04.10.2022

Deutschland: Ampel - Keine Religionszugehörigkeit im Personenstandsregister

Kritik: Eintrag hat für viele Menschen große Bedeutung

Berlin (IDEA) – Die Ampelkoalition will den Eintrag der Religionszugehörigkeit aus dem Personenstandsregister streichen. Das geht aus einem Entwurf der Bundesregierung für das Dritte Gesetz zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften hervor. Begründet wird die Änderung mit der erhofften Entlastung der Standesbeamten. Der Personenstand beschreibe ohnehin lediglich die sich „aus den Merkmalen des Familienrechts ergebende Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung einschließlich ihres Namens. Die Religionszugehörigkeit ist somit kein den Personenstand eines Menschen kennzeichnendes Element. Die Aufnahme der Religionszugehörigkeit in staatliche Personenstandsregister war deshalb bis 2009 vom Einverständnis der Betroffenen abhängig und ist seit der Personenstandsrechtsreform im Jahre 2009 freiwillig. Die Freiwilligkeit der Registrierung ist Ausdruck der negativen Bekenntnisfreiheit und deshalb jederzeit auf Wunsch des Betroffenen wieder zu streichen.“ Die Eintragung der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft habe deshalb „keine Auswirkungen auf die Verwaltung oder Finanzierung der betroffenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts ihre Mitglieder selbst registrierten. Deshalb erscheine sowohl die Beurkundung der Religionszugehörigkeit in den Personenstandsregistern als auch „das privilegierte Benutzungsrecht der Personenstandsregister zu Gunsten der Religionsgemeinschaften für ihre Mitglieder inzwischen verzichtbar“.

Erleichterungen für die Verwaltung

Der Vorsitzende des Fachverbandes der Standesbeamten von Berlin, Volker Weber, begrüßte die geplante Gesetzesänderung. Bei einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat wies er darauf hin, dass es vielen Menschen, deren Religionsgemeinschaften nicht die geforderte körperschaftliche Organisationsform hätten, bislang gar nicht möglich sei, ihre Religionszugehörigkeit einzutragen. „Momentan haben Standesbeamte laufend Diskussionen mit Antragstellern, warum bestimmte Religionen nicht eingetragen werden können.“ Entweder schwenke man auf eine Eintragung „auf Zuruf“ der Betroffenen um „ohne valide Daten“ oder streiche diese Rubrik aus dem Personenstandsregister. Ihm falle kein anderen EU-Land ein, in dem die Religionszugehörigkeit in das Personenstandsregister eingetragen werde. „Ich glaube nicht, dass der Wegfall zu erhöhten Diskussionen im Standesamt führen wird“, so Weber.

Das hätte Signalwirkung

Der Professor für Öffentliches Recht, Kirchenrecht und Staatskirchenrecht an der Georg-August-Universität in Göttingen, Hans Michael Heinig, unterstrich in seiner Stellungnahme vor dem Ausschuss zwar, dass die Religionszugehörigkeit nicht ins Personenstandswesen gehöre. Er wies aber zugleich auf die Signalwirkung hin, die eine Streichung für die Bürger habe. Für viele sei das religiöse Bekenntnis Teil ihrer Identität, die sie auch gegenüber dem Staat aktenkundig machen wollten. Wenn man aus religionspolitischen Gründen für eine Erhaltung der Religionsangabe im Personenstandsregister argumentiere, müsse man diese Möglichkeit aber auch anderen Religionsgemeinschaften eröffnen und dies nicht nur den etablierten rechtlichen Körperschaften gewähren. Der Professor für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Winfried Kluth, betonte die Bedeutung des Eintrags der Religionszugehörigkeit. Damit könne der Einzelne sein Verhältnis zum Staat zum Ausdruck bringen. Der Gesetzgeber solle sorgsam damit umgehen und sich gut überlegen, ob er für eine mit nur 200.000 Euro pro Jahr bezifferte Ersparnis eine kulturell offensichtlich so bedeutsame Änderung vornehmen wolle, ja beiläufig etwas abräume wolle, das für viele Betroffene von hoher Bedeutung sei.

 

Union: Ampel-Koalition untergräbt das bewährte Verhältnis von Staat und Kirchen

Kritik an dem Entwurf kommt von der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Der Fachsprecher der Fraktion für Staatsorganisation, Philipp Amthor, erklärte, dass die Regierung die Religion mit diesem Entwurf „immer weiter ins Private zurückdrängen“ wolle. „Im Personenstandsrecht hat sie deshalb eine bewusste Schlechterstellung von Religionsgemeinschaften herbeigeführt. Der sachlichen Kritik der Union und der Kirchen konnte sie lediglich das schwache Argument einer diffusen Kostenersparnis entgegnen.“ Das sei „ein Affront gegenüber großen Bevölkerungsgruppen“, die bisher umfangreich vom freiwilligen Religionseintrag im Geburtenregister, im Eheregister (jeweils etwa 50 Prozent) oder im Sterberegister (rund 80 Prozent) Gebrauch gemacht hätten. Für viele Bürger sei ein solcher Eintrag nicht nur ein Bekenntnis im Rahmen ihrer positiven Religionsfreiheit, sondern auch ein Ausdruck ihrer Identität. „In diesem Zusammenhang erstaunt es, dass ausgerechnet eine Koalition, die etwa in Geschlechterfragen für eine identitätspolitische Selbsterklärungsfreiheit in Registern wirbt, nun die Religion als Merkmal personaler Identität aus den Personenstandsregistern streicht.“ Auch der Fachsprecher der Fraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Thomas Rachel, lehnt die Änderung ab: „Über Jahrhunderte waren vor allem die Kirchenregister die Eckpfeiler des deutschen Registerrechts. Es gibt keinen plausiblen Grund, diese etablierte Verbindung von Personenstand und Religion jetzt anlasslos aufzuheben.“ Anstatt die Erklärungsmöglichkeit zu streichen, hätte man sie stattdessen auch für andere Religionsgemeinschaften öffnen können. „Der Ampel ging es aber wohl zu keinem Zeitpunkt um eine religionsfreundliche Lösung, sondern nur um ein Zurückdrängen der Religionsgemeinschaften. Damit untergräbt die Ampel-Koalition das bestehende und bewährte Verhältnis von Staat und Kirchen.“