21.10.2007

Türkei: Europäischer Gerichtshof urteilt gegen verpflichtenden Religionsunterricht in der Türkei


Strassburg/Frankreich, 09.10.2007 (ORF/APD) Der europäische Gerichtshof für
Menschenrechte hat das Recht einer türkischen Familie alevitischen Glaubens auf
Religionsfreiheit anerkannt. Ihr Kind muss nicht am Religionsunterricht teilnehmen.
In Strassburg geklagt hatte nach Angaben des Gerichtshofs vom 9. Oktober ein alevitischer
Türke aus Istanbul, der vergeblich versucht hatte, seine Tochter vom Pflichtfach
Religionsunterricht an einer öffentlichen Schule zu befreien. Die Aleviten, deren Glauben sich
auch aus dem schiitischen Islam entwickelt hat, bilden in der Türkei die grösste Religionsgruppe
nach den sunnitischen Muslimen.
Religionsunterricht unvereinbar mit eigenem Glauben
Der Mann hatte vor der Schulbehörde den Religionsunterricht als unvereinbar mit seiner
Religionsfreiheit nach der Menschenrechtskonvention bezeichnet und geltend gemacht, dass der
Unterricht nicht neutral sei, da hauptsächlich der Islam sunnitischer Prägung gelehrt werde.
Religionsunterricht im Grundgesetz Der türkische Staatsrat hatte 2003 seinen Antrag mit dem
Argument zurückgewiesen, dass der Religionsunterricht in der Türkei im Grundgesetz verankert
sei. Die Strassburger Richter befanden in ihrem Urteil, dass an türkischen Schulen der
Religionsunterricht "nicht den Kriterien einer pluralistischen Erziehung in einer demokratischen
Gesellschaft" entspräche, da hauptsächlich der sunnitische Islam gelehrt werde.
Befreiung zu schwierig
Ausserdem befanden sie die Antragstellung auf Befreiung vom Religionsunterricht als zu
"schwerfällig und belastend", da die Antragsteller verpflichtet seien, "ihre religiösen oder
philosophischen Überzeugungen offenzulegen". Als Folge dieses Urteils ist die Türkei
verpflichtet, ihre Gesetze zu ändern, damit derartige Fälle in Zukunft nicht mehr vorkommen.