06.01.2011

Kopten: Weihnachten unter Polizeischutz

Eine Woche nach dem Selbstmordanschlag auf eine koptische Kirche in Ägypten wächst dort die Sorge um das bevorstehende Weihnachtsfest. Aus Angst vor einem neuen Angriff feiern Ägyptens Kopten streng bewacht.

Begleitet von beispiellosen Sicherheitsvorkehrungen, begeht die koptische Kirche in Ägypten am Freitag ihr diesjähriges Weihnachtsfest. Knapp eine Woche nach dem Selbstmordanschlag auf die Christen zogen am Donnerstag in Kairo und Alexandria Großaufgebote von Polizei und Militär auf. Vor den Kirchen wurden Autos abgeschleppt und Metallsperren aufgebaut.

Alle Besucher der Christmetten am späteren Abend mussten sich mit Metalldetektoren absuchen lassen und ihre Ausweise vorzeigen. Sprengstoffhunde waren im Einsatz – seit dem Massaker in der Neujahrsnacht mit bisher 23 Toten befindet sich Ägypten im Ausnahmezustand.

Deutschland

Strenge Sicherheitsvorkehrungen sind auch für die Weihnachtsfeiern der rund 6000 koptischen Christen in Deutschland angeordnet worden. Auch fallen Feiern aus oder sind wegen der Sicherheitslage verkleinert worden.

Eine Welle der Solidarität löste das Attentat auf koptische Christen in Ägypten in der Silvesternacht auch hierzulande aus. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Christian Wulff am Donnerstag zum weltweiten Schutz christlicher Minderheiten aufriefen, kündigten Vertreter der drei größten Glaubensgemeinschaften in Deutschland ihre Teilnahme an den orthodoxen Gottesdiensten zum koptischen Weihnachtsfest an.

Auch an den Gedenkfeiern für die Opfer des Anschlags wollen sich die evangelische und katholische Kirche wie auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland beteiligen. dapd/kna

Als Zeichen der Trauer hatte der koptische Papst Shenouda III. für den 1. Weihnachtstag am Freitag alle Gottesdienste und Feiern in den rund 2000 Gemeinden des Landes abgesagt. Einzig die Christmetten finden statt, die in der Regel bis nach Mitternacht dauern. Shenouda III. selbst zelebriert den Gottesdienst in der Kathedrale von Kairo. Denn nicht nur die koptische Kirche, auch viele Muslime und die ägyptische Staatsführung fürchten, dass dem Anschlag weitere folgen könnten.

„Menschliche Schutzschilde“

Angesichts dieser Gefahr riefen in den vergangenen Tagen prominente Muslime zur Solidarität mit den Christen auf und kündigten an, sich an Weihnachten vor koptischen Kirchen als „menschliche Schutzschilde“ aufzustellen. Ihre Aktion wurde vom Innenministerium sofort verboten

Auch mehrere Dutzend muslimische Intellektuelle, die zuvor am Talab-Harb-Platz im Stadtzentrum eine stumme Vigil (Nachtwache vor großen Kirchenfesten) mit Kerzen veranstalten wollten, wurden von Einheiten der Sonderpolizei in eine Nebenstraße abgedrängt. Vielen Teilnehmern nahmen Zivilbeamte ihre Handys und Fotoapparate ab, als sie das rüde Vorgehen der Sicherheitskräfte dokumentieren wollten.

Bei den Demonstrationen der letzten Tage in dem von vielen Christen bewohnten Vorort Schubra wurden ausschließlich Muslime verhaftet, die ihre Solidarität zeigen wollten. Acht jungen Mitgliedern des Oppositionsbündnisses 6. April wurde bereits 48 Stunden nach ihrer Festnahme wegen „Angriffen auf die Polizei, Störung der öffentlichen Ordnung und Sabotage“ der Prozess gemacht. Koptische Demonstranten dagegen blieben bisher unbehelligt.

Christmette der Kopten in Frankfurt

Still verlief die Christmette der Frankfurter Kopten am Abend des 6. Januar. Stiller als sonst. Es gab keine Freudengesänge, keine Feier bis in die Morgenstunden. Denn dieses koptische Weihnachten steht unter dem Eindruck des Anschlags von Alexandria am Neujahrstag, bei dem 23 Menschen starben. In Frankfurt herrschte rund um die St.Michael-Kirche starke Polizeipräsenz, in der Kirche übernahmen Gemeindemitglieder Wächterfunktionen. Am 8. Januar wird es nochmal eine gesonderten Gedenkgottesdienst für die Opfer von Alexandria geben.

Anders als die westlichen Kirchen feiern die Kopten ihr Weihnachtsfest erst am 7. Januar, dem 29. Tag ihres Monats Khoiak. Die Kirche am Nil folgt einem eigenen Kalender, der auf die altägyptische Zeit zurückgeht. Anders als der allgemein verbreitete Gregorianische Kalender mit seinen 365 Tagen hat das koptische Jahr zwölf Monate zu je 30 Tagen sowie einen zusätzlichen Monat, der entweder fünf oder in Schaltjahren sechs Tage lang ist.

Suche nach dem Attentäter

Unterdessen veröffentlichten die Ermittler am Mittwochabend ein erstes Fahndungsfoto des Täters, was tags darauf auf allen Titelseiten der Zeitungen erschien. Es zeigt einen Mann mittleren Alters mit schwarzen Haaren und einer auffällig breiten Nase.

Das Gesicht war von Spezialisten rekonstruiert worden, nachdem man einen der abgerissenen Köpfe am Explosionsort keinem Opfer zuordnen konnte. Auch ein abgerissener Fuß, der mehr als zwanzig Meter hoch in die Luft geflogen war und auf dem Dach der gegenüberliegenden Moschee gefunden wurde, gehörte möglicherweise zu dem Täter.

Wer hinter dem Anschlag steht, blieb aber auch am Donnerstag unklar.

Frankfurter Rundschau