03.05.2007
Christenverfolgung: Christen als Freiwild
Von Till-Reimer Stoldt
21. April 2007 DieWelt - Wird in Pakistan eine Christin von einem muslimischen Mann
vergewaltigt, geht der nach geltendem Recht fast immer straffrei aus. Damit ein Richter der Frau
glaubt, müsste die nämlich vier männliche Muslime als Zeugen aufbieten. Daher sind
pakistanische Christinnen faktisch Freiwild. Dies ist einer von vielen Skandalen, die sich hinter
dem Begriff "Christenverfolgung" verbergen, der nun wieder en vogue ist: Gestern wurden auf
den Philippinen sieben Christen von Muslim-Extremisten geköpft, und am Mittwoch schnitten
türkische Islamisten drei Anhängern Jesu die Kehle durch.
Fast wöchentlich könnte man ähnliche Schauergeschichten erzählen: über christliche
Konvertiten, die in Nigeria von einer Muslim-Meute totgeschlagen wurden. Über Pfarrer in
Vietnam und Ägypten, die in Psychiatrien eingewiesen wurden, weil sie von ihrem Glauben
sprachen. Oder über Christen, die von buddhistischen Mönchen in Sri Lanka wegen
Missionsversuchen blutig geprügelt wurden.
Erstaunlich ist nur: Über all diese Skandale klagen und zürnen wir keineswegs wöchentlich.
Politiker, Medienschaffende und sogar Kirchenleute scheuen sich oft, auch nur anzusprechen,
dass laut Menschenrechtlern rund 75 Prozent aller religiös Verfolgten auf der Welt Christen
sind.
Selbst Vertreter der katholischen Kirche beschwichtigen, die Morde in der Türkei hätten nur mit
Nervosität vor dem Wahlkampf zu tun. Aber auch die EU nutzt ihren Einfluss kaum, um einen
Politik- und Klimawechsel in der Türkei einzuklagen. Dabei muss man schon fragen: Welchen
Sinn ergeben Beitrittsverhandlungen mit einer Regierung, die eine paranoid-antichristliche
Stimmung schürt? Und warum sollte irgendeine Regierung der Welt angesichts solch kraftloser
Reaktionen ihre Politik ändern?
Allein die USA riskieren bisweilen diplomatische Verstimmungen, um auf das Leid von
Christen hinzuweisen. Aber öffentliche US-Solidarität betrachten Christen im Orient mit
gemischten Gefühlen - weil der schlechte Ruf der USA ihnen schadet. Umso dringender ist
Europa mit seinem etwas besseren Ruf gefragt. Der alte Kontinent hat alle Chancen, Solidarität
zu beweisen. Till-Reimer Stoldt
URL: www.welt.de/welt_print/article824841/Christen_als_Freiwild.htm