13.08.2008
Ägypten: Terror gegen Kopten
von Birgit Cerha
Frankfurter Rundschau - 13.08.2008 - Hilferufe aus Ägypten: Die christliche Religionsgemeinschaft der Kopten sieht sich Angriffen aus der moslemischen Mehrheit und Repressionen durch den Staat ausgesetzt. Internationale Organisationen der Kopten haben jetzt eindringlich an die USA appelliert, auf das Regime Hosni Mubaraks Druck auszuüben, um den wachsenden Schikanen Einhalt zu gebieten. "Die Situation (der Kopten) in Ägypten eskaliert. Es gibt keine Gesetze zum Schutz der Kopten", stellt Naguib Gabriel, der Chef der "Ägyptischen Menschenrechts-Union", fest. Druck von außen sei dringend geboten. Doch viele Kopten befürchten, ihre Situation könnte sich dadurch nur verschlimmern. Verwiesen wird auf den Fall des prominenten Menschenrechtsaktivisten Saad Eddin Ibrahim, der gerade in Abwesenheit zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Ibrahims "Verbrechen": Ein Appell an die USA, den engsten verbündeten Kairos, sich stärker für demokratische Reformen am Nil einzusetzen.
Angriffe und EntführungenEin 1600 Jahre altes Kloster in Oberägypten wurde kürzlich von moslemischen Gewalttätern überfallen, Mönche wurden entführt, das Kreuz geschändet, Geschäfte von Christen ausgeraubt. Mädchen werden verschleppt und unter Zwang islamisiert, Häuser und Autos in Brand gesetzt. Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Kopten und Moslems häufen sich, insbesondere in Oberägypten. Selbst liberale Moslems sprechen von einer systematischen Kampagne gegen die christliche Minderheit. Die Regierung und die staatlich gelenkten Medien bestreiten meistens den islamistischen Hintergrund der Attacken. Verängstigt isoliert sich die größte christliche Gemeinde des Orients selbst.
Die koptische Kirche wurde vom Apostel Markus im ersten Jahrhundert gegründet. 650 Jahre lang war ganz Ägypten christlich, bis die Araber und mit ihnen der Islam das Land eroberten. Die heute acht bis zehn Millionen Kopten verstehen sich als die wahren Besitzer Ägyptens, die direkten Nachkommen der Pharaonen. Muslime, aber auch führende Kopten, preisen eine Geschichte des friedlichen Zusammenlebens, das erst Mitte des 20. Jahrhunderts durch sporadische Gewalt gegen die Minderheit getrübt worden sei. Der Druck auf die Christen wuchs mit der politischen Bedeutung islamischer Strömungen, die das Regime durch eine Mischung aus Repression und Islamisierung in Schach zu halten sucht.Auch deshalb nimmt die Diskriminierung durch den Staat, durch Gesetze, durch die politische und administrative Praxis zu. Die Kopten werden aus dem politischen Prozess weitgehend ausgeschlossen, bekleiden keine hohen Staatsämter, werden im Arbeitsprozess benachteiligt. Nur mit Sondergenehmigung des Präsidenten dürfen sie Kirchen bauen. Wer zum Christentum übertritt, ist enormem Druck ausgesetzt. 4000 Kopten wurden in den vergangenen vier Jahrzehnten getötet. Rund 1,5 Millionen flohen.
Extremisten werden ermutigt"Die Diskriminierung der Kopten ist tief in den staatlichen Institutionen und in der Praxis (der Staatsorgane) verankert", stellt Ibrahims Ibn-Khaldun-Zentrum fest. Da der Staat Gewalt gegen Kopten nicht strafrechtlich ahndet und auch Papst Schenuda III. alles tut, um eine offene Konfrontation zu vermeiden, nimmt ein "endloser trauriger Teufelskreis" seinen Lauf, würden Extremisten zu ihren Untaten geradezu ermutigt. Ägyptische Medien wälzen Verschwörungstheorien. Angeblich wollen gewalttätige Koptenorganisationen mit westlicher Unterstützung gegen das Regime, vor allem aber gegen islamistische Strömungen am Nil losschlagen."Wir Kopten aber", so sinniert der Intellektuelle Milad Hanna, "haben in unserer Geschichte gelernt, uns an sozio-politische Veränderungen anzupassen. Unser Hang zum Kompromiss ist stark ausgeprägt."
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1485653&em_ivw=fr_polstart