25.05.2015

Indien: Zur Situation der Christen

Bericht vom Treffen des Stephanuskreises im Deutschen Bundestag am 19. Mai 2015 in Berlin

Indien: Zur Situation der Christen

Bericht vom Treffen des Stephanuskreises im Deutschen Bundestag am 19. Mai 2015 in Berlin

Thema: Die Situation der Christen in Indien

 

Referenten: Pfarrer Arul Lourdu aus Heidelberg und katholische Ordensschwester aus Delhi (Name wird aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht)

Im ersten Teil hat Pfarrer Arul Lourdu die Situation der Christen im Verlauf der Geschichte kurz wiedergegeben und an die Abgeordneten zur politischen Handlung appelliert:

Die gegenwärtige Situation der Christen in Indien hat sich unter der neuen Regierung von Premierminister Narendra Modi von der fundamentalistischen Hindu Partei Bharatiya Janata (BJP) seit Mai 2014 deutlich verschlechtert. Immer wieder finden bedrohliche Übergriffe auf Christen und christliche Einrichtungen wie Kirchen und Schulen statt. Dies steht im krassen Gegensatz zur Tradition der Religionen in Indien: Nirgends auf der Welt sind mehr Religionen entstanden als in diesem Land. Für ein friedliches Miteinander bestimmten Toleranz, gegenseitige Wertschätzung und Religionsfreiheit das Miteinander von Regierenden und der Bevölkerung.

Das Christentum kam bereits im Jahr 52 mit den Thomaschristen (verbunden mit der römisch-katholischen Kirche) in dieses Land hinein, die Christen leben im gesamten Land verteilt, doch es gibt auch Landteile, in denen sie Minderheiten und solche, wo sie Mehrheiten (bis zu 90 Prozent) bilden. Im 18. Jahrhundert nahm der Protestantismus seinen Anfang in Indien, im Laufe der folgenden Jahre etablierten sich weitere evangelische Christen unterschiedlicher Konfessionen im Land, die sich 1947 zusammenschlossen.

Zwei Faktoren werden den Christen (nach Pfarrer Arul Lourdu) zum Verhängnis: Innerkirchlich ist das das Kastensystem, das in der christlichen Lehre zwar nicht zu finden ist, in der dortigen Kultur aber so stark dominiert, dass es selbst vor der Kirche keinen Halt macht. Nach außen hin ist es die damit verbundene fehlende politische Stärke, die die Christen (aufgrund fehlender Einheit) schwächt.

In den 80er Jahren beginnt der Hindu-Nationalismus aufzukeimen und seit der BJP-Regierung nehmen Übergriffe insbesondere gegenüber den Schwachen in der Gesellschaft (Kindern, Frauen und Ordensschwestern) drastisch zu.

2014 gab es 7.000 dokumentierte Fälle gegen Christen (um nur einige Beispiele der Gewalttaten zu nennen: Kirchen und Schulen wurden in Brand gesetzt, Festnahmen von Pfarrern aufgrund falscher Aussagen, Ermordung eines Pfarrers, Vergewaltigung mehrerer Ordensschwestern, u.a. einer 71-jähringen im Jahr 2015). Täglich ist mindestens eine Nachricht über Gewalt gegen Christen zu lesen. Doch die Anzeigen von an Christen verübten Verbrechen nimmt die Polizei oft gar nicht erst entgegen. Damit sinkt bei den Christen auch der Mut, diese Gewalttaten anzuzeigen. Die Regierung selbst beschlagnahmte mehrere Kirchen als Basislager. Jetzt wird überlegt, christliche Feiertage als Nationalfeiertage zu streichen – und sogar den Sonntag als Ruhetag auf einen anderen Tag zu verschieben.

Den Verbrechen an den Christen schauen auch europäische Politiker tatenlos zu  – obwohl diese die Möglichkeit hätten, zumindest über Fördergelder in wirtschaftlichen Verhandlungen Druck auszuüben.

Im zweiten Teil berichtete die Ordensschwester über die aktuellen Geschehnisse unter der Regierung von Premierminister Modi in Indien:

Die Wahl der neuen Regierung im Mai 2014 beobachteten die christlichen Inder voller Spannung – aber auch gemischt mit Angst. „Was wir aus unseren Fehlern gelernt haben: Die Kirche hat nicht gesprochen, als die Muslime attackiert wurden. Das war ein Fehler.“ So die Ordensschwester. Jetzt verschiebt sich die Situation, im Mittelpunkt der Angriffe stehen nicht mehr die Muslime (denn als zweitgrößte Weltreligion zollen ihnen die Hindus einen gewissen Respekt) anders dagegen sieht es bei Minderheiten wie Christen aus (lediglich zwei Prozent der Gesamtbevölkerung Indiens).

Am 24.12.2014 hatte die Ordensschwester zusammen mit dem Erzbischof und einigen weiteren Delegierten die Gelegenheit, Premierminister Modi zu treffen. Bei dieser Gelegenheit konfrontierte sie ihn mit der Situation der Christen: „Warum schweigt der Premierminister angesichts der vielen Übergriffe gegen Christen? Wir fühlen uns unsicher!“ Die Antwort des Ministers: „You want to walk with me, you walk. Otherwise you’re off.“ Kein Signal von Schutz für die Christen.

„Der Ministerpräsident hat seine eigene persönliche Agenda – er ist nicht für alle Menschen in Indien. Er setzt sich nicht ein für die Armen. Er kontrolliert die Medien, und so leid es mir auch tut, es so zu sagen: Er ist ein Diktator.“ So die Schwester weiter.

Christen werden keine Abschlüsse mehr gegeben, sie fürchten um ihre Arbeitsplätze, sie sind heute in Indien eine ängstliche Gemeinschaft. Selbst zwei Kardinäle, die für eine Konferenz nach Indien kommen wollten, wurden keine Visa gegeben – aus Angst der Regierung vor Missionierungsabsichten.

Auch Nichtregierungsorganisationen wie beispielsweise die „Greenpeace Foundation“ und andere sind dem Premierminister Modi ein Dorn im Auge.

Kritisiert wurde bei dem Treffen außerdem, dass die Inder in Deutschland zwar als ausgezeichnete IT-Fachkräfte bekannt sind, die Situation für Christen in dem Land aber nicht.


Abschließend wurde entschieden, u.a. (für kurzfristige Maßnahmen) ein Schreiben an den Botschafter zu schicken. Außerdem wurde (für langfristige Maßnahmen) an den Abgeordneten appelliert, bei wirtschaftlichen Verhandlungen entsprechend auf die Einhaltung der Menschenrechte im Land zu achten. Da der Stephanuskreis selbst kein eigenes Budget hat, kann von hier aus nur in einem begrenzten Rahmen agiert werden.

Bericht: Deutsche Evangelische Allianz e.V., Büro des Beauftragten am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung, Berlin