04.06.2008
Türkei: Kommt katholisches Pilgerzentrum in Tarsus zustande?
Türkisches Kultusministerium zeigt "gewisse Bereitschaft, in Verhandlungen einzusteigen"
Türkei: Kommt katholisches Pilgerzentrum in Tarsus zustande?
Türkisches Kultusministerium zeigt "gewisse Bereitschaft, in Verhandlungen einzusteigen"
Ankara/Türkei, 15.05.2008 (KAP) In naher Zukunft könnte sich der Wunsch der türkischen römisch-katholischen Bischöfe nach einer neuen katholischen Kirche und einem Pilgerzentrum in Tarsus, der Geburtsstadt des Apostels Paulus, erfüllen. Der Vorsitzende der türkischen Bischofskonferenz, Bischof Luigi Padovese, zeigte sich im Gespräch mit österreichischen Journalisten im Rahmen einer "Kathpress"-Informationsreise vorsichtig optimistisch, dass es in absehbarer Zeit zu konkreten Verhandlungen über ein Grundstück kommen könnte. Padovese wörtlich: "Vor einigen Tagen habe ich einen Brief vom Kultusministerium erhalten, aus dem eine gewisse Bereitschaft hervorgeht, über die Frage eines eigenen Grundstück zu verhandeln". Derzeit warte er allerdings noch auf eine konkrete Einladung nach Ankara.
Die türkischen Bischöfe waren wiederholt an Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit der Bitte um die Erlaubnis zum Bau eines Pilgerzentrums in Tarsus oder zumindest zur ständigen Nutzung der derzeit offiziell als Museum geltenden Pauluskirche in Tarsus herangetreten. Bisher ist einzig die Erlaubnis des Kultusministeriums erteilt worden, für die Dauer des Paulusjahres die museale Pauluskirche ohne vorherige Lösung eines Eintrittsbillets zu einzelnen Messfeiern zu benutzen.
Kardinal Meisner unterstützt Projekt
Unterstützt wird das Vorhaben eines Kirchenbaus in Tarsus insbesondere durch den Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner. Der Kardinal hatte den türkischen Ministerpräsidenten Mitte Februar in einem Brief um Unterstützung bei diesem Vorhaben gebeten. In seinem Brief verwies Meisner explizit auf das bevorstehende Paulus-Festjahr und auf die zahlreich zu erwartenden Pilger, die nach Tarsus kommen werden. Er selbst wolle im Herbst mit einer Delegation der Deutschen Bischofskonferenz nach Tarsus reisen, so Meisner in dem Schreiben.
Bei seinem Deutschlandbesuch Anfang Februar hatte Erdogan bereits seine prinzipielle Bereitschaft zur Unterstützung des Projekts erklärt: "Sobald die Kirche mit diesem Wunsch auf mich zukommt, werde ich mich dafür aussprechen – auch gegen meine Opposition".
Die offiziell als Museum geltende Pauluskirche (Tarsuslu Pavlos Kilisesi) stammt aus dem 12. Jahrhundert; ein Antrag, die Kirche auf die UNESCO-Liste des Welterbes zu setzen, liegt vor. Die Kirche war Jahrzehnte hindurch als Militärmagazin missbraucht worden. Erst vor zehn Jahren erfolgte die Restaurierung. Als die Diskussion um eine "Rückgabe" des Gotteshauses an die Kirche begann, erklärte der Berater des Bürgermeisters für Religionsfragen, Mehmet A. Gürbüz, eine solche Maßnahme sei nicht notwendig, weil die Kirche ohnehin "jederzeit für Gottesdienst und Gebet frei zugänglich" sei, auch wenn es momentan in Tarsus keinen "residierenden katholischen Pfarrer" gebe.
Große Geschichte
Tarsus war bis 1922 eine der wichtigsten christlich geprägten Städte in Kilikien. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs 1914 waren von den damals 20.000 Einwohnern je 10.000 Christen bzw. Muslime. Unter den Christen waren sowohl Gläubige der orthodoxen als auch der armenisch-apostolischen Kirche. In der Stadt befindet sich nach wie vor eine der bedeutendsten amerikanischen protestantischen Erziehungseinrichtungen in der Südosttürkei, das 1888 begründete "Tarsus American College".
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war Tarsus - wie ganz Kilikien - bis Anfang 1922 von französischen Truppen besetzt. Als die französischen Truppen - einschließlich der "Legion d'Orient" - nach Syrien abzogen, flüchtete auch die christliche Bevölkerung. Im Verlauf der zwanziger Jahre wurden von den neuen kemalistischen Behörden auch in Tarsus alle armenischen Kirchen (einschließlich der Kathedrale) und kirchlichen Einrichtungen beschlagnahmt und zweckentfremdet.
Von den alten Kirchen von Tarsus steht heute außer der Pauluskirche offenbar nur mehr die Eski Cami, ein aus dem 9. Jahrhundert stammendes Gotteshaus. Die Kirche war im 15. Jahrhundert unter der Herrschaft der Ramazanoglus (die damals in Kilikien ein selbständiges Beylik beherrschten; die Familie ist heute noch in Kilikien wirtschaftlich sehr einflussreich) zur Moschee umgewandelt worden.
Tarsus spielte in der Kirchengeschichte eine wichtige Rolle, unter anderem als Tagungsort verschiedener Synoden. Der vielleicht bedeutendste armenisch-apostolische Erzbischof von Tarsus war Nerses von Lambron (1153-1198). Er führte Unionsverhandlungen seiner Kirche sowohl mit dem Ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel als auch mit dem Papst in Rom. Er war wesentlich daran beteiligt, dass Leon I. am 6. Januar 1198 in der Kathedrale von Tarsus auf Geheiß von Papst Cölestin III. und des römischen Kaisers Heinrich VI. zum König gekrönt werden konnte.
Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, Wien/Österreich