11.12.2009
Deutschland: Herausragender deutscher Philosoph kritisiert Geschehen an der Universität Köln
Robert Spaemann: Vorgang gegen Edith Düsing ist "nicht nur absurd, sondern gefährlich." von Kurt J. Heinz
Deutschland: Herausragender deutscher Philosoph kritisiert Geschehen an der Universität Köln
Robert Spaemann: Vorgang gegen Edith Düsing ist "nicht nur absurd, sondern gefährlich."
von Kurt J. Heinz
(MEDRUM) -11.12.09 - Der Philosoph Robert Spaemann nimmt in seinem heutigen Interview mit der Welt zur Bedeutung von Minaretten auch zu den Angriffen gegen die Philosophin Edith Düsing an der Kölner Universität Stellung. Den Vorgang hält er nicht nur für "absurd", sondern bezeichnet ihn sogar als "gefährlich".
"Meinungsfreiheit jetzt schon auf katastrophale Weise eingeschränkt"
Paul Badde, Korrespondent der "Welt" in Rom, spricht im Interview mit Spaemann an, daß das „Autonome Lesben- und Schwulenreferat Köln" gerade versucht habe, die Ringvorlesung von Edith Düsing über Schiller zu sprengen, weil sie im Frühjahr in Marburg eine Erklärung gegen den Druck unterzeichnet hatte, mit dem Homosexuellenverbände den Kongress „Psychotherapie und Seelsorge" verhindern wollten.
ImageDarauf entgegnet Spaemann (Bild links): "Das ist ungeheuerlich und wird leider immer schlimmer. Generell ist die Meinungsfreiheit jetzt schon auf katastrophale Weise eingeschränkt im Vergleich zu den 50er Jahren. Wir lebten damals in einem viel freieren Land. Heute liegen Tretminen überall. Das ist neu. Das Tolle ist aber jetzt, dass Frau Düsing nicht über Homosexualität sprechen wollte, sondern über Schiller und Nietzsche. Als Person darf sie jetzt also nicht mehr auftreten, weil sie einmal - wie zum Beispiel auch der bekannte sozialdemokratische Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde - Freiheit der Rede auch für Leute verlangte, die Homosexualität für einen Defekt halten."
"Homosexuellenhass geradezu lächerlich, wenn ich an meine homosexuellen Freunde denke"
Badde schließt die Frage an, ob er darüber verwundert sei. Spaemann erwidert in Sorge: "Es empört mich. Hat Frau Düsing denn gegen Schwule geredet? Nein, sie hat ein Manifest unterschrieben, das verlangt, dass die Leute frei reden dürfen. Der Vorgang ist nicht nur absurd, sondern gefährlich. Unter meinen guten Freunden sind mehrere Homosexuelle. Mit denen bin ich darin einig, dass die Abwesenheit der Anziehungskraft des anderen Geschlechts ein anthropologisches Manko ist." Spaemann erläutert, er sehe das Manko darin, daß auf dieser Anziehungskraft die "Fortexistenz der menschlichen Gattung" beruhe. Darum könne man nicht sagen, die Abwesenheit dieser Anziehungskraft sei so normal wie die Existenz dieser Anziehungskraft. Spaemann weiter: "Auf dem einen beruht die Fortexistenz der Gattung und auf dem anderen eben nicht. Da fehlt etwas. Das muss jemand doch sogar, wenn es falsch wäre, sagen dürfen, ohne dass ihm Homosexuellenhass angehängt wird. Das ist geradezu lächerlich, wenn ich an meine homosexuellen Freunde denke."
Redeverbote für freiheitliche Ordnung unerträglich
Die Sorge von Spaemann um die freiheitliche Ordnung wurde bereits anläßlich des Marburger Kongresses im Mai von zahlreichen Bürgern und renommierten, verdienten Persönlichkeiten, darunter auch der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichtsm Prof. Dr. Dr. Ernst-Wolfgang Böckenförde, geteilt. Böckenförde hat den Versuch, "in einer freiheitlichen Ordnung", einige "Personen mit einem Redeverbot belegen zu wollen", als "unerträglich" bezeichnet.
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Prof. (em.) Dr. Dr. h.c. habil. Robert Spaemann lehrte als Philosophieprofessor in Stuttgart, Heidelberg und 20 Jahre an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die ZEIT bezeichnete ihn als "einzigen bedeutenden konservativen Philosophen der Bundesrepublik". Er gehört zu den besonderen Persönlichkeiten, die auf der Liste der Laudatoren für die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels erscheinen. Spaemann selbst wurde 2001 für sein herausragendes wissenschaftliches Werk mit dem Karl Jaspers-Preis ausgezeichnet.