Gemeinde in
Nukus (siehe F18 Nachrichten vom 11. November 2005
www.forum18.org/Archive.php id_686.
Der Bethany Baptist Gemeinde in Mirzo-Ulugbek im Bezirk Tashkent wurde lange Zeit die Registrierung und das somit das Recht zu Fungieren verweigert. Zwei Gemeindemitglieder
wurden 2006 deportiert (siehe F18 Nachrichten vom 6. September 2006
www.forum18.org/Archive.php id_838.) Die Versammlung plante, an Ostern
ein Festessen für die Gemeindemitglieder im Gemeindezentrum abzuhalten. Einige
Gemeindemitarbeiter bereiteten ein traditionelles Mahl vor, doch, wie protestantische Quellen
Forum 18 berichteten, kam bereits zehn Minuten nach Beginn der Feier die örtliche Polizei und beendete die Veranstaltung. Seitdem hat sich die Gemeinde nicht mehr getraut, ihre Versammlungsräume zu nutzen.
Meist folgt solchen Schließungen ein eskalierender Druck auf die Mitglieder der Gemeinschaft. (siehe z. B. F18 Nachrichten vom 26. Januar 2006 www.forum18.org/Archive.php id_719 und vom 5. Mai 2006
www.forum18.org/Archive.php id_774).
Adventistische Quellen in Usbekistan berichteten Forum 18 am 14. Februar, ihre Kirche in
Sakarkand sei von den Behörden geschlossen worden, als sie "sie sich an einem anderen Ort
versammelten, als im Registrierungsdokument angegeben war. Wir beabsichtigen nicht, die
Entscheidung anzufechten." Es gibt noch vier registrierte adventistische Gemeinden in
Tashkent und Umgebung.
Ein usbekischer protestantischer Pastor, der seinen Namen nicht nennen möchte, sagte Forum 18, das eine große Anzahl protestantischer Kirchen, ein Querschnitt nicht-koreanischer
Konfessionen, kürzlich ausgerechnet haben, dass zwischen 2000 und 2006 38 ihrer
Versammlungen unter verschiedensten Vorwänden geschlossen wurden. Forum 18 schätzt, dass über 100 religiöse Gemeinschaften erfolglos versucht haben, sich beim
Justizministerium registrieren zu lassen. Doch nur eine einzige christliche Gemeinde wurde
pro Jahr registriert: eine protestantische Gemeinde im Jahr 2005, eine weitere in 2006 und die armenische apostolische Gemeinde im Januar 2007.
Der Staatsausschuss für Religionsfragen leugnet weiterhin jeglichen Druck, der auf religiöse
Gemeinschaften ausgeübt wird und fegt sämtliche Klagen wegen Ignoranz oder Aberkennung
des rechtlichen Status religiöser Versammlungen vom Tisch. "Der Ausschuss erachtet die
Behauptung, dass die republikanischen Behörden den Druck auf Protestanten in den letzten
Monaten erhöht haben sollen, als haltlos", wie die Agentur press-zu.info am 12. Februar in
einer Stellungnahme auf ihrer Homepage veröffentlichte. Die Zahl religiöser Organisationen
in unserem Land wächst ständig. Dies zeigt, dass es keinerlei Einschränkungen oder Hindernisse
bei der Registrierung gibt." Am 14. Februar hat Aziz Obidov, Pressesprecher des Ausschusses für Religionsfragen, gegenüber Forum 18 jeglichen Kommentar verweigert.
"Wir haben bereits alles kommuniziert, was wir für notwendig erachten und kommentieren dies nicht weiter."
Einen persönlichen Kommentar eines muslimischen Gelehrten, der sich für die Religionsfreiheit
aller Glaubensrichtungen einsetzt als bestes Gegenmittel für islamischen religiösen Extremismus in Usbekistan finden Sie unter
www.forum18.org/Archive.php id=338.
Für mehr Hintergrundinformationen besuchen Sie die Seite
www.forum18.org/Archive.php id=777. Dort finden Sie die eine Statistik zur Religionsfreiheit in Usbekistan.
Eine weitere Statistik zur geringer werdenden Religionsfreiheit im östlichen Teil des Raumes der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE) befindet sich unter
www.forum18.org/Archive.php id=806.
Eine Statistik zur religiösen Intoleranz in Zentralasien finden Sie unter
www.forum18.org/Archive.php id=815.