22.12.2008

China: Die Charta 08 - Reformprogramm chinesischer Intellektueller

Einführung

Am 9. Dezember 2008 veröffentlichten 303 Erstunterzeichner dieses Reformprogramm.  Die "Charta 08", die in der Frankfurter Allgemeine Zeitung am 22. Dezember 2008 zum ersten Mal in deutscher Sprache - aus dem Chinesischen von Prof. Dr. Jörg-M. Rudolph - veröffentlicht wurde, enthält 19 konkrete Forderungen für ein Reformprogramm zur Abschaffung der Parteidiktatur in der Volksrepublik China.

Ein kürzlich zum Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte auf chinesischen Internet-Seiten veröffentlichter Aufruf zu umfassenden demokratischen Reformen findet in China und in der Welt immer mehr Unterstützung.  5000 Chinesen sollen bisher schon ihre Namen unter die „Charta 08“ gesetzt haben, die in Anlehnung an die „Charta 77“ in der damaligen Tschechoslowakei mehr Freiheit und die Achtung der Menschenrechte in China fordert.  „Die Überführung der politischen Herrschaft in eine Demokratie erlaubt keinen weiteren Aufschub“, heißt es in dem Dokument.

Der ehemalige Präsident der Tschechischen Republik und Mitorganisator der „Charta 77“, Václav Havel, stellte sich bereits hinter die 303 Erstunterzeichner.  „China ist heute freier und offener als mein eigenes Land vor 30 Jahren, dennoch reagierten die kommunistischen Behörden ähnlich“, schrieb Havel im ‚Wall Street Journal’.  Damals wie heute gelte jedoch „dass Einschüchterung, Propagandakampagnen und Unterdrückung kein Ersatz sind für vernünftigen Dialog“.

Vorwort

2008 jährt sich die erste Verfassung Chinas zum 100., die Erklärung der universellen Menschenrechte zum 60. und die Pekinger Mauer der Demokratie zum 30. Mal.  Und vor 10 Jahren unterzeichnete die chinesische Regierung den (völkerrechtlichen UN-Vertrag) Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte.  Die chinesischen Bürger sind nach langwierigen, mühsamen und von Rückschlägen gezeichneten Kämpfen aufgewacht und erkennen in täglich wachsender Klarheit, dass Freiheit, Gleichberechtigung und Menschenrechte gemeinsame und universelle Werte der Menschheit sind, dass Demokratie, Republik und die verfassungskonforme Regierung Fundament und Rahmen einer modernen Politik sind.  Eine "Modernisierung", die sich von diesen universellen Werten und solchen Grundlagen der Politik entfernt, kann nur zu einer Katastrophe werden, weil sie den Menschen ihre Rechte raubt, ihre Vernunft korrumpiert und ihre Würde zerstört.  Wohin wird China im 21. Jahrhundert gehen?  Wird es weitet die "Modernisierung" unter autoritärer Herrschaft verfolgen?  Oder wird es sich mit den universellen Werten identifizieren, mit der Hauptrichtung verschmelzen und ein demokratisches Regierungssystem aufbauen?  Dieser Entscheidung können wir nicht mehr ausweichen.

