29.11.2010

Eritrea: Die Christenverfolgung an der Wurzel bekämpfen

Autor: Fernando Perez, Indien, Internationales Institut für Religionsfreiheit (IIRF)

Eritrea: Die Christenverfolgung an der Wurzel bekämpfen

Autor: Fernando Perez, Indien, Internationales Institut für Religionsfreiheit (IIRF)

 

erschienen am 29. November 2010

In Eritrea, einem der jüngsten und kleinsten Staaten Afrikas, wurden in den letzten acht Jahren zahlreiche evangelikale bzw. protestantische Christen eingekerkert, gefoltert und getötet. Die Besorgnis über die Christenverfolgung wurde bei verschiedenen internationalen Foren thematisiert, doch hat es nur wenig Veränderung in der Haltung und Politik der Einparteienregierung gegeben. Der Grund dafür ist, dass die Ursache, die eigentliche Wurzel der zunehmenden Einschränkung des religiösen Lebens im Land unverändert intakt ist.

Der Mann hinter der Verfolgung aus religiösen Gründen, Präsident Isaias Afewerki, ist ein „Christ“. Er ist Mitglied der Eritreisch Orthodoxen Tewahedo-Kirche, einer orientalisch-orthodoxen Kirche in der Hauptstadt Asmara, der größten von nur drei erlaubten christlichen Konfessionen in Eritrea. Doch der 64-jährige Afewerki hat den Ruf, Alkoholiker und ein skrupelloser Autokrat zu sein.

Afewerki, Chef der regierenden Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit verfolgt nicht nur nicht registrierte christliche Gruppen, sondern auch die Leiter seiner eigenen Konfession, der (aus der koptischen Kirche hervorgegangene) Orthodoxen Kirche von Eritrea, ebenso wie „nicht anerkannte“ nicht sunnitische Moslems und Baha’i.

Die restriktive Politik Afewerkis gründet sich mehr auf seine Angst, dass Menschen durch die Religion mobilisiert werden, als gegen Religion an sich gerichtet zu sein. In anderen Worten, er möchte jeder Vereinigung des Volkes zuvorkommen bzw. diese einschränken.

Das ist der Grund, weshalb die Regierung keine politische Opposition und keine Bildung einer Zivilgesellschaft im Land duldet. Es gibt auch keine Proteste und keine Gewerkschaften. Wer auch immer die Regierung offen kritisiert oder versucht hat, Menschen für eine Sache zu mobilisieren, wurde eingekerkert oder musste aus Eritrea fliehen. Es gibt keine Informationsmedien in privater Hand, denn unparteiische Nachrichtenorganisationen werden als Werkzeug der Vereinigten Staaten bzw. der CIA gesehen.

Die realen oder vorgegebenen Befürchtungen Afewerkis können vor dem Hintergrund der komplexen geopolitischen Lage im Horn von Afrika (Nordostafrika mit den Ländern Eritrea, Dschibuti, Äthiopien und Somalia) gesehen werden.

Die strategische Bedeutung Eritreas mit einer Küstenlinie von 1.150 km am Roten Meer und einem großen Reichtum an Bodenschätzen (unter fast 60 % der Bodenfläche schlummern mineralische Ressourcen, darunter Smaragde und Gold) erweist als verborgener Fluch. Die Geschichte des Landes ist geprägt von Einfällen und Kolonisierung durch viele fremde Mächte, darunter Araber, Türken, Portugiesen, Ägypter und in der jüngeren Vergangenheit Engländer und Italiener. Nachdem die Kolonialmächte Eritrea verlassen hatten, wurde es 1952 von seinem großen Nachbarn Äthiopien annektiert. Nach 30 Jahren Krieg erlangte das Land 1991 seine Unabhängigkeit. Doch die Grenzstreitigkeiten mit Äthiopien dauern an.

Seit Afewerki 1993 sein Amt als Präsident antrat, schränkte seine Regierung die bürgerlichen und politischen Rechte massiv ein. Als Begründung wurde vor allem die von Äthiopien ausgehende Bedrohung angeführt. Für 1997 waren Präsidentenwahlen geplant, doch sie wurden unter dem selben Vorwand nicht abgehalten.

Insbesondere nach einem Krieg mit Äthiopien von 1998 bis 2000, der auf eritreischer Seite etwa 70.000 Menschenleben kostete, wurde Afewerki, der Eritrea in die Unabhängigkeit von Äthiopien geführt hatte, extrem misstrauisch und wesentlich autokratischer.

Als Teil ihrer Politik der extremen Vorsicht gegen Bedrohungen von außen verfügte die Regierung im Jahr 2002 auch Restriktionen gegen alle Religionsgemeinschaften mit Ausnahme der vier anerkannten Konfessionen. Das sind die Orthodoxe Kirche von Eritrea, der sunnitische Islam, die Römisch Katholische Kirche und die Evangelische Kirche von Eritrea (lutherisch). Die Regierung forderte die nicht registrierten Gruppen auf, detaillierte Informationen über ihre Mitglieder und Finanzen vorzulegen und nutzte dies als Vorwand, um sie zu verbieten.

