23.07.2019

Deutschland: Grüne sind im Umgang mit dem Islam unkritisch

Journalist Wagner: In keinem Wahlprogramm findet sich ein negatives Wort

Berlin (idea) – Der Journalist Joachim Wagner hat der Partei Bündnis 90/Die Grünen einen unkritischen Umgang mit dem Islam vorgeworfen. Wie er in der Tageszeitung „Die Welt“ (Ausgabe 23. Juli) schreibt, findet sich in keinem religionspolitischen Beschluss oder Wahlprogramm ein negatives Wort über den Islam: „Kein Wort über die Ungleichbehandlung von Mann und Frau, das patriarchalische Menschenbild, die Pflege des Machokultes, Intoleranz gegenüber Andersgläubigen, islamische Paralleljustiz in der Kulisse der Strafjustiz, muslimischen Antisemitismus oder die gesellschaftliche Ächtung der Homosexualität als Sünde.“ Der Gedanke, dass weitere Zuwanderung Kindergärten, Schulen oder Stadtviertel überfordern und die Gesellschaft noch tiefer spalten könnte, tauche in der Programmatik der Ökopartei nicht auf.

Positive Grundeinstellung zur Einwanderung ist weiterhin nicht erschüttert

Der Kontrollverlust der Bundesanstalt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei der Zuwanderung, die Silvesterübergriffe 2015/2016, das durch Migration gewachsene Risikopotenzial für terroristische Gewalt und Kriminalität, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die zahllosen Brandbriefe überforderter Schulen hätten die positive Grundeinstellung der Ökopartei gegenüber der Einwanderung nicht erschüttert. Würde man alle grünen Einwände gegen die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung und der EU berücksichtigen und ihre Verbesserungsvorschläge in praktische Politik umsetzen, würden die Zuwanderungszahlen künftig wieder erheblich steigen: „durch neue Anreize zur illegalen Migration und der Eröffnung zahlreicher neuer Wege zur legalen Migration“.

Wagner: Die Grünen sitzen einer gefährlichen Illusion auf

„Am schlimmsten“ sei, so Wagner, dass die Grünen einer gefährlichen Illusion aufsäßen, nämlich durch „legale Flucht- und Migrationswege“ und ein „Einwanderungsgesetz“ illegale Zuwanderung verhindern oder erheblich verringern zu können. Jeder Flüchtling, der mit einem UNHCR-Kontingent oder einem humanitären Visum legal komme, sei nicht mehr als ein Tropfen auf einen heißen Stein: „Und jeder legale Einwanderer, der ein Ticket in das angebliche Schlaraffenland Deutschland gelöst hat, wird bei Tausenden von Landsleuten den Wunsch wecken, ihm zu folgen.“

Eine kleine Minderheit übt Kritik: Nachteile werden ausgeblendet

Die „radikal-menschliche Grundeinstellung“ der Grünen gegenüber der Zuwanderung spiegele sich auch in ihrer Haltung gegenüber Asylverfahren und Abschiebungen wider. In Wahlprogramm und Grundsatzpapieren wetterten die Grünen etwa gegen die „inhumanen Asylrechtsverschärfungen der letzten Jahre“, die die „Integration vielfach behindern“. Sie plädierten für eine „staatlich finanzierte unabhängige Asylberatung“ während der Verfahren. Diese Zuwanderungspolitik der offenen Arme werde von einer breiten Mehrheit der Grünen-Mitglieder getragen. Dagegen sei eine kleine Minderheit, etwa der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer und die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Säkulare Grüne. Einen BAG-Mitbegründer, den Politologen Paul Nellen, störe, dass die grüne Mehrheit „Einwanderung nur als Bereicherung versteht und nicht über Konflikte im Zusammenhang mit der Einwanderung redet: Die Nachteile werden ausgeblendet.“

Die Partei hat die am wenigsten islamkritische Wählerschaft

Nach der repräsentativen Leipziger Autoritarismus-Studie 2018 hat die Partei Wagner zufolge die zuwanderungsfreundlichste und am wenigsten islamkritische Wählerschaft. Der öffentlich dargestellte Konsens der Ökopartei in der Flüchtlings- und Integrationspolitik sei allerdings brüchiger, als es scheine. Alle Gesprächspartner berichteten, dass viele Mitglieder und Funktionäre Angst um ihre Karriere haben, wenn sie Kritisches über die Zuwanderungspolitik oder den Islam anmerken. Wagner: „Nichts schadet im grünen Milieu mehr, als in die rechte Ecke gestellt zu werden.“ Einziger Lichtblick sei das sogenannte Beck/Özdemir-Papier, das 2015 den unkritischen Umgang mit dem orthodoxen Verbandsislam beendet und festgestellt habe, dass die vier großen muslimischen Verbände – DITIB, Islamrat, Zentralrat der Muslime und der Verband islamischer Kulturzentren (VIKZ) – keine „Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes“ seien. Wagner: „Dieser Kurswechsel gegenüber dem Verbandsislam hat sich aber nicht auf die Grundhaltung des grünen Mainstreams gegenüber dem Islam ausgewirkt.“