11.06.2012

Irak: Ein Leben zwischen Hoffnung und Verzweiflung

„Wir haben Hoffnung, aber wir haben keine Zukunft“, erklärt Katreen, deren Ehemann und Schwager unter kurdischen Flüchtlingen im Irak arbeiten. Sie drückt damit die Unsicherheit und die Verzweiflung vieler Iraker aus – Unsicherheit und Verzweiflung darüber, was in ihrem Land passiert. Westliche Truppen haben sich zurückgezogen, seit 2003 befindet es sich im Krieg. Währenddessen haben militante Muslime die Kriegswirren genutzt und noch mehr Terror in ein Gebiet gebracht, das ohnehin schon sehr verletzlich ist. Autobomben werden gezündet, Menschen auf öffentlichen Plätzen angegriffen. Unschuldige Zivilisten werden getötet – darunter auch Christen.

Schätzungen zufolge haben seit 2003 die Hälfte bis zwei Drittel aller irakischen Christen die Koffer gepackt und das Land verlassen. Kirchen werden zerstört oder geschlossen, Gemeindeleiter erschossen oder bedroht. Es gibt fast keinen Christen, der nicht einen Verwandten oder guten Freund durch Angriffe von militanten Muslimen verloren hat. Und selbst jene, die den Irak noch nicht verlassen haben, mussten meist aus ihren Heimatorten in andere Städte flüchten, um Arbeit, ein Dach über dem Kopf – und vor allem neue Hoffnung zu finden.

Williams Geschichte

William hatte gehört, dass sein Pastor und einige seine Gemeindeleiter erschossen worden waren. Die Leichen lagen zur Warnung für andere auf offener Straße. Die Reaktionen seiner Mitmenschen machten William große Sorge: Zwar verstand er die Angst der anderen Gemeindemitglieder. Aber die Gleichgültigkeit der Verantwortlichen im Ort erschreckte ihn. Sie taten so, als würde sie der Vorfall überhaupt nicht interessieren. „Mir wurde gesagt, dass Leute von Al Kaida für den Vorfall verantwortliche seien. Ich war wirklich wütend und sagte, dass wir die Leichen von der Straße holen müssten. Sie erlaubten es nicht …“.

Doch William konnte nicht anders, der Pastor war ein enger Freund von ihm. Also schaffte er die Leichen von der Straße in die Kirche. Daraufhin attackierten militante Muslime ihn und seine Familie. Sie müssen ihnen gefolgt sein, denn in der Nacht schossen sie auf sie mit Maschinengewehren. Niemand wurde verletzt. William musste seine Familie beschützen, also flüchtete er mit ihr in einen anderen Teil des Landes.

Afanans Schicksal

Williams Geschichte ist nicht untypisch für Christen aus dem Irak. Sie leben überall im Land verstreut, viele von ihnen wissen, dass sie unter Umständen bald wieder flüchten müssen.

Doch die 24-jährige Afanan verlor nicht ihr Zuhause; sie verlor ihren Ehemann. Sie und ihre Tochter werden nie seine Schreie vergessen, als militante Muslime ihn im Oktober 2012 umbrachten. Erst sechs Monate zuvor waren sie als Familie umgezogen, damit Afanans Mann als Sicherheitsmann in einer Fabrik arbeiten konnte. Er war der einzige Christ unter den Mitarbeitern und seine Kollegen gaben ihm sehr deutlich zu verstehen, dass sie seinen nicht-muslimischen Lebensstil nicht akzeptierten. Erst drohten sie ihm. Nach drei Tagen stürmten sie sein Haus, sperrten Afanan und ihre Tochter in ein Zimmer, und folterten den Ehemann. Die Frauen konnten seine Schreie hören, bis diese schließlich nach einem lauten Knall abrupt endeten. Seine Mörder hatten ihn mit einem Kopfschuss getötet.

Maliks Dienst

Trotz der Verzweiflung und ständigen Gefahr finden einige Christen dennoch Wege und Möglichkeiten, um Gott und den Menschen zu dienen. So wie Malik*. 2011 ist er ins Gefängnis gekommen, weil er zehn Hausgemeinden vorsteht, zu denen vor allem ehemalige Muslime gehören. Als dieser Artikel verfasst wurde, befand er sich seit mehr als sechs Monaten im Gefängnis, ohne dass ihm je der Prozess gemacht wurde. Während er darauf wartet, nutzt er die Zeit, um den Mithäftlingen das Evangelium zu bringen. Bislang sind durch ihn 10 Gefangene zum Glauben gekommen.

Pastor Haitham

Oft versuchen militante Muslime, Christen wie Malik einzuschüchtern. Eine ihrer üblichen Drohungen besteht zum Beispiel darin, eine Patronenhülse in einem Brief zu schicken mit dem Hinweis, die Stadt zu verlassen.

Pastor Haitham, der in einer großen Stadt im Irak lebt, kennt diese Drohungen. Konvertiten warnt er sogar davor, dass sie aufgrund ihres neu angenommen Glaubens mit Verfolgung rechnen müssen. Einige von ihnen verlassen daraufhin seine Gemeinde. Sie sind nicht bereit, für Jesus Christus zu leiden. Andere bleiben – und lassen sich taufen.  Sie werden begleitet, damit sie im Glauben wachsen können.

Pastor Haitham hat den Exodus der Christen aus dem Irak seit 2003 miterlebt. „Das bedeutet nicht, dass wir ohne Hoffnung sind, dass wir alle das Land verlassen wollen“, erklärt er und fügt hinzu: „Ich möchte nicht, dass es keine Christen mehr im Irak gibt. Wir sollen ein Segen für unsere Mitmenschen sein. So, wie Jesus es in der Bibel sagt, sind wir Salz und Licht.“

Wir wissen nicht, wie es im Irak weitergeht. Doch eines ist sicher: Die Christen in diesem Land brauchen unser Gebet. „Jesus ist mit mir; was auch immer geschieht“, so Pastor Haitham. „Wenn Jesus mich zu sich ruft, werde ich ihm folgen.“

*Namen aus Sicherheitsgründen geändert

Quelle: HMK , verfolgte-christen.org/aktuell