04.12.2010

Irak: Tötung von Christen in Nordirak

Bei Überfällen auf Häuser christlicher Einwohner sind am Montag in der nordirakischen Stadt Mossul mindestens zwei Männer getötet worden. Die Internetplatform ankawa.com beruft sich auf Augenzeugen und berichtet von einer Tötung eines christlichen Mannes durch bewaffnete Unbekannte im Stadtteil Alzahraa. Bei einem weiteren Überfall hätten Bewaffnete in Polizeiuniform einen Christen in seinem Haus im gleichen Stadtteil erschossen. Kurz darauf sei in einem anderen Viertel der Stadt ein Sprengsatz vor einem Haus einer christlichen Familie explodiert, meldet die Agentur Sumeria News. Dabei seien zwei Passanten schwer verletzt worden. Wiederholt kommt es im Irak zu tödlichen Angriffen auf die christliche Minderheit. Bei einem Blutbad in einer katholischen Kirche in Bagdad am 31. Oktober kamen mindestens 37 Menschen ums Leben. Wenige Tage später gab es in der irakischen Hauptstadt weitere Angriffen auf Christen mit Toten und Verletzten. Viele fühlen sich im Land nicht mehr sicher und fliehen. Heute gibt es im ganzen Land rund eine halbe Million Christen. Vor 2003, dem Jahr der Invasion der alliierten Truppen im Irak, gab es noch doppelt so viele. Die irakische Regierung hat nach dem Massaker in der Kirche in Bagdad angekündigt, die christliche Minderheit im Land besser zu schützen.

Irakischer Erzbischof berichtet über Christentum in seiner Heimat: Weltweit gibt es Solidaritätsbekundungen für die Christen im Irak. Die italienische Bischofskonferenz hat beschlossen, dass in allen Gemeinden des Landes am kommenden Sonntag besonders für die die christliche Minderheit im Irak gebetet werden solle, “die die schreckliche Prüfung ihres blutigen Glaubenszeugnisses” erleide. Wir bitten alle Freunde und Wohltäter um das solidarische und begleitende Gebet für die verfolgten und unterdrückten Glaubensgeschwister im Irak. Bei unserem 4. Internationalen Kongress “Treffpunkt Weltkirche” veranstalten wir ein Podiumsgespräch zum Thema “Christen in islamischen Ländern”, als Gast haben wir unter anderem den Erzbischof von Kirkuk, Louis Sako, eingeladen. Er wird auch beim kommenden Pater-Werenfried-Jahresgedenken in Köln am 5. Februar 2011 über die schwierige Lage der Christen im Irak sprechen.

Ich habe nur eine Botschaft: Betet für uns!”

Bei einer Reihe von Bombenanschlägen auf Christen in Bagdad hat es am vergangenen Mittwochmorgen zahlreiche Opfer gegeben. Wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet, seien mindestens drei Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Das habe man aus irakischen Sicherheitskreisen erfahren. In der irakischen Hauptstadt seien mindestens 14 Sprengsätze innerhalb von zwei Stunden gezündet und der südwestliche Stadtbezirk Dora sei mit Mörsergranaten unter Beschuss genommen worden, habe das Innenministerium verlauten lassen. Das ist der Stadtbezirk, in dem die meisten Christen leben.

Die Nachrichtenagentur AFP berichtet unter Berufung auf das Innenministerium von Angriffen mit zwei Mörsergranaten und zehn selbstgebauten Sprengsätzen auf Wohnhäuser von Christen. Bereits am Dienstagabend seien auf drei Häuser in Bagdad, die sich in Besitz von Christen befinden, Bombenanschläge verübt worden. Dabei sei jedoch niemand verletzt worden. Die Organisation “Islamischer Staat”, die mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida in Beziehung steht, hat Medienberichten zufolge inzwischen die Verantwortung für die Anschläge übernommen. Gegenüber „Kirche in Not“ sagte der irakische chaldäische Erzbischof Bashar Warda: “Al-Kaida kündigte an, dass Kirchen und Christen ein Ziel sein würden. Dies ist der Beweis, dass sie es ernst meinen”.

Der Erzbischof der Stadt Erbil im Nordirak berichtet, dass er von Familienmitgliedern und Freunden der Betroffenen angerufen wurde. “Die Menschen leiden sehr unter Angst. Sie wissen vor Not und Elend nicht mehr weiter”. Er appelliert an die Christen der Welt: “Ich habe nur eine Botschaft: Bitte betet für uns! Dies ist eine sehr schwere Zeit, ein furchtbares Durcheinander. Wir haben es hier nicht nur mit Mängeln öffentlicher Sicherheit zu tun, sondern mit vorsätzlichen Angriffen auf Christen”.

