23.01.2011

Deutschland: Monika Maron vermisst "Moses Mendelssohn des Islam"

Der Islam habe noch keinen Aufklärer wie etwa Moses Mendelssohn im Judentum gehabt, meint die Berliner Schriftstellerin Monika Maron

Deutschland: Monika Maron vermisst "Moses Mendelssohn des Islam"

Der Islam habe noch keinen Aufklärer wie etwa Moses Mendelssohn im Judentum

gehabt, meint die Berliner Schriftstellerin Monika Maron

| 24.01.2011 -  Die Schriftstellerin Monika Maron ist am Samstag mit dem
Lessing-Preis des Freistaates Sachsen ausgezeichnet worden. In ihrer
Dankesrede kritisierte die 69-Jährige, dass der Islam in Sachen Aufklärung
noch viel Weg vor sich habe.  Die mit 13.000 Euro dotierte Auszeichnung wird
alle zwei Jahre für herausragende Leistungen im Geiste des Dichters Gotthold
Ephraim Lessing (1729-1781) auf dem Gebiet der Literatur, der
Literaturkritik und des Theaters vergeben. Maron stehe mit ihrer
Unabhängigkeit, Zivilcourage und poetischen Zeitgenossenschaft in der
Nachfolge des Dichters der Aufklärung, sagte Sachsens Kunstministerin Sabine
von Schorlemer (parteilos) bei der Verleihung. Mit der Preisverleihung
wurden zugleich die 46. Kamenzer Lessing-Tage eröffnet, die alle zwei Jahre
im Geburtsort des Dichters, Kamenz, stattfinden.

In ihrer Dankesrede sprach Maron über den Umgang mit dem Islam. Diese Rede
druckte das Magazin "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe ab. Maron schreibt
zunächst über die Freundschaft zwischen dem jüdischen Philosophen Moses
Mendelssohn und dem Schriftsteller Lessing. "Beide kamen aus streng
religiösem Elternhaus, Lessing aus dem lutherisch-orthodox geprägten
Predigerhaus in Kamenz, Mendelssohn aus dem Dessauer Ghetto, wo sein Vater
als Thora-Schreiber die Familie mühsam ernährte." Die Offenheit, mit der
Lessing Mendelssohn gegenübertrat, sei zu jener Zeit keinesfalls
selbstverständlich gewesen, so Maron. Die meisten Juden hatten nur wenige
Rechte. Mendelssohn war schließlich Vorbild für die Figur des Nathan in
Lessings Drama "Nathan der Weise". Die "Ringparabel" daraus drückt die
ideale Toleranz zwischen den großen monotheistischen Religionen aus.

"Es gab keinen Moses Mendelssohn des Islam"

Heute sei das Thema Toleranz der Religionen wieder aktuell, so Maron. Im
Hinblick auf den Islam könne man feststellen, dass ihm die Errungenschaft
der Aufklärung sowie die Trennung von Staat und Kirche fremd sei. "Während
das Christentum und das Judentum nach zähen Kämpfen den säkularen Gedanken
und die Gültigkeit universaler Menschenrechte in ihre Heilslehre integriert
haben, hat der Islam seit dem 12. Jahrhundert jeden Versuch einer
philosophischen Auseinandersetzung mit seinen religiösen Schriften
verhindert." Im Hinblick auf den berühmten jüdischen Aufklärer, der für eine
Erneuerung des Judentums kämpfte und dabei auf Widerstand von Rabbinat und
Staat stieß, fügt Maron hinzu: "Es gab keinen Moses Mendelssohn des Islam."

Daher stelle sich die Frage: "Wie geht eine aufgeklärte säkulare
Gesellschaft mit einer unaufgeklärten Religion um, deren radikaler Flügel
zudem im Namen der Religion Krieg gegen die Welt führt (...)?" Maron stellt
weitere Fragen wie: "Ist vielleicht die Forderung nach Toleranz
fundamentalistisch? Ist es fundamentalistisch, die Gleichheit der
Geschlechter zu fordern oder zu verlangen, dass andere Religionen nicht
diffamiert oder gar verfolgt werden? Verlangen wir zu viel, wenn wir von
einer unaufgeklärten Religion, die in unsere Gesellschaft einzieht,
erwarten, dass sie alle Gesetze, aber auch alle Werte achtet, die dieser
Gesellschaft als schützenswert gelten?"

Sie betont, dass sie nicht alle Muslime meine und "schon gar nicht" alle
Zuwanderer aus islamischen Ländern. "Ich spreche von den Muslimen, die offen
und weniger offen die westlichen Werte diskreditieren, eben die
Errungenschaften der Aufklärung, wie die Religionsfreiheit, die Meinungs-
und Pressefreiheit, die individuellen Rechte eines jeden Menschen und die
Verantwortung für das eigene Leben."

Kritik am Islam ist keine Islamophobie

Ein Problem mit dem heutigen Islam stellt Maron so dar: "Im Verständnis des
Islam gehört jeder Muslim zuerst der Umma, der weltweiten
Glaubensgemeinschaft der Muslime, an. Die Religionszugehörigkeit
reglementiert alle anderen Beziehungen gläubiger Muslime, das Verhältnis zum
Staat, zur Gesellschaft, zur Familie." Ein sichtbares Zeichen der Abgrenzung
von der andersgläubigen oder atheistischen Welt sei das Kopftuch der Mädchen
und Frauen. "Mangelnde Sprachkenntnis verhindert den Kontakt zur deutschen
Gesellschaft, und eingeforderte Privilegien, die immer nur die religiöse
Gemeinschaft, nicht das Individuum betreffen, zementieren die eigene
Andersartigkeit, oft gepaart mit einem extremen Nationalismus des
Herkunftslandes."

Maron schreibt weiter: "Wer die universalen Menschenrechte auch für Muslime,
besonders für muslimische Frauen verlangt, wie Ayaan Hirsi oder Necla Kelek,
wer vom Islam den Verzicht auf seinen politischen Anspruch und den Rückzug
auf seine Spiritualität fordert, wer also für die Aufklärung des Islam
eintritt, wird von den Wächtern des Islam diffamiert, verleumdet und in den
vom Islam beherrschten Ländern verfolgt, eingesperrt oder getötet." Die
Schriftstellerin merkt an, dass Kritik am Islam gleich als Islamophobie und
Rassismus dargestellt werde. Nicht die Kritiker des Islam dächten
rassistisch, "sondern jene, die der ethnischen und religiösen Herkunft mehr
Bedeutung zumessen als den individuellen Menschenrechten (...)".

Maron schrieb als Ost-Berliner Reporterin 1981 ihr Debüt "Flugasche" über
die Umweltzerstörung in Ostdeutschland. Sie geriet unter Druck und zog
vorübergehend nach Hamburg. Im September 2010 äußerte sie in einem Interview
mit der Tageszeitung "Die Welt" ihre Meinung, Thilo Sarrazin habe mit seinem
Buch nicht die Atmosphäre vergiftet, "sondern überhaupt erst offenbart".
Weder die Politik noch die Medien hätten die "Atmosphäre, die sich längst
landesweit ausgebreitet hatte", bemerkt, kritisierte sie. Maron ist
überzeugt: "Wie weit der Islam unser Leben verändert hat, zeigt sich allein
schon daran, dass wir andauernd über ihn reden müssen." Keine Religion
beherrsche das öffentliche Gespräch so fordernd wie der Islam. (pro)



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