Die historischen Umwälzungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts (Anm.: Gemeint ist der Einbruch europäischer Kultur - materieller und geistiger - in die bis dahin hermetisch verschlossene chinesische Welt) legten die Verrottetheit der historischen chinesischen Autokratie bloß und waren der Prolog für Veränderungen, wie es sie in der chinesischen Welt bis dahin nie gegeben hatte.  Die "Bewegung zum Lernen vom Ausland" (Anm.: Der erste Modernisierungsversuch, getragen von einigen Provinz-Gouverneuren, die durch Importe europäischer Technik und deren Kopieren "China" zu modernisieren suchten, gemeinhin die 1860er bis 90er Jahre) suchte den Fortschritt allein in der materiellen Sphäre.  Doch die Niederlage im Krieg gegen Japan (Anm.: 1894/95, der wahre Schock für das überkommene Regime) enthüllte abermals die Überlebtheit des chinesischen Systems.  Die "Hundert Tage der Reformen" (Anm.: 1898, nach der verheerenden Niederlage gegen den "Tributstaat" Japan, wurde der Versuch des jungen Kaisers, mit Hilfe einiger Reformer das versteinerte Mandarin-System zu reformieren, durch einen Palast-Putsch vereitelt) rührten dann erstmals an seinen Kern, doch den konservativen Ultras gelang eine grausame Unterdrückung, und die Reformen scheiterten.  Die "Revolution von 1911" (Anm.: Militärputsch in Zentral-China mit Dominoeffekt im ganzen Land, der zum Abdanken des Ancien Regime und zur Ausrufung der "Republik China" führte) schuf zwar die erste asiatische Republik und beerdigte das zweitausend Jahre währende Kaiser-System - jedoch nur auf den ersten Blick.  Unter den Bedingungen des inneren Chaos und von außen herein getragener Katastrophen konnte das republikanische System nur eine Episode bleiben.  Bald kehrte die Despotie zurück.

Das Scheitern des materiellen Kopierens und der Erneuerung des Systems trieb jedoch Chinesen dazu, gedanklich tiefer zu schürfen, bis sie auf die kranken Wurzeln der Kultur stießen.  Daraus erwuchs das Banner "Wissenschaft und Demokratie" der "Bewegung des 4. Mai" (1919) und der folgenden "Bewegung einer neuen Kultur" (Anm.: d.h. weg mit der gescheiterten chinesischen Kultur, Übernahme europäischen Denkens).

Die häufigen War-Lord-Kriege im Inneren und die Aggression von außen (Anm.: von 1931 an: Japan) unterbrachen jedoch den Prozess der politischen Demokratisierung Chinas.  Nach der japanischen Kapitulation (1945) erfolgte zwar ein weiterer Anlauf zu einer verfassten Regierung, doch der Bürgerkrieg zwischen Kuomintang und KP stürzte China am Ende in den Abgrund des modernen Totalitarismus.  Das "Neue China" (Anm.: Chiffre der Kommunistischen Partei für ihren Staat) von 1949 war indessen nur dem Namen nach eine "Republik des Volkes", tatsächlich war es die "Welt der Partei". 

Die herrschende Partei monopolisierte alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ressourcen und produzierte eine Serie menschenrechtlicher Katastrophen - die „Anti-Rechts-Bewegung“ (Anm.: 1957 ff., gegen Kritiker der Parteiherrschaft), den „Großen Sprung nach vorn“ (1958 bis 1960), die „Kulturrevolution“ (offiziell 1966 bis 1976), den „4. Juni 1989“, die Unterdrückung der Volksreligion und der Bewegung zur Verteidigung der Rechte (Anm.: Seit etwa 2000 nehmen sich mutige Rechtsanwälte der Anliegen politisch Unterdrückter und wirtschaftlich Ausgebeuteter an) und viele andere.  Dutzende Millionen Menschen kamen bei alldem ums Leben, die Chinesen und ihr Land zahlten einen verheerenden Preis.

Mit dem Prozess von "Reform und Öffnung", der am Ende des 20. Jahrhunderts begann, ließ China die allgemeine Armut und den vollkommenen Totalitarismus der Zeit Mao Tse-tungs hinter sich, das Lebensniveau der Bevölkerung stieg erheblich, individuelle Wirtschaftsfreiheiten und soziale Rechte kehrten teilweise zurück, eine Bürgergesellschaft begann zu wachsen.  Seither nehmen auch die Rufe nach Menschenrechten und politischer Freiheit zu.  Während die Machthaber die Wirtschaft in Richtung Markt und Privatisierung reformierten, begannen sie auch damit, nach und nach von der Ablehnung der Menschenrechte zu deren sukzessiver Anerkennung überzugehen.