Die Restriktionen der Regierung zielten vor allem auf evangelikale und pfingstliche christliche Konfessionen ab, die während des zweijährigen Krieges mit Äthiopien an Mitgliedern gewachsen waren. Viele junge Männer in der Armee - vor allem solche, die ihren verpflichtenden Militärdienst leisteten - schlossen sich diesen Konfessionen an und trafen sich heimlich zum Gebet und Bibelstudium. Doch die Regierung war beunruhigt darüber, dass junge Männer mit militärischem Hintergrund zusammenkamen.

Diese Besorgnis der Regierung hält bis heute an. Obwohl die meisten Gruppen die von der Regierung geforderten detaillierten Informationen übermittelten und einen Antrag auf Registrierung stellten, bleibt ihr Verbot bis heute aufrecht.

Aus ähnlichen Gründen kam es zur Einmischung in die Angelegenheiten der anerkannten Kirchen, die bis heute keinerlei Kritik an der Politik der Regierung üben dürfen. Als der Patriarch der Eritreisch Orthodoxen Kirche 2005 die Einmischung des Staates in innerkirchliche Angelegenheiten kritisierte, wurde er unter Hausarrest gestellt und durch einen anderen Kirchenleiter ersetzt.

Die Regierung fürchtet auch, dass Religionsfreiheit zu Evangelisationstätigkeit durch christliche Gruppen führen und dadurch soziale Spannungen hervorrufen würde, die von „ausländischen Mächten“ genützt werden könnten, um die Nation zu destabilisieren, oder gibt zumindest vor, dies zu befürchten. Moslems im östlichen und westlichen Flachland und Christen - vor allem im Hochland - sind zahlenmäßig etwa gleich stark, und dies wird als Schlüsselfaktor dafür gesehen, dass es bisher zu keinen religiös motivierten Gewaltakten gekommen ist. Die Gesamtbevölkerung von Eritrea ist über 5 Millionen.

Aufgrund ihrer angeblichen Befürchtungen hat die eritreische Regierung zehntausende Menschen eingekerkert, vor allem aus politischen und religiösen Gründen. Viele von ihnen wurden gefoltert oder ohne Gerichtsverfahren getötet. Schätzungen zufolge befinden sich etwa 2.000 bis 3.000 Christen in eritreischen Gefängnissen.

Die eritreische Verfassung, die Religionsfreiheit für alle Glaubensrichtungen vorsieht, wurde 1997 ratifiziert, wurde jedoch unter dem selben Vorwand, dass die Nation bedroht sei, nicht in Kraft gesetzt.

Äthiopien ist das Land, das Eritrea am meisten fürchtet, aber keineswegs das einzige. Eritrea hat gestörte Beziehungen zu den meisten Nachbarländern - Sudan, Äthiopien, Jemen, Somalia und Dschibuti. Auch die Beziehungen zu den USA, der Europäischen Union und der Afrikanischen Union sind angespannt.

2009 verhängte der UN Sicherheitsrat Sanktionen gegen Eritrea wegen der Unterstützung islamischer Aufständischer in Somalia. Islamistische Gruppen wie al-Shabab und Hisbul-Islam, die Äthiopien als feindliche Macht betrachten, kämpfen dort um die Kontrolle über die Hauptstadt Mogadischu. Eritrea setzte als Protest seine Mitgliedschaft in der Afrikanischen Union aus und klagte die USA an, die Verhängung der Sanktionen veranlasst zu haben.

Afewerki hat eine Abneigung gegen die USA, da Äthiopien ein strategischer Partner im globalen Krieg gegen den Terror ist und Washington angeblich die Beschwerden Eritreas im Zusammenhang mit den Grenzstreitigkeiten mit Äthiopien nicht beachtet hat.

Dem eritreischen Staat droht aufgrund der Isolation und wirtschaftlichen Armut der allmähliche Zerfall. Nach dem letzten Welthungerindex gehört Eritrea zu den 10 Ländern mit den größten Hungerproblemen. Es ist höchst zweifelhaft, ob das Regime Afewerki noch lange in der Lage sein wird, die Einheit und Stabilität des Landes durch seine autoritäre Herrschaft zu erhalten. Analysten berichten, dass die Bürger im Land und die eritreische Diaspora die Geduld verlieren und sich gegen die autoritäre Regierung erheben könnten. Insbesondere die Personen, die gezwungen sind, Militärdienst zu leisten, könnten eine Bedrohung für die Regierung darstellen. Wenn das Regime Afewerki durch eine Volksbewegung gestürzt wird, wird das viele Menschenleben kosten, auch das von Christen, da mit einer Überreaktion der Regierung zu rechnen ist.

Wesentlich wünschenswerter wäre eine Veränderung durch eine vorsichtige Annäherung an Eritrea seitens von Staaten und Blöcken, denen an Demokratie und Wohlstand für das eritreische Volk gelegen ist. Es kann jedoch kein Engagement Frucht tragen, wenn man nicht bemüht ist, die Spannungen zwischen Eritrea und Äthiopien so weit wie möglich abzubauen. Sobald dies geschieht, wird Eritrea endlich gezwungen sein, die Verfassung in Kraft zu  setzen, politische Parteien zuzulassen, freie Wahlen abzuhalten, die politischen und religiösen Gefangenen freizulassen und den Anhängern aller Glaubensrichtungen die gleichen Rechte zu gewähren.

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA