05.01.2011

Pakistan: Islamist tötete toleranten Gouverneur

Korrespondent SASCHA ZASTIRAL (Die Presse)

Pakistan: Islamist tötete toleranten Gouverneur

Korrespondent SASCHA ZASTIRAL (Die Presse)

 

Salman Taseer, Gouverneur der Provinz Punjab, wollte das christenfeindliche Blasphemie-Gesetz ändern. Deshalb erschoss ihn ein zu seinem Schutz abgestellter Elitepolizist. Der Attentäter wurde festgenommen.

Bangkok/Islamabad. Der Gouverneur der pakistanischen Provinz Punjab, Salman Taseer, besuchte gerade den Kohsar-Markt in der Hauptstadt Islamabad, als ihn ein zu seinem Schutz abgestellter Elitepolizist niederschoss. Das hochrangige Mitglied der regierenden Pakistan Peoples Party (PPP) starb kurze Zeit später im Krankenhaus.

Aufnahmen vom Tatort zeigen, wie kurz nach den tödlichen Schüssen ein großes Aufgebot an Polizisten den Markt abriegelte. Der mutmaßliche Attentäter wurde sofort festgenommen.

1200 Anklagen wegen Blasphemie

Innenminister Rehman Malik erklärte: „Der Polizist, der ihn getötet hat, sagte, er habe es getan, weil Herr Taseer kürzlich eine vorgeschlagene Änderung der Blasphemie-Gesetze verteidigt hat.“ Premier Yusuf Raza Gillani rief zur Ruhe auf und kündigte Ermittlungen an. Zudem ordnete er eine dreitägige Staatstrauer an.

Die geplante Änderung von Pakistans rigiden Blasphemie-Gesetzen hat in den vergangenen Wochen mehrfach zu wütenden Protesten geführt. Mehr als 1200 Menschen wurden seit 1986 wegen Blasphemie angeklagt, worauf die Todesstrafe steht. Die meisten Angeklagten wurden jedoch noch vor ihrer Verurteilung ermordet.

Gnadengesuch für Christin

Anlass für die jetzt geplante, sehr kontrovers diskutierte Änderung der Gesetze war scharfe internationale Kritik, nachdem ein Gericht in der Stadt Sheikhupura im vergangenen November eine pakistanische Christin wegen Blasphemie zum Tod durch Erhängen verurteilt hatte. Salman Taseer war einer der bekanntesten Fürsprecher einer Änderung der Blasphemie-Gesetze. Er hatte Präsident Asif Ali Zardari offen dazu aufgefordert, Asia Bibi zu begnadigen und sich damit unter den Islamisten etliche Feinde gemacht.

Der Vorfall dürfte die schwere Regierungskrise in Islamabad verstärken. Premier Yusuf Raza Gillani steht massiv unter Druck, seit am Sonntag die MQM-Partei (Muttahida Qaumi Movement), der größte Koalitionspartner der PPP, aus der Regierung ausgestiegen ist. Dem jetzt ermordeten Taseer kam in dieser prekären Situation eine Schlüsselrolle zu.

Denn Taseer hatte als von Islamabad eingesetzter Gouverneur in der Provinz Punjab die Möglichkeit, direkt in die Politik der Provinz einzugreifen. Diese ist fest in der Hand der Nawaz-Muslim-Liga (PML-N) von Expremier Nawaz Sharif, Pakistans größter Oppositionspartei. Quasi-Parteichef Sharif dürfte die Krise dazu nutzen, um sich weiter von der Regierung in Islamabad zu distanzieren und als potenzieller kommender Premier des Landes zu inszenieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2011)