1997 und 1998 unterzeichnete die chinesische Regierung zwei wichtige internationale Abkommen zu den Menschenrechten, und der Nationale Volkskongress (Anm.: das '"Parlament") verabschiedete 2004 eine Änderung der Verfassung und fügte den Passus ein: "Der Staat respektiert und schützt die Menschenrechte" (Artikel 33).  In diesem Jahr versprach der Volkskongress außerdem, einen "Staats-Aktionsplan Menschenrechte" festzulegen.  Freilich sind solche Fortschritte bis heute zu großen Teilen auf das Papier beschränkt, auf dem sie stehen; wir haben Gesetze, aber keine gesetzeskonforme Herrschaft, wir haben eine Verfassung, aber keine entsprechende Regierung.  Ganz offensichtlich ist das immer noch unsere Realität.  Der Macht habende Block hält weiterhin daran fest, seine autoritäre Herrschaft zu verteidigen.

Er verweigert eine politische Wende, was geradewegs zur heute endemischen Beamten- Korruption führt, die die Schaffung einer legitimierten Herrschaft erschwert, die Rechte der Menschen verschüttet, alle Ethik zerstört, die Gesellschaft polarisiert und die Wirtschaft in abnormer Weise entwickelt.  So werden die natürliche Umwelt und der Geist von zwei Seiten her zerstört.  Die Rechte der Bürger auf Freiheit, Eigentum und die Verfolgung ihres Glücks haben keinen systemischen Schutz.  Gesellschaftliche Widersprüche jeder Art türmen sich ununterbrochen auf, die Unzufriedenheit steigt weiterhin, und insbesondere verschärft sich der Antagonismus zwischen Funktionären und Bevölkerung.

Die Anzahl sogenannter Zwischenfälle mit Massencharakter (Anm.: Großdemonstrationen, häufig gewaltsam) steigt so scharf an, dass sich schon ein katastrophaler Trend zum Verlust der Kontrolle zeigt.  Die Rückständigkeit des gegenwärtigen Systems ist an einem Punkt angekommen, wo es ohne Reformen gar nicht mehr geht.

II  Unser grundsätzliches Konzept 

An diesem das künftige Schicksal Chinas entscheidenden historischen Punkt müssen wir den jetzt hundertjährigen Modernisierungsprozess überdenken und die folgenden Grundsätze noch einmal bekräftigen:

Freiheit:

Die Freiheit ist der Kern der universellen Werte.  Rechte wie Redefreiheit, Pressefreiheit, Glaubensfreiheit, Freiheit der Versammlung und Organisation, der Freizügigkeit, des Streiks, der Demonstration und andere sind allesamt konkrete Erscheinungsformen der Freiheit.  Wo die Freiheit nicht blüht, kann von moderner Zivilisation keine Rede sein.

Menschenrechte:

Sie sind kein Geschenk des Staates, sondern Rechte, die jeder Mensch von Geburt an besitzt.  Sie zu schützen ist das oberste Ziel einer Regierung.  und sie sind die legitimierende Basis allen Rechts; sie sind auch der wichtigste Inhalt einer Politik, die "den Menschen zum Ausgangspunkt nimmt" (Anm.: ein Propaganda-Wort der Partei- und Staatsmacht, seit etwa 2002 in Gebrauch).  Die politischen Katastrophen Chinas sind eng verbunden mit der Missachtung der Menschenrechte durch die Macht habenden Behörden.  Der Mensch ist das Wesentliche am Staat, ihm dient er und für ihn ist die Regierung da.

Gleichberechtigung:

Jedes Individuum ist allen anderen gleichgestellt, ohne Ansicht seiner sozialen Position, seines Berufes, Geschlechts, seiner wirtschaftlichen Situation, seiner Rasse, Hautfarbe, seines Glaubens oder seiner politischen Ansichten; dies gilt auch für seine Persönlichkeit, seine Würde und seine Freiheit.  Das Prinzip der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht ist ebenso zu verwirklichen wie die sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Rechte.

