26.01.2011
Vietnam: Vier Katholiken scheitern in der Berufung - Aussagen über Folter in Haft verboten
IGFM - Da Nang / Frankfurt (27. Januar 2011) Das Berufungsgericht in der
zentralvietnamesischen Stadt Da Nang hat am 26. Januar die Anträge von vier
katholischen Folteropfern auf Aufhebung der Urteile abgelehnt und die
Urteile der ersten Instanz bestätigt, berichtet die Internationale
Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Die Verurteilten waren im Oktober
2010 wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Widerstands gegen die
Staatsgewalt zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Die IGFM wirft dem
Berufungsgericht vor, den Angeklagten keine Chance auf Verteidigung
eingeräumt zu haben. Unter diesen Umständen ist es noch wichtiger, dass
Vietnam endlich der UN-Folterkonvention beitritt, erklärt Vu Quoc Dung,
Asienreferent der IGFM.
Die Katholiken Nguyen Huu Liem, Le Thanh Lam, Tran Thanh Viet und Nguyen Thi
The, die in der ersten Instanz zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt
worden waren, und ihr Rechtsanwalt wurden vom Berufungsgericht nicht
angehört. Die Vorsitzende unterbrach sie ständig, so dass kein Plädoyer zu
Ende geführt werden konnte.
Die vorgelegten Beweise wurden nicht akzeptiert. Der Anwalt legte dem
Gericht unter anderem die Erklärung eines Gemeindemitglieds seiner Mandanten
vor. Darin erklärte der Zeuge, zuvor unter Polizeidruck eine Falschaussage
geleistet zu haben und er jetzt bereit sei, dies zu korrigieren und anstelle
des Opfers ins Gefängnis zu gehen. Der Anwalt bat das Gericht vergeblich
darum, Zeugen der Folter anzuhören und die unter Folter erpressten
Geständnisse zu annullieren. Auch die Aufforderungen des Anwalts, das
Gericht sollte neue Ermittlungen anordnen, wurden abgelehnt.
Zwei weitere Katholiken - Nguyen Huu Minh und Frau Phan Thi Nhan, die bis
dahin in Haft waren, wurden auf Anordnung des Berufungsgerichts begnadigt
und freigelassen. Minh hatte zuvor seinen Antrag auf Berufung zurückgezogen;
Nhan hatte zwar den Antrag gestellt, aber einen Zugang zum Anwalt verweigert
bekommen. Die IGFM kritisiert die vietnamesische Rechtspraxis, die nach der
Direktive handelt: Wer klagt, bekommt keine Gnade.
Die IGFM bemängelt ebenfalls, dass die Verteidigung weder ausreichend Zeit
für die Vorbereitung noch Zugang zu den vollständigen Akten ihrer Mandanten
hatte. Der Antrag des Rechtsanwalts Huynh Van Dong auf Anhörung von
Entlastungszeugen wurde abgelehnt. Die Angehörigen der Angeklagten hatten
zwar Zugang zum Gerichtssaal, aber unter striktem Verbot, Handys,
Fotoapparate, Tongeräte, Papier und Stifte in den Gerichtssaal mitzunehmen.
Ein Assistent des Anwalts wurde aus dem Gerichtssaal entfernt, als er Bilder
von der Verhandlung machen wollte, und vier Stunden lang auf der
Polizeiwache von Da Nang festgehalten.
Beisetzung einer Verstorbenen verboten Trauerprozession gesprengt
Gegen sieben Katholiken wurde Anklage erhoben, sie hätten trotz behördlichen
Verbots ein verstorbenes Gemeindemitglied am 4. Mai 2010 auf ihrem Friedhof
bestatten wollen. Damals hatten Polizei und Milizen mit brutaler Gewalt die
Trauerprozession gesprengt und den Sarg mit der Verstorbenen beschlagnahmt.
Rund 70 Personen wurden auf der Polizeiwache des Distrikt Cam Le (Stadt Da
Nang) von 2 Tagen bis zu 101 Tagen gefangen gehalten und gefoltert, Nguyen
Thanh Nam - der leitende Sargträger - wurde zu Tode geprügelt. Die IGFM
dokumentierte den Vorfall in ihrem Bericht Gewaltsame Enteignungen wegen
Errichtung einer Touristenanlage in Da Nang - Erpressung, Inhaftierung und
Folter katholischer Gläubiger, August 2010.
Am 26. Oktober 2010 wurden sieben Katholiken zu Haftstrafen verurteilt, die
zum Teil auf Bewährung ausgesetzt wurden (die IGFM berichtete). Phan Thi
Nhan wurde zu 9 Monaten Haft, Nguyen Huu Minh zu 12 Monaten Haft verurteilt.
Nguyen Huu Liem erhielt 12 Monaten Haft auf Bewährung, die Haftstrafe von
Doan Cang, Le Thanh Lam, Tran Thanh Viet und Nguyen Thi The, die jeweils zu
9 Monaten Haft verurteilt wurden, wurde ebenfalls auf Bewährung ausgesetzt.
Nach Ablauf der Bewährungsfrist sollen sie zwecks Umerziehung für weitere
12 Monate und mehr entsprechenden Maßnahmen durch die örtlichen Behörden
unterzogen werden.
Verhöre unter Folter und in Ketten
Laut Recherche der IGFM wurden rund 60 Personen zwischen zwei und 101 Tagen
auf der Polizeiwache des Distrikts Cam in Da Nang festgehalten. Ausnahmslos
wurden alle Inhaftierten in den Verhören gefoltert. Bei Tag und Nacht kamen
die Aufseher auf ihren Rundgängen in ihre Zellen und prügelten brutal auf
die ein, die sich nicht rechtzeitig vor der Zellentür aufstellten, damit ihr
Gesicht durch den Türspion zu sehen war, oder wegen anderer Nichtigkeiten.
Opfer berichteten der IGFM, dass die längste Verhörserie sieben Tage
dauerte, vier bis acht Stunden täglich, tags und nachts. In der Vernehmung
wurde der Gefangene angekettet. Immer wenn er "Nein" sagte, schlug man ihn
mit Ledersandalen auf die Ohren, mit Stöcken wahllos ins Gesicht, auf Kopf,
Rücken, Hände und Füsse oder er wurde mit Springerstiefeln in Rippen- und
Bauchbereich getreten. Wer zusammenbrach oder ohnmächtig wurde, wurde mit
kaltem Wasser übergossen oder erhielt Elektroschocks. Mehrere Opfer klagten
über blaue Flecken, Platzwunden, geschwollene Augen und Blutungen im
Gesicht, aus Ohren, Nase und Mund, so dass sie vor Schmerzen weder laufen,
noch sich hinlegen und schlafen konnten