09.01.2009

Türkei: Anzeigen gegen Leute, die sich bei Armeniern entschuldigen

Istanbul, 9.1.09 (KAP) Die türkische Justiz ermittelt gegen die Organisatoren der Internet-Initiative zur Entschuldigung bei den Nachfahren der armenischen Opfer der von der osmanischen Regierung veranlassten Ausrottungskampagne im Ersten Weltkrieg. Die Regierung wurde damals vom jungtürkischen "Komitee für Einheit und Fortschritt" (Ittihad ve Terakki) gestellt, das bei der Planung und Durchführung der "Maßnahmen" gegen die Armenier und sonstigen kleinasiatischen Christen eng mit den deutschen und österreichischen "Verbündeten" kooperierte. Die Oberstaatsanwaltschaft in der Hauptstadt Ankara beruft sich auf den faschistoiden Strafrechtsparagrafen 301 ("Beleidigung des Türkentums"), der international und besonders von der EU heftig kritisiert wird.

Akademiker, Künstler und Intellektuelle hatten die Internet-Initiative kurz vor Jahresende gestartet. Auf ihrer Website entschuldigen sie sich in einer kurzen Erklärung dafür, dass die "Große Katastrophe" der Armenier in der Türkei geleugnet worden sei. Bis zum Freitag hatten 26.770 Teilnehmer der Initiative ihrer Unterstützung versichert.

Der von der offiziellen Türkei in diesem Zusammenhang energisch abgelehnte Begriff "Völkermord" taucht in dem Text der Initiative nicht auf. Führende türkische Politiker hatten die Organisatoren dennoch scharf kritisiert. Bei den generalstabsmäßig aus Konstantinopel durchgeplanten Deportationen im Ersten Weltkrieg kamen Schätzungen zufolge mindestens 1,5 Millionen Armenier ums Leben. 

Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch eine Strafanzeige von sechs Bürgern. Sie werfen Organisatoren und Unterzeichnern der Aktion vor, die offizielle türkische Haltung in der Armenierfrage als "Leugnung" zu verunglimpfen und die türkische Nation doch des Völkermordes zu bezichtigen; das rechtfertige eine Anklage nach dem Strafrechtsparagrafen 301.

Den Paragrafen benutzten in den vergangenen Jahren immer wieder Nationalisten, um Intellektuelle und Journalisten wegen Äußerungen zur Armenierfrage vor Gericht zu stellen. Inzwischen wurde das Gesetz leicht entschärft. Sollte die Staatsanwaltschaft Anklage erheben wollen, müsste das Justizministerium zustimmen.

Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, Wien/Österreich.

Recherche/Zusammenstellung durch APD Schweiz.