Rechte der Bürger:

Die ‚Res publica’ - das meint die Sache des Volkes, dass "alle herrschen und friedlich zusammenleben", das bedeutet Teilung der Gewalten und deren gegenseitige Kontrolle und Balance, dass vielfältige Interessen, unterschiedliche soziale Gruppen und jene, die unterschiedliche Kultur- und Glaubensrichtungen verfolgen, auf gleichberechtigter Basis partizipieren, in fairem Wettbewerb gemeinsam am politischen Leben teilnehmen und in friedlicher Weise die Angelegenheiten der Allgemeinheit regeln.

Demokratie:

Ihr grundlegendster Inhalt sind die Volkssouveränität und die Wahl der Regierung durch das Volk.  Zur Volksherrschaft gehören diese grundlegenden Charakteristika: 1. Die Legitimität politischer Macht kommt aus dem Volk, die Quelle der politischen Macht ist das Volk;  2. Die politische Herrschaft entsteht durch Wahlen des Volkes;  3. Die Bürger genießen echtes Wahlrecht, die wichtigsten Funktionäre der Regierungen aller Ebenen sind durch periodische Wahlen zu bestimmen;  4. Mehrheitsentscheidungen sind zu achten, die grundlegenden Rechte der Minderheit sind zu schützen.  Kurz: Die Demokratie ist der moderne Weg, die Regierung „aus dem Volk, durch das Volk und für das Volk“ sicherzustellen.

Verfassungsgemäßes Regieren:

Es ist das Prinzip, durch rechtliche Bestimmungen und die Herrschaft des Rechts die in der Verfassung festgelegten grundlegenden Bürgerfreiheiten und Bürgerrechte zu schützen und mittels rechtlicher Festlegungen die Macht und das Handeln der Regierung zu begrenzen und diesem Zweck dienende systemische Mittel zur Verfügung zu stellen.

III. Wofür wir grundsätzlich eintreten

Das Zeitalter imperialer Macht ist in China schon lange vorbei, und es wird auch nicht zurückkommen;  die autoritären Systeme in der Welt nähern sich ihrer Abenddämmerung;  jetzt müssen die Bürger zu den tatsächlichen Herren der Staaten werden.  Fort mit der Untertanen-Mentalität, sich auf " ehrenwerte“ Machthaber und "saubere“ Beamte zu verlassen; jetzt ist die Zeit des Bürgerbewusstseins, das Recht als Wesen der Sache und Teilnahme als seine Verantwortung begreift, das Freiheit verwirklicht, Demokratie als ureigenes Anliegen begreift und der Herrschaft des Rechts Respekt entgegenbringt.  Allein hier liegt der Ausweg für China.  Entsprechend und in verantwortungsbewusstem, konstruktivem Bürgergeist treten wir mit Blick auf das politische System Chinas, für die Rechte seiner Bürger und die Entwicklung der Gesellschaft für die folgenden konkreten Positionen ein:

1.Revision der Verfassung:

Sie ist auf der Grundlage der oben dargelegten Wertvorstellungen zu ändern.  Bestimmungen, die dem Prinzip der Volkssouveränität nicht entsprechen, sind zu streichen, so dass die Verfassung tatsächlich zu einer Garantie-Urkunde der Menschenrechte und zu einer Lizenz zur Ausübung öffentlicher Macht wird, zu einem praktizierten höchsten Gesetz, gegen das kein Individuum, keine Organisation und keine Partei handeln darf, damit sie zur Basis legaler Rechte bei der Demokratisierung Chinas wird.

2. Gewaltenteilung und Machtbalance:

Aufbau einer modernen Regierung auf Grundlage der Gewaltenteilung, um Machtbalance, Garantie der Gewaltenteilung in Legislative, Judikative und Exekutive;  Sicherstellung einer rechtlichen Verwaltung und verantwortlichen Regierung, Verhütung einer grenzenlosen Ausdehnung der Verwaltungsmacht; die Regierung ist den Steuerzahlern verantwortlich; zwischen Zentrale und Regionen ist ein System der Gewaltenteilung und Machtbalance zu schaffen; die Rechte der Zentrale sind auf der Grundlage der Verfassung klar zu begrenzen oder zu autorisieren; die Regionen verwalten sich vollständig selbst.