Bashar Warda rechnet mit einem weiteren Wegzug der Christen aus Bagdad. Bis 2003 hätten bis zu 40 000 christliche Familien in der Stadt gelebt, inzwischen seien es nur noch knapp fünfzig. Bis zum Blutbad am 31. Oktober hätten die Christen damit begonnen, nach Bagdad zurückzuziehen, besonders in den Distrikt Dora, der wegen der großen Zahl katholischer Kirchen und Häuser als “Vatikan des Irak” bezeichnet worden sei. Der Bischof schloss: “Wir müssen auf die Regierung Druck ausüben, damit ein angemessener Schutz für die Christen angeboten wird”.

Die katholische Agentur Fides berichtet aus einem Gespräch mit dem syrisch-katholischen Erzbischof von Bagdad, Atanase Matti Shaba Matoka. Er habe sich heute geäußert: “In unserer Gemeinde herrscht tiefe Bestürzung. Die Welle der Gewalt wird immer größer. Vor zehn Tagen wurde ein Attentat auf unsere Kathedrale verübt. Heute sind unsere Wohnungen Zielscheibe. Familien trauern und wollen fliehen. Es ist schrecklich”!

Der Erzbischof habe sich beklagt: “Trotz aller Ankündigungen tut die Regierung nichts, um diese Welle der Gewalt zu stoppen, die über uns hinwegrollt. Vor den Kirchen stehen Polizisten, doch nun sind die Häuser unserer Gläubigen zur Zielscheibe geworden”.

Abschließend habe der Erzbischof appelliert: “Wir bitten um ein rasches Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft und erhoffen uns Hilfe vom Heiligen Vater und von der Weltkirche. Heute bleibt uns nichts anderes als zu hoffen und zu beten und unser Leben in die Hände Gottes zu legen. Unter Tränen sagen die irakischen Christen: In manus tuas, Domine”. Neun Tage nach dem Blutbad in der syrisch-katholischen Kathedrale in Bagdad hatten sich Dienstag Nachmittag Christen sowie Vertreter der irakischen Regierung und des öffentlichen Lebens zu einer Beisetzungsfeier für 15 der ermordeten Christen in der Kirche St. Josef im Stadtteil Karrada versammelt.

Morde im Namen politischer Parteien

Der syrisch-katholische Erzbischof der nordirakischen Stadt Mossul, Basile Georges Casmoussa, hat die irakischen Behörden nach den jüngsten Terroranschlägen gegen Christen in seiner Diözese scharf kritisiert.

In einem Interview mit Kirche in Not sagte Casmoussa, die irakische Regierung und die Sicherheitskräfte seien nicht in der Lage, die Christen vor militanten Islamisten zu beschützen, die sie aus dem Land vertreiben wollten. “Einige Politiker sind sogar in die terroristischen Aktionen verwickelt, und einige Morde geschehen im Namen politischer Parteien”, klagte der Erzbischof an. Derartige Absprachen zwischen christenfeindlichen Terroristen und politischen Parteien verhinderten ein wirkungsvolles Eingreifen des Staates, so Casmoussa. Er kritisierte die Behörden, diese seien “zu beschäftigt damit, Sitzungen abzuhalten”, anstatt sich um die Sicherheit von Minderheiten zu kümmern.

Da sich die irakische Armee, Polizei und Regierung trotz aller Sitzungen untereinander nicht absprächen, seien den Terroristen “alle Türen geöffnet”, beklagte Casmoussa. Erst am vergangenen Sonntag waren bei einem Bombenattentat auf einen mit christlichen Studenten besetzten Buskonvoi nahe Mossul vier Menschen getötet und über 160 zum Teil schwer verletzt worden. Erzbischof Casmoussa hatte daraufhin ein Eingreifen der Vereinten Nationen gefordert, um die Christen im Irak zu schützen. Er habe das Gefühl, dass es “keine Staatsgewalt” mehr in Mossul gebe. Casmoussa rief die Zentralregierung in Bagdad dazu auf, “die Schuldigen für die Anschläge zu finden und zu verurteilen”. Der Erzbischof bittet die Freunde und Wohltäter von KIRCHE IN NOT um ihr unaufhörliches Gebet für den Irak. Wörtlich sagte er: “Die Hilfsprojekte von KIRCHE IN NOT sind ausschlaggebend für die Zukunft des Christentums in unserem Land”. Quelle: Kirche in Not und koptisch.wordpress.com