10.12.2010
China: Ärger über Friedensnobelpreis
Chinas Führung lässt Regimekritiker verschleppen
Festnahmen, Kontrollen, Drohungen - vor der Nobelpreis-Zeremonie für den Dissidenten Liu Xiaobo verschärft die chinesische Führung ihren Druck auf Regimekritiker. Ein enger Freund des Preisträgers wurde verschleppt, selbst Exil-Chinesen in Norwegen sind vor Repressionen nicht sicher.
Peking - Mit der Vergabe des Friedensnobelpreises an den Dissidenten Liu Xiaobo gerät die Unterdrückung der Bürgerrechte durch die chinesische Führung in den weltweiten Fokus. Das Regime in Peking reagiert auf die Aufmerksamkeit mit Härte und hat den Druck auf Kritiker in China verstärkt. Selbst Exil-Chinesen in Norwegen wurden nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten bedrängt.
Besonders Unterstützer von Friedensnobelpreis-Gewinner Liu bekommen derzeit den Zorn der chinesischen Führung über die Auszeichnung zu spüren. Prominentes Opfer der Verfolgung wurde wenige Stunden vor Beginn der Nobelpreis-Zeremonie Zhang Zuhua. Er war neben Liu an der Veröffentlichung der Charta 08 für Demokratie und Menschenrechte in China beteiligt. Zhang sei am Donnerstag in Peking auf der Straße von Staatssicherheitsbeamten in einen Kleinbus gezerrt und verschleppt worden, berichtete die Menschenrechtsgruppe CHRD. Ähnlich seien in der Hauptstadt der Akademiker Cui Weiping und der Journalist Gao Yu sowie in Xi'an der Aktivist Yang Hai und der Bürgerrechtsanwalt Zhang Jiankang in die Gewalt der Sicherheitsbehörden genommen worden.
Auch rund um das Wohnhaus von Lius Frau verstärkte die chinesische Polizei ihre Kontrollen. Sie umstellte das Gebäude in Peking. Die Beamten kontrollierten die Ausweise von allen, die die Wohnanlage betreten wollten. Lius Frau Liu Xiao wird ohne Kontakt zur Außenwelt unter Hausarrest gehalten.
Amnesty beklagt repressive Atmosphäre in Oslo
Amnesty International berichtete, chinesische Diplomaten hätten sogar in Norwegen ansässige Chinesen "systematisch unter Druck gesetzt", sich nicht an Protesten gegen die Nobelpreis-Zeremonie in Oslo zu beteiligen. Im Falle einer Weigerung sei den Betroffenen mit "ernsten Konsequenzen" gedroht worden. Pekings Diplomaten würden Demonstrationen gegen den Nobelpreis organisieren, erklärte Amnesty. "Wir sind geschockt, dass chinesische Behörden diese repressive Atmosphäre von Peking nach Oslo bringen", sagte der norwegische Amnesty-Direktor John Peter Egnaes.
Seit das Nobelkomitee im Oktober verkündet hat, dass Liu in diesem Jahr den Friedensnobelpreis erhält, wurden in China Dutzende Aktivisten und Kritiker unter Hausarrest gestellt, in Haft genommen oder eingeschüchtert. Peking hat die Auszeichnung für Liu als "Einmischung in innere Angelegenheiten" verurteilt.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), forderte Chinas Regierung zur Freilassung von Liu und aller anderen politischen Gefangenen auf. Der Nobelpreis für den Bürgerrechtsaktivisten sei eine "verdiente Würdigung seines Mutes und seines unablässigen Eintretens für Freiheit und Menschenrechte", sagte er.
Bei der Feier in Oslo wird der Stuhl des Preisträgers erstmals seit 1936 leer bleiben. Der 54-Jährige Liu, der 2009 wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" zu elf Jahren Haft verurteilt wurde, sitzt in einem Gefängnis in Jinzhou in Nordostchina.
Vor der Zeremonie in Oslo hat die Regierung in Peking ausländische Fernsehsender blockieren lassen. Sowohl der US-Nachrichtensender CNN als auch die britische BBC wurden am Freitag mit Unterbrechungen abgeschaltet, der Zugang zu den Internetseiten beider Sender sowie zum norwegischen Sender NRK ist bereits seit Donnerstag blockiert.
mmq/dpa/dapd aus .spiegel.de