3. Eine demokratische Legislative:

Die gesetzgebenden Körperschaften aller Ebenen entstehen aus direkten Wahlen, die Gesetzgebung hält am Prinzip der Unparteilichkeit und Gerechtigkeit fest, sie erfolgt demokratisch.

4. Unabhängigkeit der Judikative:

Das Rechtswesen steht über den Parteien und ist frei von jeglicher Einmischung, die Judikative ist unabhängig, ihre Unparteilichkeit zu garantieren; ein Verfassungsgericht ist zu schaffen sowie ein System zur Prüfung von Verfassungsverstößen und zum Schutz der Verfassungsautorität.  Die Parteiausschüsse für Politik und Recht (Anm.: im Verborgenen wirkende Parteigliederungen, die nach eigenem Ermessen auch der Justiz Anweisungen geben) stehen über dem "geltenden Recht" und sind alsbald und auf allen Ebenen abzuschaffen, weil sie in schwerwiegender Weise die Herrschaft des Rechts schädigen; das Verwenden öffentlicher Mittel für private Zwecke ist zu unterlassen.

5. Öffentliches Eigentum gehört der Öffentlichkeit:

Die Streitkräfte sind zu nationalisieren (Anm.: sie unterstehen der Parteiführung), die Soldaten haben der Verfassung und dem Staat loyal zu dienen, Parteiorganisationen haben die Armee zu verlassen, deren professionelles Niveau ist zu erhöhen.  Alle Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, auch die der Polizei, haben politische Neutralität zu wahren.  Die Partei-Bevorzugung bei Einstellungen im öffentlichen Dienst ist abzuschaffen, Einstellungen erfolgen ohne Blick auf die Partei-Zugehörigkeit.

6. Sicherung der Menschenrechte:

Die Menschenrechte sind wirksam zu garantieren, die Würde der Menschen ist zu schützen.  Ein Ausschuss für Menschenrechte ist zu schaffen, der der höchsten Volksvertretung verantwortlich ist und verhindert, dass die Regierung ihre Befugnisse dazu missbraucht, gegen Menschenrechte zu verstoßen; Insbesondere muss er die persönliche Freiheit der Bürger sicherstellen, niemand darf ungesetzlich verhaftet, eingesperrt, vorgeladen, verhört oder bestraft werden, das System der Erziehung durch Arbeitslager ist abzuschaffen.

7. Wahl der Beamten:

Vollständige Einführung eines demokratischen Wahlsystems, in dem ein gleichberechtigtes Wahlrecht gilt - jeder Wähler eine Stimme.  Die Direktwahl der Verwaltungsleiter ist Schritt für Schritt auf allen Ebenen systematisch einzuführen.  Periodische und freie Wahlkämpfe und die Wahlteilnahme der Bürger sind ein unwiderrufliches Grund- Menschenrecht der Bürger

8. Städter und Landbewohner sind gleich:

Abschaffung des heute geltenden Systems der zwei Arten von Ausweisen (Anm.: für Land- und Stadtbewohner; das System entrechtet zum Beispiel die Bauernarbeiter als „Wanderarbeiter" in den Städten, für die sie kein Aufenthaltsrecht besitzen), Verwirklichung des verfassungsmäßigen Rechts der ausnahmslosen Gleichberechtigung der Bürger, Garantie der Freizügigkeit.

9. Organisationsfreiheit:

Garantie des Rechts auf Organisationsfreiheit der Bürger, Umwandlung des jetzigen Genehmigungssystems bei der Bildung von Organisationen zugunsten eines Systems der bloßen Anmeldung und Registrierung.  Aufhebung des Parteienverbots.  Verfassung und Gesetze normieren das Handeln politischer Parteien, Abschaffung der Sonderrechte, die einer einzigen Partei das politische Monopol gewähren, Schaffung einer freien Betätigung politischer Parteien und eines fairen Parteienwettbewerbs, Verrechtlichung und Normalisierung der Parteienpolitik.

