24.01.2010

Indonesien: In Aceh gilt das islamische Recht

Mit der Scharia-Polizei unterwegs

Indonesien: In Aceh gilt das islamische Recht

Mit der Scharia-Polizei unterwegs

Tagesschau.de, 24.01.2010 - Aceh auf der Insel Sumatra ist die einzige Provinz in Indonesien, die das islamische Recht, die Scharia, anwendet - und dies konsequent: Eine Scharia-Polizei prüft genau, ob Kleiderordnung und Verhaltensvorschriften für Muslime eingehalten werden.

Von Bernd Musch-Borowska, ARD-Hörfunkstudio Südostasien

Die Scharia-Polizei bereitet sich auf ihre nächste Streife vor. Im Schatten der Kuppel und der Minarette der großen Moschee in Banda Aceh auf der indonesischen Insel Sumatra steigen Beamte in Khaki-Uniformen auf die Ladefläche eines Pickup-Trucks, um in den Straßen der Provinzhauptstadt die Einhaltung der Kleiderordnung und der Verhaltensvorschriften für Muslime zu überwachen.

Die jungen Männer sind bewaffnet, als wären sie auf der Jagd nach Schwerverbrechern. Dabei geht es unter anderem um Frauen, die kein Kopftuch tragen oder zu enge Hosen anhaben, bei denen man die Körperform erkennen kann.

Händchen halten ist tabu

An der Strandpromenade halten die Islam-Polizisten Ausschau nach unverheirateten Pärchen, die Händchen halten oder sich gar umarmen.

Selbst junge Paare, die in gebührlichem Abstand voneinander gemeinsam den Sonnenuntergang beobachten, werden von den Anstands-Polizisten angesprochen. Dies sei notwendig, sagt Marzuki, der Leiter der Islam-Behörde in der Provinz Aceh, um die Scharia, das islamische Recht, aufrecht zu erhalten. "Wir sehen das als eine Art Vorbeugungsmaßnahme.

Dabei gehen wir nicht aggressiv gegen Gesetzesbrecher vor, sondern versuchen die Leute zu überzeugen und über die Absicht unserer Patrouille zu informieren."

Zwei Mädchen in engen Jeans werden von den Polizisten ebenso angesprochen, wie eine junge Frau ohne Kopftuch. Die Reaktionen der Menschen in Aceh sind unterschiedlich. 90 Prozent der Bevölkerung der Provinz sind Muslime. Die meisten befürworten die Durchsetzung der Scharia. "Ich finde, die Polizei sollte auch weiterhin darauf achten, dass die Scharia eingehalten wird", sagt Surya Dewi. Die Durchsetzung der Gesetze müsse verbessert werden. Und ein junger Mann ergänzt: "Die Scharia-Polizei tut doch nur ihre Pflicht. Es ist die Verantwortung jedes einzelnen Muslims die islamischen Werte aufrecht zu erhalten."

Übertriebene Kontrolle?

Einige jüngere Acehnesen, finden die staatlichen Kontrollen übertrieben und betrachten sie als Verletzung ihrer Privatspähre. "Ich finde, das ist eine Verletzung der Menschenrechte", sagt Rahmadan Alfian, ein junger Student, der in einem Internet-Cafe seine E-Mails liest. Einige Vorschriften seien aber durchaus angemessen, wie beispielsweise das Verbot enger Hosen, bei denen die Körperformen zu sehen seien. Ein anderer Mann sagt: "Ich glaube, es gibt zu wenig Kommunikation zwischen den Behörden und der Bevölkerung. Deshalb kommt es bei der Umsetzung der Scharia zu vielen Missverständnissen."

Ehebrechern droht Steinigung

 

Bereits Ende vergangenen Jahres löste ein neues Gesetz in Aceh weltweit einen Aufschrei der Empörung aus. Danach droht Ehebrechern die Steinigung. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sprach von einem ungerechtfertigten Eindringen des Staates in die Intimsphäre der Menschen und von einem Bruch der indonesischen Verfassung. Auch Nur Kholis, von der indonesischen Kommission für Menschenrechte beklagte, dass durch die Steinigung gegen nationales indonesisches Recht verstoßen werde. Das Autonomie-Gesetz für Aceh sei jedoch stärker. "Ja das ist ein Verstoß gegen nationales Recht, denn im allgemeinen Gesetzbuch ist die Steinigung als Strafe nicht vorgesehen", sagt er. "Aber Aceh hat eine gewisse Autonomie, deshalb ist es sehr schwer für uns, sich energisch dagegen auszusprechen."

Während bislang nur in der Provinz Aceh die Scharia gilt, wollen auch andere Provinzen und Regionen in Indonesien das islamische Recht einführen. Erst kürzlich haben religiöse Führer in Ost-Java den muslimischen Gläubigen verboten, schon vor der Hochzeit Hochzeitsfotos machen zu lassen. Und in Bandung in Zentral-Java machten Mitglieder muslimischer Gruppen vor einigen Monaten Razzien in Hotels, auf der Suche nach unverheirateten Paaren.

AudioBernd Musch-Borowska, ARD-Hörfunkstudio Singapur

  24.01.2010 23:06 | 4'12

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siehe: www.tagesschau.de/ausland/schariapolizei100.html