09.01.2010

Ägypten: Christen nach Weihnachtsmesse erschossen

Von Martin Gehlen

Ägypten: Christen nach Weihnachtsmesse erschossen

Von Martin Gehlen

Kairo, FR-online, 09.01.2010 -  Nach einem Mordanschlag auf koptische Christen im Süden Ägyptens nahe der Stadt Luxor ist es am Donnerstag vor der Beerdigung der Opfer zu schweren Unruhen gekommen. Mehrere tausend aufgebrachte Menschen lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei und bewarfen das örtliche Krankenhaus mit Steinen.

Muslimische Fanatiker hatten vor einer Kirche in Oberägypten nach einer Weihnachtsmesse sechs koptische Christen und einen muslimischen Wachmann erschossen. Neun weitere Menschen wurden verletzt, als drei Männer aus einem vorbeifahrenden Auto heraus das Feuer auf die Gläubigen eröffneten.

Es war der folgenschwerste Angriff auf koptische Christen in Ägypten seit zehn Jahren. Nach der Attacke kam es in der Ortschaft Nag Hammadi zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen wütenden Christen und der Polizei.

Bischof Kirollos von der oberägyptischen Diözese Nag Hammadi (Provinz Kena) sagte, er selbst sei vermutlich das eigentliche Ziel der Mörder gewesen. Der Kirchenmann erklärte, er sei am Mittwochabend gegen 23 Uhr nach der Messe zum orthodoxen Weihnachtsfest mit seinem Auto von der St. Johannes Kirche weggefahren. Er merkte, dass ihn ein Wagen verfolgte und kehrte um.

Als er vor dem Hintereingang des Gotteshauses eintraf, schossen seine Verfolger auf eine Gruppe von Oberschülern, die vor dem Gebäude miteinander plauderten. Der Bischof erklärte, er habe die Mitternachtsmesse aus Sicherheitsgründen früher als sonst abgehalten. Die koptisch-orthodoxe Kirche, die zu den ältesten christlichen Glaubensgemeinschaften zählt, begeht das Weihnachtsfest am 7. Januar.

Das Innenministerium vermutet, dass der Anschlag ein Racheakt für die Vergewaltigung eines zwölfjährigen muslimischen Mädchens durch einen christlichen Jugendlichen war. Zeugen hätten den Schützen erkannt, der vorher schon gesucht wurde. Der koptische Bischof Kirolos berichtete, er und mehrere Gläubige hätten zuvor Drohungen mit der Ankündigung erhalten, die Muslime würden die Vergewaltigung des Mädchens rächen. Schon im November hatte ein wütender Mob im Nachbarort christliche Geschäfte angezündet und die Polizeistation angegriffen, in der der Verdächtige in Haft saß.

In der Provinz Kena war es im November bereits zu gewaltsamen Übergriffen auf Christen gekommen, nachdem ein junger Kopte festgenommen worden war, der ein muslimisches Mädchen vergewaltigt haben soll. Ob der Verdächtige die Tat begangen hat, ist bislang noch unklar. Die Ermittlungen dauern an. Aus Sicherheitskreisen in Kena hieß es unterdessen, der Hauptschuldige für die Attacke vom Mittwochabend sei namentlich bekannt. Die Polizei fahnde nun mit Hochdruck nach ihm und seinen zwei Mittätern. "In Nag Hammadi sind inzwischen so viele Einsatzkräfte unterwegs, das der Ort wie eine Militärkaserne aussieht", sagte ein Beobachter.

Angehörige der Sicherheitskräfte berichteten, die Demonstranten, die sich mehrere Stunden nach den Schüssen in Nag Hammadi versammelten, hätten zwei Krankenwagen und ein Auto zerstört. Die Polizei habe sie mit Tränengas auseinandergetrieben. Schon nach den Ausschreitungen im November, bei denen in der Ortschaft Al-Farschat Geschäfte und Häuser von Kopten zerstört worden waren, hatten Christen der Polizei vorgeworfen, sie nehme den Schutz der Kopten nicht ernst genug.

Im Januar 2000 hatten Muslime in der oberägyptischen Ortschaft Al-Koscheh nach einem Streit 21 koptische Christen getötet. Vor allem in Oberägypten, wo islamistische Terroristen in den 90er Jahren Jagd auf Christen gemacht hatten, kommt es immer wieder zu Ausschreitungen, die sich häufig daran entzünden, dass "ohne Erlaubnis" Kirchen gebaut werden. (mit dpa)