10. Versammlungsfreiheit:

Die Verfassung sieht vor, dass friedliche Versammlung, Demonstration und Redefreiheit Grundrechte der Bürger sind.  Der regierenden Partei und der Regierung darf nicht gestattet werden, diese Rechte durch illegale Einmischung oder Behinderung zu verletzen.

11. Freiheit der Rede:

Verwirklichung der Redefreiheit, der Publikationsfreiheit und der akademischen Freiheit, Schutz des Rechts der Bürger zu wissen (Anm.: was die Verwaltungen tun, Öffentlichkeit der Verwaltung) und ihres Rechts der Überwachung (der Herrschenden).  Ausarbeitung eines Presserechts und eines Verlagsrechts", Abschaffung der Zeitungsverbote, Beseitigung von Bestimmungen wie „Anstachelung zum Umsturz der Staatsmacht" im jetzigen "Strafrecht"; es muss ein Ende haben, dass Wörter Verbrechen sein können.

12. Religionsfreiheit:

Garantie der Religions- und Glaubensfreiheit, Verwirklichung der Trennung von Politik und Religion, keine Einmischung der Regierung in religiöse Aktivitäten.  Überprüfung und Abschaffung aller administrativen Gesetze, Verordnungen und Vorschriften der zentralen wie der lokalen Ebene, die den Bürgern die Religionsfreiheit nehmen oder diese begrenzen.  Verbot der Praxis, religiöse Aktivitäten mit Hilfe administrativen Rechts zu überwachen.  Abschaffung des Systems, wonach religiöse Gruppen (Anm.: Orte religiöser Handlungen eingeschlossen) gezwungen werden, Anträge zu stellen und sich ihre Legalität so vorab genehmigen zu lassen.  Dies ist durch ein System der bloßen Registrierung zu ersetzen, das mit keinerlei Überprüfung verbunden ist.

13. Ein Bildungssystem für Bürger:

Beseitigung der durch und durch ideologischen politischen Erziehung und der Polit-Prüfungen, die der Ein-Partei-Herrschaft dienen, Verbreitung einer Bürgererziehung, die die universellen Werte und die Bürgerrechte zum Kerninhalt hat, Schaffung von Bürgerbewusstsein, Förderung der bürgerlichen Tugend des Dienstes an der Gesellschaft.

14. Schutz des Eigentums:

Errichtung des Rechts auf Privateigentum und Schutz dieses Rechts, Einrichtung eines Systems der freien und offenen Marktwirtschaft, Beseitigung der Regierungsmonopole in Handel und Industrie; Schutz der Freiheit von Pionier-Unternehmen (neuer, junger Firmen); ein Ausschuss für staatliches Eigentum ist zu etablieren, der die Übertragung von staatlichen Unternehmen in Privateigentum ordnungsgemäß, fairen, wettbewerbsfähigen Weise überwacht.  Einführung einer neuen Bodenreform (Anm.: Nach der Bodenreform 1959 erhielten Bauern Land als Eigentum, wenige Jahre später kam die „Kollektivierung“, heute ist alles Land staatlich, Bauern sind nur Pächter), die Privateigentum von Land fördert, Förderung der Privatisierung des Grund und Bodens, Garantie von Eigentumsrechten für die Bürger, insbesondere der Bauern, an Grund und Boden.

