16.09.2022

Deutschland: Erstmals „Gnadauer“ Erklärung zum Verhältnis zu Juden

Der Dachverband betont seine Verbundenheit mit den messianischen Juden

Baunatal (IDEA) – Der Evangelische Gnadauer Gemeinschaftsverband hat erstmals in seiner über 130-jährigen Geschichte eine Erklärung zum Verhältnis von Christen und Juden veröffentlicht. Darin bekennt sich die pietistische Dachorganisation zur bleibenden Erwählung Israels als Volk Gottes, benennt die eigene Schuldgeschichte gegenüber Juden und wendet sich entschieden gegen jede Form des Antisemitismus. In dem Papier knüpft der Verband an Erklärungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an und betont besonders seine Solidarität mit messianischen Juden. Sie glauben an Jesus Christus als Messias und sehen sich dem jüdischen Volk zugehörig. „Wir achten und schätzen sie als unsere Schwestern und Brüder“, heißt es in der Erklärung des Verbandes, die dessen Mitgliederversammlung am 16. September in Baunatal bei Kassel bestätigt hat. Es sei Aufgabe der Kirche, messianische Gruppen und Kreise zu unterstützen und Verbundenheit mit ihnen zu leben. Diese Verbundenheit schließe einen Raum für einen kritischen Dialog nicht aus. Weiter heißt es: „Dennoch kann und darf es keinen prinzipiellen Ausschluss von messianischen Juden aus kirchlichen Veranstaltungen oder Räumen geben oder gar eine grundsätzliche Verweigerung christlicher Gemeinschaft.“ Nur durch regelmäßige Begegnungen und das Hören aufeinander könne mehr Verständnis füreinander wachsen.

Jeder Form von Judenfeindschaft widerstehen

Die Erklärung des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes trägt die Überschrift „Von Gottes Treue getragen“. Darin heißt es weiter: „Als Christen stehen wir an der Seite der Juden und achten sie in Demut und Respekt als Gottes erwähltes Volk. Jeder Form von Judenfeindschaft oder Antisemitismus widersprechen und widerstehen wir in Solidarität mit dem jüdischen Volk.“ Allzu oft habe insbesondere auch die Kirche vergessen und missachtet, dass sie ihren Grund in der Erwählung Gottes habe, die zuerst Israel gelte. Im Blick auf die Geschichte heißt es: „Mit tiefer Beschämung erkennen wir unsere Mitverantwortung und Mitschuld an den Verbrechen gegenüber dem jüdischen Volk durch die Jahrhunderte und ein Versagen der Kirche in der Schoa des 20. Jahrhunderts.“ Dies gelte auch für die Gnadauer Gemeinschaftsbewegung. „Als Christen in Deutschland erkennen wir in unserer Geschichte eine besondere Schuld, mit der eine besondere Verpflichtung für Gegenwart und Zukunft einhergeht.“ Man setze sich für die weltweite Anerkennung des Staates Israel ein. „Wir wissen uns in besonderer Weise mit Israel, aber auch mit palästinensischen und arabischen Christen verbunden.“

Ja zum Christuszeugnis – Nicht zum Religionswechsel auffordern

In der Erklärung plädiert der Gnadauer Verband ferner dafür, in der Begegnung mit Juden Jesus Christus als Messias Israels und Heiland der Welt zu bezeugen. Zugleich unterlasse man alle Bemühungen, Juden zum Religionswechsel zu bewegen, heißt es unter Bezug auf eine „Kundgebung“ (Erklärung) der EKD-Synode aus dem Jahr 2016. Als Gottes bleibend erwähltes Volk seien Juden „nicht den sogenannten Heidenvölkern als Adressaten der Völkermission gleichzustellen“, so die Gnadauer Erklärung.

Präses Kern: „Klare Kante“ gegen Antisemitismus

Der Präses des Dachverbandes, Pfarrer Steffen Kern (Walddorfhäslach bei Reutlingen), sagte in der Mitgliederversammlung, mit der Erklärung zeige man „klare Kante“ gegen Antisemitismus. Der Evangelische Gnadauer Gemeinschaftsverband mit Sitz in Kassel umfasst knapp 90 Mitgliedsverbände und -werke. Er ist damit die größte eigenständige Bewegung in der EKD. Als Gründungsjahr des Verbandes gilt 1888, als die erste „Pfingstkonferenz“ der Gemeinschaftsbewegung in Gnadau bei Magdeburg stattfand.