07.12.2008

Indien: Offener Brief an Herrn Dr. Manmohan Sing, Prime Minister of India

Exzellenz, als am Nachmittag des 26. August 2008 das Dorf Totamaha von Hindu-Nationalisten angegriffen wurde, flohen alle Bewohner. Auch Akhbar Digal, der 46 Jahre alte Pastor der Pfingstgemeinde. Aber er wurde fest genommen und ihm wurde mit einem Beil der Kopf abgeschlagen. Nachbarn und Angehörige erklärten, den Namen des Mörders zu kennen. Sie hätten seinen Namen auch der Polizei genannt, als sie Anzeige erstatteten. Doch der Verdächtige ist noch immer auf freiem Fuß und strafrechtliche Ermittlungen sind nicht vorgenommen worden.

Exzellenz, im Dorf Bakingia wurde am 26. August 2008 der 50 Jahre alte Pastor der Sieben-Tage-Adventisten, Samuel Naik, ermordet. Er war bei seiner schwerkranken Mutter Janumati Naik am Krankenbett als die Angreifer ins Dorf kamen. Der Pastor wurde mit einem Beil erschlagen, seine Mutter mit Kerosin übergossen und angezündet.

Exzellenz, am 23. August 2008 machte sich Pastor Fidem Nayak mit zwei Jugendlichen auf den Weg zu einem Gebetstreffen ins Nachbardorf. Auf ihrem Rückweg am 25. August 2008 wurden die drei Christen von radikalen Hindus zu Tode gehackt, das Haus des Pastors wurde geplündert und niedergebrannt. Seine 50 Jahre alte Frau Nalini Nayak floh in das Flüchtlingslager Tikabali, nachdem sie sich mit Nachbarn vier Tage lang im Wald versteckt gehalten hatte. Auch zwei Monate nach ihrer Flucht will sie nicht mehr zurück. In ihrem Dorf ist alles zerstört. Und sie will auch nicht ihren Glauben aufgeben.

Exzellenz, Hindu-Extremisten drohen christlichen Adivasi und Dalits ihre Häuser in Brand zu stecken und sie zu töten, wenn sie sich nicht vom Christentum abwenden und zum hinduistischen Glauben bekennen. Rund 600 Christen sollen in den letzten drei Monaten in Orissa zwangsweise zum Hinduismus konvertiert worden sein. Zwei dieser Zwangskonvertierten Männer (ihr Name und Wohnort ist bekannt) berichteten: Am 25. August wurden 14 Christen aus mehreren Dörfern zusammengetrieben. Die „Konversionszeremonie“ wurde von einem brahmanischen Priester Srinivas geleitet. Zur „inneren Reinigung“ wurde den Christen ein Getränk verabreicht. Es bestand aus einer Mischung von Kuhdung, dem Urin von Kühen und aus Kuhmilch. Die „Bekehrten“ hatten dieses Getränk vor den Augen der nationalistischen Hindus zu trinken. Ihr Kopf wurde kahl geschoren, bis auf einen kleinen Zopf am Hinterkopf. Sie wurden angewiesen, mehrmals auszurufen: „Es lebe der Gott Rama“ – „Hoch lebe die Kraft der Bajrang“ – „Hoch lebe Mutter Indien“ und ihre Bibeln zu vernichten.

Exzellenz, die Regierung im Bundesstaat Orissa, in der auch die radikale Hindu-Partei BJB („Bharatiya Janata Party“) vertreten ist, erklärte Ende September 2008, die Lage im Kandhamal Distrikt habe sich beruhigt. Die lokalen Friedenskomitees hätten wieder für Ruhe und Ordnung gesorgt. Aber „normales Leben“ kehrte nur in diejenigen Dörfer zurück, in denen keine Christen mehr leben oder in denen sich Christen unter Zwang zur Konversion bereit erklärt hatten. Am 2. Oktober 2008 wurden im Ort Ladapadar 22 von 30 christlichen Familien gezwungen, sich zum Hinduismus zu bekennen.

Exzellenz, die pogromartigen Überfälle müssen juristisch unverzüglich aufgearbeitet werden. Die Verantwortlichen müssen schneller zur Rechenschaft gezogen werden. Das Bundeskriminalamt (CBI - Central Bureau of Investigation) muss mit den Ermittlungen beauftragt werden, weil die Regionalregierung dafür nicht geeignet ist. Unterlassungen von lokalen Institutionen wie auch von Bundesbehörden müssen untersucht werden. Einzelpersonen und Institutionen, die Schaden erlitten haben, müssen angemessen und rasch entschädigt werden. Die Religionsausübung muss garantiert und geschützt werden, niemand darf zwangsweise „bekehrt“ werden. Radikale Organisationen müssen in ganz Indien verboten werden (d.h. der Welt-Hindu Rat (VHP), der paramilitärische Arm der Bewegung, (Bajrang Dal), die faschistische Hindu-Organisation (RSS), weil sie ethnische und religiöse Auseinandersetzungen schüren und die Regeln der Demokratie missachten. Minderheiten und ihr Besitz müssen stärker geschützt werden, daher darf die Bundespolizei (CRPF) nicht abgezogen werden. Binnenflüchtlingen muß eine menschenwürdige Rückkehr in ihre Heimatdörfer ermöglicht werden oder bei ihren Bemühungen unterstützt werden, in anderen Regionen des Landes Aufnahme zu finden.

Hochachtungsvoll,

München, Sonntag, 7. Dezember 2008, (gez.) Wilhelm H. LudwigMitglied der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) – www.igfm.de –Member of the International Society for Human Rights (ISHR) – www.ishr.org –Mitglied der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) – www.gfbv.de –Member of the Society for Threatened Peoples, c/o Streitbergstr. 93a, D 81249 München,

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