15. Finanz- und Steuerreform.

Schaffung einer demokratischen Finanzverwaltung, Schutz der Rechte der Steuerzahler.  Es ist ein Rahmen für die öffentlichen Finanzen und den Umgang mit ihnen zu schaffen, der Rechte und Pflichten klar regelt, sowie - mit Blick auf die Lokalregierungen aller Ebenen - ein rationales und effizientes System, das ihnen Rechte verschafft.  Das Steuersystem ist umfassend zu reformieren mit dem Ziel, die Steuerrate zu senken, das System zu vereinfachen und die Steuerlast gerecht zu machen.  Es darf nicht geschehen, dass Verwaltungsabteilungen, ohne öffentlichen Entscheidungsprozess oder Beschluss der Vertretungsorgane, nach eigenem Gutdünken Steuern erhöhen oder neue Steuern erheben.  Mit Hilfe einer Reform des Eigentumssystems müssen vielfältige Marktteilnehmer eine Chance erhalten, am Wettbewerb teilzunehmen; die Schwelle finanzieller Voraussetzungen dafür ist zu senken.  Es sind Bedingungen für die Entwicklung eines nichtstaatlichen Finanzsystems zu schaffen, um das Finanzsystem zu beleben.

16. Soziale Sicherung:

Ein soziales Sicherungssystem ist aufzubauen, das alle Chinesen einschließt, die Bevölkerung muss eine Grundsicherung für Ausbildung, Krankheit, Alter und Arbeit erhalten.

17. Schutz der Umwelt:

Das Ökosystem ist zu schützen, alle Entwicklung muss nachhaltig sein und sich vor den folgenden Generationen sowie der Menschheit insgesamt verantworten können.  Beamte der Zentral- wie auch der Lokalebenen sind dafür verantwortlich zu machen.  Nichtregierungsorganisationen müssen auf dem Gebiet des Umweltschutzes ihre Rolle als Beteiligte und Kontrolleure entfalten können.

18. Bundesrepublik:

Wir wollen ein großes Land schaffen, das verantwortlich ist und an der Wahrung einer friedlichen Entwicklung der Region in gleichberechtigter und fairer Weise teilnimmt.  Das freie System Hongkongs und Macaos ist zu verteidigen.  Unter der Vorbedingung einer freien Demokratie (in China) ist in gleichberechtigten Verhandlungen und interaktiver Kooperation eine friedliche Lösung in der Taiwanstraße (im Verhältnis zu Taiwan) zu suchen.  Es muss mit großer Weisheit und Intelligenz ein Weg und ein praktikables System gefunden werden, die den Nationalitäten (in China) ein gemeinsames Aufblühen ermöglichen.  Im Rahmen einer demokratischen und verfassten (Gesellschaft) sollte eine Bundesrepublik China gegründet werden.

19. Rehabilitation der Ungerechtigkeiten:

Personen und ihre Familienangehörigen, die in den politischen Bewegungen der Vergangenheit politische Verfolgung erlitten haben, müssen ihre Ehre zurückerhalten und vom Staat entschädigt werden; alle politischen und Gewissensgefangenen sind ebenso freizulassen wie alle, die wegen ihres Glaubens bestraft worden sind; es ist ein Komitee zur Untersuchung der Fakten zu gründen, das die tatsächlichen Umstände historischer Ereignisse untersucht, die Verantwortung klärt und Gerechtigkeit etabliert; auf dieser Grundlage ist eine Aussöhnung in der Gesellschaft zu finden.

IV Schluss

Als eines der großen Länder der Erde, als eines der fünf Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinen Nationen, als Mitglied des Ausschusses für Menschenrechte muss China eigene Beiträge für die friedliche Sache der Menschheit und Fortschritte bei den Menschenrechten leisten.  Es ist bedauerlich, dass China das einzige Land unter den heutigen Großmächten ist, das sich noch im Zustand eines autoritären politischen Systems befindet.  Unser politisches System, das fortwährend Menschenrechtskatastrophen und soziale Krisen produziert und dabei nicht nur die Entwicklung der Nation aus eigener Kraft fesselt und den zivilisatorischen Fortschritt der Menschheit einschränkt, muss geändert werden!  Die Überführung der politischen Herrschaft in eine Demokratie erlaubt keinen weiteren Aufschub mehr.

Neu formatiert und überarbeitet von W. H. Ludwig, IGFM München - Samstag, 3. Januar 2009.