18.01.2023

Weltweit: Zum Weltverfolgungsindex - Gewalt gegen Christen auf dem Höchststand

Open Doors: Besonders Christen in Afrika und Südamerika sind betroffen

Kelkheim (IDEA) – Das Ausmaß der weltweiten Christenverfolgung ist weiterhin auf einem Höchststand: Mehr als 360 Millionen Christen sind einem extremen oder hohen Maß an Verfolgung ausgesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt das überkonfessionelle Hilfswerk Open Doors (Kelkheim bei Frankfurt am Main) in seinem am 18. Januar veröffentlichten Weltverfolgungsindex 2023 (WVI). Dabei führt Nordkorea die Liste der Länder, in denen Christen am stärksten verfolgt werden, erneut an. Es hatte von 2002 bis 2021 bereits Platz eins belegt und war dann 2022 von Afghanistan abgelöst worden. Afghanistan belegt jetzt Platz neun. Open Doors erklärt dies zum einen mit einer erneuten Verschlechterung der Lage für Christen in Nordkorea aufgrund neuer Gesetze und zum anderen mit einer schlechten Datenlage in Afghanistan. So sei bei den „Säuberungsaktionen“ der Taliban im Berichtzeitraum des WVI 2023 (1. Oktober 2021 bis 30. September 2022) nicht immer deutlich gewesen, ob Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihres Glaubens Gewalt erlebten. Zudem seien viele Christen bereits ins Ausland geflohen oder versteckten sich, was die Zahl der Übergriffe geringer ausfallen lasse. Die Lage der Christen in Afghanistan habe sich nicht verbessert – sie sei schlicht unübersichtlich und wirke sich damit auf die Platzierung auf dem WVI aus. Auf den folgenden Plätzen des Index hat sich 2023 gegenüber dem Vorjahr nur wenig verändert: 2. Somalia (2022: 3), 3. Jemen (5), 4. Eritrea (6), 5. Libyen (4), 6. Nigeria (7), 7. Pakistan (8), 8. Iran (9), 9. Afghanistan (1) und 10. Sudan (13).

Gewalt in der Subsahara-Region gegen Christen stärker geworden

In der Subsahara-Region Afrikas ist die Gewalt gegen Christen erneut stärker geworden und folgt damit einer Entwicklung die seit einigen Jahren anhält. Unter den 50 Ländern des Index befinden sich allein 13 aus diesem Gebiet. In neun von ihnen beurteilt Open Doors die Gewalt gegen Christen als extrem. An der Spitze liegt Nigeria. Im Berichtzeitraum wurden dort 5.014 Christen getötet und 4.726 entführt. Nigerianische Christen seien überproportional von Angriffen auf Dörfer und Ermordungen betroffen. Weiter heißt es: „Die weitaus häufigere Zerstörung von Kirchen gegenüber Moscheen komplettiert das Bild von der gezielten Vertreibung und Auslöschung der christlichen Bevölkerung.“ Laut Open Doors seien es islamistische und andere bewaffnete Gruppen in der Subsahara-Region, die gezielt Dörfer mit mehrheitlich christlicher Bevölkerung angriffen und ihre Bewohner vertrieben. Nicht selten solidarisierten sich auch ihre muslimischen Nachbarn mit den Angreifern. Die oft schwachen und korrupten Regierungen setzten dieser Entwicklung kein Ende.

 

Nicaragua erstmals im Weltverfolgungsindex

Auch die Lage der Christen Lateinamerika hat sich im vergangenen Jahr massiv verschlechtert. Erstmals ist Nicaragua (50) im WVI vertreten. Die bereits zuvor vertretenen lateinamerikanischen Länder Kolumbien (22, 2022: 30), Kuba (27, 37) und Mexiko (38, 43) rückten auf dem Index in der Platzierung vor. In Nicaragua habe der zunehmend autokratisch regierende Präsident José Daniel Ortega Saavedra versucht, kritische Stimme mundtot zu machen. Kirchengebäude seien dabei bevorzugtes Ziel von Zerstörung geworden, da die Stimme der Kirchen in der Bevölkerung großen Einfluss habe. Doch auch christliche Fernsehsender und Hochschulen seien geschlossen worden. Die verschlechterte Lage von Christen in Lateinamerika sei aber im Allgemeinen darin begründet, dass „korrupte und unfähige Regierungen kriminellen Gruppen und ethnischen Führern vor allem in ländlichen Regionen Raum gegeben haben, sich zu formieren, zu stärken und zu Verfolgern zu werden“.

