08.05.2007
Türkei: Geständnisse nach Christenmorden
Istanbul, 20.04.2007 - dpa - Einen Tag nach dem Mord an drei Christen in einem Bibelverlag
in Malatya haben vier tatverdächtige Türken die Bluttat laut Medienberichten gestanden. Für
den Überfall, bei dem zwei Türken und einem 46-jährigen Deutschen die Kehlen
durchschnitten worden waren, gaben sie religiös-nationalistische Motive an.
Das berichteten türkische Medien am Donnerstag. Die vier jungen Männer im Alter von 19
und 20 Jahren waren am Mittwoch noch am Tatort gefasst worden. In Deutschland reagierten
die Türkische Gemeinde und der Rat der Muslime mit Entsetzen und Abscheu auf das
Verbrechen. Auf die laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei werde es
keine Auswirkungen haben, erklärte die EU-Kommission in Brüssel.
"Wir haben dies nicht für uns, sondern für das Vaterland und unseren Glauben getan", zitierte
die Zeitung "Hürriyet" die vier Türken. "Den Feinden des Glaubens möge dies eine Lehre
sein." Die Polizei meldete am Donnerstag weitere Festnahmen, insgesamt säßen jetzt zehn
Personen hinter Gittern. Alle seien Männer "derselben Altersgruppe", sagte
Provinzgouverneur Halil Ibrahim Dasöz. Einer der mutmaßlichen Angreifer, der bei der
Flucht vor der Polizei aus dem Fenster gesprungen war, schwebte am Donnerstag noch in
Lebensgefahr.
Bei dem Anschlag waren zwei türkische Mitarbeiter des kleinen christlichen Verlags Zirve
und ein Deutscher brutal ermordet worden. Die Opfer waren an Händen und Füßen gefesselt
gewesen. Der 46-jährige Tilmann G. hatte in Malatya für eine Beraterfirma als Übersetzer
gearbeitet. Mit Frau und drei Kindern lebte er seit 2003 in der Stadt, wie türkische Medien berichteten. Die Firma "Silk Road Consulting", die in der Türkei Übersetzerdienste und
Sprachunterricht anbietet, weist ihn auf ihrer Website als einen von drei Mitarbeitern in
Malatya aus.
Vertreter der protestantischen Kirchen in der Türkei erhoben unterdessen schwere Vorwürfe
gegen Staat, Parteien und Medien. "Einige (...) zeigen mit einer kein Ende findenden
Feindschaft auf die Christen und hetzen unser Volk auf", sagte Bedri Peker, Präsident des
Bundes der Protestantischen Kirchen der Türkei. Christen würden als "potenzielle Straftäter
und Vaterlandsverräter" gesehen. Ihsan Özbek, Vorsitzender eines Vereins protestantischer
Freikirchen (Kurtulus Klisesi) in Ankara, dem auch die kleine Gemeinde in Malatya angehört,
sprach von einer "Hexenjagd wie im Mittelalter". Die Zahl türkischer Protestanten in der
Türkei wird auf einige wenige hundert geschätzt.
Türkische Medien stellten den Anschlag von Malatya in eine Reihe mit der Ermordung des
türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink im Februar in Istanbul und dem Mord an
einem italienischen katholischen Priester, der Anfang 2006 in seiner Kirche in der Stadt
Trabzon am Schwarzen Meer hinterrücks erschossen worden war.
Der türkische Außenminister Abdullah Gül sorgte sich indessen um den Ruf der Türkei in der
Welt. "Es bereitet uns großes Unbehagen, dass das Ansehen unseres Landes im Ausland
beschädigt wird." Der Anschlag sei gegen "den inneren Frieden, die Tradition der Toleranz
und gegen die Stabilität der Türkei" gerichtet, sagte Gül. "Wir verurteilen ihn aufs Schärfste."
Bereits am Mittwochabend hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Morde als "Akt
der Grausamkeit" verurteilt.