23.03.2018
Syrien: Afrin, die christenleere Stadt
Hier ein Bericht, den uns ein Nahost Kenner heute zuschickte.
Er schreibt über Afrin folgendes: „Ich kenne die Gegend und die Leute schon seit vielen Jahren, vor 10 Jahren gab es in Afrin eine Handvoll MBB-Christen, heute sind es ca. 300 allgemein bekannte Christen mit Familien, alles MBB. Vor der türkischen Offensive gab es christliche Gemeinden in Rajo, Mabatle, Jenderas und Robar, sowie die Hauptgemeinde in der Stadt Afrin. Die erstgenannten Gemeinden wurden gleich zu Beginn des Türkei-Feldzugs zusammengebombt und flohen in die Hauptstadt Afrin, wo die Christen dort sie in den Gemeinderäumlichkeiten und in den Häusern des Gemeindeleiters und anderer Christen aufnahmen. Die Bombardierungen nahmen täglich zu und es gab entgegen der türkischen Verlautbarungen leider auch hunderte zivile Opfer, Schulen und Krankenhäuser wurden beschossen sowie wertvolle Kulturgüter (z.B. der 3000 Jahre alte hetitische Tempel Tell Ain Daraa) zerstört.
Bis zuletzt, letzten Freitag fanden in Afrin Gottesdienste mit dem Hauptpastor statt, dann gab es keine Hoffnung mehr, dass die Stadt gehalten werden konnte, weil die Angreifer Elektrizität und v.a. auch die Wasserversorgung komplett gekappt hatten, sodass schliesslich auch die kurdischen Offiziellen die Zivilisten ziehen liessen, um ein grösseres Blutbad zu verhindern und sogar über Lautsprecher informierten, dass die kurdische Armee sich zurückziehen würde und jeder gehen kann.
Wir sind froh, dass alle bekannten Christen letzten Freitag-Nacht und Samstag, kurz vor Einnahme durch die arabischen Islamisten und Türken, unversehrt herauskommen konnten, aber sie konnten nur mitnehmen, was sie am Leibe tragen konnten. Die von den Türken unterstützten arabisch-islamistischen Verbände, darunter viele Al Qaeda nahestehend, haben nun die Kontrolle über die Stadt und Region übernommen. Nach türkischen Angaben handelt es sich dabei um die ursprünglichen Besitzer der Region, die in die Flüchtlings-Lager der Türkei vertrieben wurden und nun wieder zu ihrem Besitz zurückkehren. Tatsache ist, dass die Region Afrin mehrheitlich kurdisch geprägt ist und vor den Kurden und dem armenischen Genozid lebten dort armenische Christen, aber keine dieser Leute, die nun die Kontrolle übernommen haben.
(Inoffizielle Quellen berichten sogar, dass diese arabisch-sunnitischen Kämpfer in oder aus Flüchtlingslagern der Türkei ausgebildet wurden – schwer nachzuprüfen, aber es ist ein Verstoß gegen die internationale Flüchtlingskonventionen.)
Die mit den Christen befreundeten muslimischen Nachbarn, die z.Zt. noch in Afrin sind, haben berichtet, dass die arabisch-islamistischen Verbündeten der Türken die christlichen Gemeinderäume in Afrin sowie das Haus des Hauptpastors geplündert, verwüstet und mit Sprengfallen versehen haben und nach den "Murtaddin" – "vom Islam Abgefallenen" suchen. Die Nachbarn haben die Christen eindeutig gewarnt, jetzt ja nicht zurückzukehren, weil es für sie lebensgefährlich wäre. Erst Anfang Januar hat die Gemeinde in Afrin im Kulturzentrum als grossen öffentlichen Anlass den Jesusfilm vor vielen Menschen mit sehr positiven Rückmeldungen gezeigt, viele der Christen waren stadtbekannt.
Inzwischen kampieren alle Flüchtenden und Christen in sichereren Gebieten der Frontlinie zum Regime-Gebiet, auf dem Feld oder in völlig überfüllten Dörfern. Assad lässt sie nicht rein und die ansässige Bevölkerung ist völlig überfordert.
Die Afrin-Gemeindeleiter mit Unterstützung einer Kirche in Aleppo versorgen die Flüchtlinge jeden Tag und versuchen die notwendigen Hilfsgüter und Schelter/Zelte zu beschaffen.
Bitte beten Sie mit unseren Geschwistern, dass diese entwurzelten Flüchtlinge Hilfe und eine Bleibe finden. Schon die türkischen Ankündigungen, dass die Kampagne gegen kurdische Gebiete auch weiter Richtung Osten verursacht grosse Unsicherheit und wird die Flüchtlingsströme vergrössern, weil gerade diese kurdischen Gebiete in den letzten Jahren die Zufluchtsorte der meisten Binnenflüchtlinge, v.a. auch der Minderheiten geworden sind. Die internationale Gemeinschaft v.a. Europa kann kein Interesse an einer Ausweitung des Konfliktes haben und sollte deshalb in aller Schärfe für einen Stopp der Aggression öffentlich und diplomatisch einstehen."
Quelle: AKREF D-A-CH