China als Vorbild für andere autokratische Staaten

Das kommunistisch regierte China rückt in der WVI-Liste erneut um einen Platz vor (16, 2021: 17). Nach Angaben von Open Doors ist es erneut das Land, in dem weltweit die meisten Kirchen und kirchlichen Einrichtungen zerstört oder geschlossen wurden. Zudem hat das autokratische Regime im März 2022 ein neues Gesetz verabschiedet, das die Veröffentlichung religiöser Inhalte im Internet nur noch mit staatlicher Lizenz erlaubt. Ohne diese droht nun offiziell strafrechtliche Verfolgung. Damit sind die seit der Pandemie verstärkt durchgeführten Onlinegottesdienste oder das Onlinestellen christlicher Lehrmaterialien oft nicht mehr erlaubt. Auch die häufig genutzte Möglichkeit, auf digitalem Wege zu evangelisieren oder Predigten als Sprachnachrichten zu versenden, seien mit dem neuen Gesetz zunehmend mit Risiken verbunden, so Open Doors. Andere autokratisch regierte Regime gingen ähnlich vor. So erlaube Tadschikistan (44) keine Registrierung weiterer Kirchen und verbiete die Teilnahme Minderjähriger an Gottesdiensten. Doch auch Länder wie Russland (61), Sri Lanka (62), Malaysia (43), Myanmar (14), Kasachstan (48) und Turkmenistan (26) ahmten Chinas autoritären Führungsstil nach. In Myanmar etwa habe die Armee der Regierung mehrere Kirchen – darunter eine der größten landesweit – und hunderte Häuser von Christen zerstören lassen, weil sie angeblich die nationale Einheit bedrohten.

Naher Osten: Junge Christen wandern aus

In nahöstlichen Ländern wie Syrien (12), Irak (18), Jordanien (49) und den Palästinensischen Gebieten (57) schrumpft die christliche Bevölkerung weiter. Vor allem in Syrien und dem Irak hätten Christen nach dem Aufkommen des sogenannten Islamischen Staates (IS) und der Verbreitung islamistischen Gedankenguts Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das gelte besonders für junge Christen. Zusammen mit täglicher Schikane im Bildungswesen und bei den Behörden, befördere es ihren Wunsch, auszuwandern. Der überwiegend von Christen bewohnte Nordosten Syriens wird immer wieder von der Türkei (41) angegriffen. Dutzende Kirchen, christliche Friedhöfe, Schulen und andere wichtige Gebäude seien schwer beschädigt worden, heißt es im Bericht.

30 Jahre Weltverfolgungsindex von Open Doors

Der WVI erscheint in diesem Jahr zum 30. Mal. Dazu erklärte der Leiter von Open Doors Deutschland, Markus Rode (Kelkheim bei Frankfurt am Main): „Es ist besonders für die betroffenen Christen wichtig, dass gegen sie begangenes Unrecht dokumentiert wird und sie nicht ungehört bleiben.“ Gleichzeitig erhielten sie Trost durch Gebet und materielle Unterstützung, weil Christen weltweit anhand des Indexes beteten.

Wie die Rangliste entsteht

Die Forschungsabteilung von Open Doors sammelt Daten in fünf Lebensbereichen: Privatleben, Familienleben, gesellschaftliches Leben, Leben im Staat und kirchliches Leben. Hinzu kommt die Kategorie „Gewaltsame Übergriffe“. Das Ausmaß der Übergriffe wird für alle Bereiche in ein Punktesystem übertragen, um die unterschiedlichen Triebkräfte der Verfolgung in diesen Bereichen vergleichen zu können. Die Forschungsabteilung hat insgesamt neun Triebkräfte definiert, die gewaltsame und gewaltlose Verfolgung von Christen beschreiben: Kommunistische Unterdrückung, säkulare Intoleranz, diktatorische Paranoia, organisierte Verbrechen und Korruption, ethnische-religiöse Feindseligkeit, Unterdrückung durch den Clan/Stamm, konfessioneller Protektionismus, religiös motivierter Nationalismus und islamische Unterdrückung.

Wie Open Doors Verfolgung definiert

Open Doors verweist darauf, dass es keine allgemein anerkannte rechtliche Definition des Begriffes Verfolgung gebe. Die WVI-Methodik folge „eher einer theologischen als einer soziologischen oder juristischen Definition“. Nach diesem Ansatz sei Verfolgung definiert als „jegliche Art von erlebter Anfeindung aufgrund der Identifikation einer Person mit Christus. Dies kann feindselige Haltungen, Worte und Handlungen gegenüber Christen umfassen.“ Open Doors steht verfolgten Christen seit mehr als 65 Jahren in rund 70 Ländern mit Hilfsprojekten zur Seite und ruft zum Gebet für verfolgte Christen auf.