02.10.2007
Deutschland: Protestanten und Muslime streiten weiter über Islam-Papier
30.08.07 Der frühere Präses der EKD-Synode, Bundesminister a.D. Jürgen Schmude (rechts),<br />im Gespräch mit dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider
Deutschland: Protestanten und Muslime streiten weiter über Islam-Papier
30.08.07 Der frühere Präses der EKD-Synode, Bundesminister a.D. Jürgen Schmude (rechts),
im Gespräch mit dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider
D ü s s e l d o r f (idea) – Verantwortliche und Kritiker des Islam-Papiers des Rates der EKD
haben auf einem Symposion der Evangelischen Kirche im Rheinland am 29. August in
Düsseldorf gestritten. Die im November veröffentlichte Handreichung „Klarheit und gute
Nachbarschaft“ ist in islamischen Verbänden und teils auch in kirchlichen Kreisen auf
Widerspruch gestoßen.
In dem Papier werden deutlicher als in früheren kirchlichen Erklärungen die Unterschiede
zwischen Christentum und Islam benannt und kritische Anfragen an muslimische Verbände
gerichtet. Die Zweite Vorsitzende von HUDA (Netzwerk für muslimische Frauen), Hamideh
Mohaghegi (Hannover), warf der EKD auf der Tagung vor, den Islam verzerrt darzustellen. So
werde unterstellt, dass bei der islamischen Eheschließung der religiöse Aspekt keine Rolle
spiele und die Frau ein „Kaufobjekt“ sei. Es werde außerdem der Eindruck erweckt, dass
Muslime gegenüber Andersgläubigen nicht tolerant seien und Frauen unterdrückten. Zwar gebe
es Muslime, die diesem Bild entsprächen; man dürfe es aber nicht verallgemeinern. Die
Beschreibung des Islam in der Handreichung schrecke Christen eher davon ab, in guter
Nachbarschaft mit Muslimen zu leben. Die Unterschiede zwischen Christentum und Islam
würden so stark betont, dass bei manchen Christen der Eindruck entstehen könne, sie verrieten
ihre Religion, wenn sie mit Moslems beteten. Mohaghegi räumte ein, dass im Islam Reformen
notwendig seien. Allerdings dürfe man von Muslimen nicht erwarten, dass sie dabei den von
Christen beschrittenen Weg der Aufklärung kopierten. Die Handreichung sei aber insofern
hilfreich, weil sie zeige, „wie der Islam in einigen offiziellen evangelischen Stellen
wahrgenommen wird“. Islam-Beauftragte aus rheinischen Kirchenkreisen berichteten, dass das
Papier eher Verunsicherung im christlich-islamischen Dialog ausgelöst habe. Teilweise werde
Stimmung gegen Muslime gemacht.
Islam-Papier zur Integration der Evangelikalen?
Kritik an der Handreichung übte auch der Hamburger Religionswissenschaftler Ulrich Dehn.
Muslime würden pauschal wegen mutmaßlicher Menschenrechtsdefizite abgemahnt, obwohl die
Beispiele meist aus dem außereuropäischen Ausland stammten. Außerdem mute es fast wie
versteckte Selbstironie an, wenn die EKD von Muslimen eine Entflechtung von Politik und
Religion fordere. Schließlich verfasse die Kirche selbst zahlreiche politische Stellungnahmen
und sei „auf Tuchfühlung mit der politischen Klasse“. Dehn bedauerte, dass das EKD-Papier
zahlreiche konservative und evangelikale Positionen enthalte, die noch in der Handreichung aus
dem Jahr 2000 „Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland“ unterdrückt worden seien: „Es
geht um die Integration des evangelikalen Lagers und um innerkirchliche Politik, erst
nachrangig um interreligiösen Dialog.“.
Warum EKD keine Muslime einbezog
Der frühere Präses der EKD-Synode, Bundesminister a.D. Jürgen Schmude (Moers), wies die
Kritik an der Erklärung zurück. Der Sozialdemokrat stand der Arbeitsgemeinschaft vor, die das
Papier erarbeitet hat. Es könne keine Rede davon sein, dass Muslime pauschal der Neigung zur
Gewalt und der Intoleranz verdächtigt würden. Vielmehr werde jeder Geringschätzung und
Feindseligkeit gegenüber Muslimen eine klare Absage erteilt. Das Papier zeichne auch keine
undifferenziertes Bild des Islam, sondern gehe auf unterschiedliche Interpretationen des Koran
und des islamischen Rechts (Scharia) ein. Die EKD biete sich als Partnerin für einen
respektvollen Umgang und gute Nachbarschaft an. Zur Kritik, keine muslimischen
Repräsentanten in die Erarbeitung des Papiers einbezogen haben, sagte Schmude, bei einem
solchen Vorgehen würden „die kritischen Punkte so lange behandelt, bis die eine Seite unter
Protest den Saal verlässt oder von der Kritik nichts mehr übrig bleibt.“ Dem Juristen zufolge
muss es die islamische Seite aushalten, auch kritische Fragen gestellt zu bekommen. Dies gelte
etwa hinsichtlich der eingeschränkten Rechte von Christen in islamisch dominierten Ländern,
die Strafandrohung bei der Abwendung vom Islam und die Stellung der Frau. Diese Fragen
seien von den islamischen Verbänden in Deutschland bisher nicht oder nicht in ausreichender
Klarheit beantwortet worden. Nach seiner Einschätzung hätte etwa die Türkisch-Islamische
Union der Anstalt für Religion (DITIB) die Möglichkeit, sich für mehr Rechte für Christen in
der Türkei einzusetzen. Laut Schmude tritt die EKD dafür ein, dass Muslime ihre
Religionsfreiheit in Deutschland in vollem Umfang wahrnehmen können. Dies gelte etwa für
den islamischen Religionsunterricht und den Moscheebau. Die Kirche mache dies nicht von der
Erlaubnis zum Kirchenbau in islamischen Ländern abhängig.
Evangelikale nicht von vornherein schlecht
Schmude regte an, dass sich führende Vertreter der EKD und der Muslime in kleinem Kreis –
jeweils zwei Vertreter von jeder Seite – über strittige Fragen sprechen und zu einer Klärung
kommen. Er sei überzeugt, dass „wir in vielen Punkten näher sind, als wir das öffentlich
registrieren“. Schmude widersprach Dehns These, dass Evangelikale das EKD-Papier
maßgeblich beeinflusst hätten. In der Arbeitsgruppe seien nur ein bis zwei Vertreter dieser
Bewegung gewesen. Es führe auch nicht weiter, wenn so getan werde, als sei „evangelikal“ von
vornherein schlecht.
Präses Schneider kritisiert DITIB
Der rheinische Präses Nikolaus Schneider (Düsseldorf) plädierte für einen respektvollen
Umgang der monotheistischen Religionen mit ihren jeweiligen Wahrheitsansprüchen. Christen
sollten im interreligiösen Gespräch auf diesen Anspruch nicht verzichten oder ihn so lange
weichspülen, bis er nicht mehr erkennbar sei. Scharfe Kritik übte er an dem islamischen
Verband DITIB. Dieser betreibe türkische Religionspolitik auf deutschem Boden und sei nicht
an Integration interessiert. Schneider rief zur Solidarität mit christlichen Minderheiten in der
Türkei auf. Es gebe eine ökumenische Verpflichtung, „diejenigen, die stumm gemacht werden
sollen, nicht im Stich zu lassen“.