02.12.2010

Islam: „Eine deutsche Religion?“

Umstrittener Intellektueller: Tariq Ramadan

Islam: „Eine deutsche Religion?“

Umstrittener Intellektueller: Tariq Ramadan

 

Der muslimische Intellektuelle Tariq Ramadan findet, der Islam sei eine deutsche Religion. In der aktuellen Ausgabe der "Zeit" fordert er Muslime dazu auf, sich besser in Deutschland zu integrieren. "Was immer dein Land bewegt, ist als deutscher Muslim deine Sache", appelliert er.

"Solange das Fremde nicht dazugehört, kann man leichter damit leben", findet Ramadan. So erklärt er sich die derzeitige Debatte um Integration in Deutschland. Der Islam sei sichtbar geworden – und er strebe an, dazuzugehören. "Wenn es Millionen von Muslimen in Deutschland gibt, ist der Islam natürlich auch eine deutsche Religion", sagt Ramadan, und weiter: "Der Islam ist eine europäische Religion, er ist ein Teil von Europas Geschichte und Gegenwart."

Umstrittener Intellektueller

Tariq Ramadan gilt als einer der führenden islamischen Intellektuellen in Europa. Er ruft dazu auf, die Rechte der Frau im Islam zu fördern und spricht sich gegen Gewalt im Namen der Religion aus. Doch der Moslem ist nicht unumstritten. Sein Großvater Hassan al-Banna gründete die Muslimbrüder in Ägypten, aus denen die radikalislamische Hamas hervorging. Die USA verweigerten Ramadan 2004 zeitweise die Einreise, weil er die Hamas mit einer Spende unterstützt haben soll. Er lehrt zeitgenössischen Islam am St. Anthony's College in Oxford.

Im Interview mit der "Zeit" ruft er die Muslime nun auf: "Ein Bürger zu sein, bedeutet nicht nur, die Gesetze zu achten und die Sprache zu sprechen. Ich muss loyal zu meinem Land stehen, weil ich das Beste für es will. Nur so wird die Wahrnehmung eines unlösbaren Konflikts zwischen Muslimsein und Europäertum verschwinden." Glaube könne nicht fernab einer Entwicklung existieren. So sagt Ramadan: "Die Muslime müssen aufhören, die westlichen Gesellschaften für alle Übel verantwortlich zu machen. Kompromittieren wir unsere Religion, wenn wir uns verwestlichen?"

Einmischung statt Integration

Der Begriff Integration greife zu kurz. Er klinge zu sehr nach Anpassung. "Ich spreche lieber von Einmischung und Beitrag", erklärt Ramadan. "Ein deutscher Muslim soll sich nicht nur für den Islam zuständig fühlen. Was immer dein Land bewegt, ist als deutscher Muslim deine Sache: Bildungsfragen, Arbeitsmarktpolitik, Literatur." Seine Lösung für die Integations-Problematik: das "Özil-Syndrom". "Wenn einer in einer Mannschaft spielt und einen Beitrag zum Erfolg leistet, fragt keiner, woher er kommt", sagt Ramadan. (pro)

VON: aw | 02.12.2010