29.01.2009

Deutschland: Sind Evangelikale eine Bedrohung für die Demokratie?

B e r l i n (idea) -29.01.09– Schwere Vorwürfe gegen die evangelikale Bewegung haben Filmschaffende auf einer Podiumsdiskussion erhoben. Anlass war die Vorstellung des Dokumentarfilms „Jesus liebt Dich – Evangelikale auf WM-Mission“ in Berlin.

Der Film zeigt die missionarischen Aktivitäten der charismatischen Organisation „Jugend mit einer Mission“ während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Bei der Diskussion am 26. Januar bezeichnete die Regisseurin des Films, Lilian Franck, die Evangelikalen als eine Bedrohung für die Demokratie. Sie seien zahlreich und kämen in immer wichtigere Positionen. Diese Bewegung wachse täglich um 52.000 Personen. Robert Cibis, ein weiterer Regisseur des Films, formulierte die Grundeinstellung der Evangelikalen so: „Wer nicht missioniert, kommt in die Hölle.“ Jeder Evangelikale sei dazu aufgerufen, eine Kirche zu gründen. Cibis bedauerte es, dass sich intelligente Menschen gedanklich so einengten. Allerdings übten die Evangelikalen zumindest in Deutschland keine Gewalt aus.

Pastor: Bedrohung für den Atheismus

Der Pastor der charismatisch geprägten „Kirche am Südstern“ in Berlin, Werner Nachtigal, der an den Missionsaktionen während der Fußball-WM mitgewirkt hatte, wies die Vorwürfe zurück. Die Evangelikalen seien keine Gefahr für die Demokratie, sondern für den Atheismus. Er missioniere nicht aus Zwang, sondern aus Begeisterung darüber, dass Jesus sein Leben verändert habe und weil Gott die Menschen liebe. Die Bibel sei eine Gebrauchsanweisung für gelingendes Leben. Allerdings sei für Mission nicht immer der richtige Augenblick. Nachtigal: „Eine halbe Stunde vor Deutschland gegen Italien denkt man nicht über den Sinn des Lebens nach – wenn das Spiel verloren ist schon eher.“

Klares Gottesbild, klare Anweisungen

Der Moderator der Diskussion, Philipp Gessler, Redakteur der linksalternativen „tageszeitung“ (taz), bezeichnete es als Vorteil der Evangelikalen, dass sie ein klares Gottesbild hätten und klare Anweisungen gäben, was zu tun sei. Zu ihrem Erfolgsgeheimnis gehörten auch die emotionale Ansprache und die erlebnisorientierten Gottesdienste. Die Kulturbeauftragte der EKD, Petra Bahr, sagte im Blick auf den Film, der aggressive Ton und militaristische Beschreibungen wie „Armee Gottes“ irritiere sie bei den Vertretern von „Jugend mit einer Mission“. Es sei entlarvend, dass ihre Mission keine Botschaft habe. Dennoch hätten Evangelikale Platz, ihre Frömmigkeit in der Volkskirche zu leben.

Filmemacher: Glaube der Kirchen ist leer

Der homosexuelle Filmemacher Rosa von Praunheim nannte die Kirche patriarchalisch und eine Gefahr für die freie sexuelle Entfaltung. Die Bibel sei voll von Frauen- und Sexfeindlichkeit. Er könne sich nicht erklären, warum Menschen sich lustfeindliche Religionen wählten. Die katholische Kirche betreibe eine Gehirnwäsche, die man nicht mehr loswerde. Zudem verlangten die Christen von anderen, was sie selbst nicht hielten. So sei der Vatikan voll von Schwuchteln, und bei Evangelikalen in den USA gebe es zahlreiche Sex- und Geldskandale. Wenn Gott wirklich ein Gott der Liebe wäre, gäbe es mehr Frieden auf der Erde. Dennoch brauche der Mensch Religion, weil er sich bewusst sei, dass er sterben müsse und sich damit nicht abfinden könne. Der Glaube der beiden großen Kirchen aber sei leer und verharmlose den Glauben. Dagegen habe Martin Luther noch an die Existenz der Hölle geglaubt.