17.09.2023

Deutschland: 7.000 Lebensschützer beim „Marsch für das Leben“

Massive Störungen in Köln durch Gegendemonstranten

Berlin/Köln (IDEA) – Am „Marsch für das Leben“ am 16. September in Berlin und Köln haben nach Angaben der Veranstalter insgesamt rund 7.000 Personen teilgenommen. In der Rheinmetropole fand er zum ersten Mal statt. Dort gingen laut dem Bundesverband Lebensrecht (BVL) 2.800 Teilnehmer auf die Straße. Der Marsch in Köln wurde massiv durch Gegendemonstranten aus der linksradikalen und queer-feministischen Szene gestört. Aufgrund von Sitzblockaden musste der Zug der Lebensschützer immer wieder stoppen. Die Polizei leitete den Marsch nach rund zwei Stunden zurück zum Kundgebungsplatz. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) ergriff Partei für die Gegendemonstranten. Sie schrieb auf Facebook: „Letztlich kann es beim heutigen ‚Marsch für das Leben’ in Köln nur darum gehen, dass Frauen die Verfügungsgewalt über ihren Körper und ihre Gesundheit nicht überlassen werden soll. Das steht niemandem zu. Ich finde es gut, dass sich viele Kölnerinnen und Kölner dem entgegenstellen.“ BVL-Vorstandsmitglied Prof. Paul Cullen (Castrop-Rauxel) sprach dennoch von einem „großen Erfolg“, da die Teilnehmerzahl die Erwartungen übertroffen habe. Der BVL hatte mit 2.000 Teilnehmern in Köln gerechnet. Cullen ist Vorsitzender der Vereinigung „Ärzte für das Leben“. Er forderte in Köln unter anderem, die Gewissensfreiheit für Ärzte aufrechtzuerhalten, die keine Abtreibungen durchführen wollen. In Berlin übte die Vorsitzende des BVL, Alexandra Maria Linder (Willich), bei der Kundgebung scharfe Kritik an einer frauenfeindlichen Politik in Deutschland: „Wenn staatlich finanzierte Beratungsorganisationen selbst an Abtreibung Geld verdienen und Kinder vor der Geburt als Gebärinhalt bezeichnen, dann werden die Frauen belogen, und Hilfe wird ihnen verweigert.“ Der Abtreibungsdruck auf Schwangere sei immens. Frauen in Schwangerschaftskonflikten brauchten Schutz und Hilfe. Dies gelte auch für Alte, Einsame und Kranke. Es gelte, ihnen beizustehen, sie zu pflegen und beim Sterben zu begleiten. Aber man dürfe sie auf keinen Fall dabei unterstützen, sich zu töten. „Das ist menschenunwürdig“, so Linder angesichts der Debatte um den assistierten Suizid.

Ein Blick in die Niederlande

Der Direktor der niederländischen Organisation „Schreeuw om Leven“ (Schrei nach Leben), Arthur Alderliesten, sprach über das Thema Abtreibungen in den Niederlanden. Seit 1984 gelte das Gesetz, dass bei einer ungewollten Schwangerschaft in einer Notsituation eine Tötung des Kindes vorgenommen werden könne. „Was genau eine Notsituation ist, ist unklar“, so Alderliesten. Das Baby dürfe bis zu 24. Schwangerschaftswoche abgetrieben werden. Dafür müsse die Schwangere keine Klinik besuchen, sondern könne auf Rezept eine Abtreibungspille „beim Hausarzt um die Ecke“ bekommen. Jedes Jahr kämen laut Alderliesten etwa 30.000 Schwangere in die Niederlande, um eine Abtreibung durchführen zu lassen.

Kanadischer Lebensschützer: „Stellt euch der Euthanasie entgegen!“

Der Gründer und geschäftsführende Direktor der kanadischen „Euthanasia Prevention Coalition“ (Koalition zur Euthanasie-Prävention), Alex Schadenberg, sprach über die Situation in seinem Land. Dort sind Tötung auf Verlangen und assistierter Suizid seit 2016 erlaubt. Zu Beginn habe es geheißen, dass sie nur bei wenigen begrenzten Fällen angewendet werde. Schadenberg rief die Deutschen auf: „Stellt euch der Euthanasie entgegen. Schaut nach Kanada, dort ist Euthanasie aus dem Ruder gelaufen. Auch wenn die Politiker sagen werden, dass es dabei um Freiheit, Selbstbestimmung und Autonomie geht. Das ist nicht wahr: Es geht um’s Töten.“

Linder: „Wir waren alle friedlich und sachlich“

Die BVL-Vorsitzende Linder zog ein positives Fazit des Marsches in Berlin. Gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA sagte sie: „Die Stimmung war super. Es waren viele junge Leute und auch Familien dabei. Unsere Bewegung wächst. Wir waren alle so friedlich und sachlich, dass kein einziges diffamierendes Wort aus unseren Kreisen gefallen ist.“ Linder würde es begrüßen, wenn der nächste „Marsch für das Leben“ auch in weiteren Städten stattfinden würde. In Berlin hatten wie in Köln zahlreiche Gruppen zu Gegendemonstrationen aufgerufen. An der größten in der Bundeshauptstadt nahmen laut der Polizei rund 400 Personen teil. Militante Gegner des Marsches werden hinter einer Attacke auf die Kirche der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Berlin-Mitte vermutet. In der Nacht zum 16. September beschmierten Unbekannte die Kirche und beschädigten eine Tür. Dort fand am Samstagmorgen ein Gottesdienst aus Anlass des „Marsches für das Leben“ statt. Die Gemeinde gehört zur Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK).

 

Steeb: Vor dem Marsch auf Gott ausrichten

Der ehemalige Generalsekretär der Evangelischen Allianz in Deutschland, Hartmut Steeb (Stuttgart), sagte im Gottesdienst: „Bevor wir uns hinausbegeben in die Öffentlichkeit, sammeln wir uns gemeinsam vor dem dreieinen Gott. Bevor wir reden, hören wir auf ihn und sein Wort. Bevor wir loslaufen, richten wir erst unseren Kompass aus.“ Weiter betonte er, dass jedes Menschenleben auf einem Ja von Gott beruhe: „Selbst wenn uns in dieser Welt niemand lieben, achten, schützen und wertschätzen würde: Der lebendige Gott hat sein Ja gesagt. Darin liegt unsere Menschenwürde. Und das gilt für jeden Menschen, von der Zeugung bis zu seinem natürlichen Ende.“

Pfarrer: Finger weg von der Werkstatt des Schöpfers!

Gemeindepfarrer Johann Hillermann sagte in seiner Predigt: „Der Mensch ist nicht Schöpfer, sondern Geschöpf.“ Er mahnte: „Der Mutterleib ist die Werkstatt Gottes. Finger weg von der Werkstatt des Schöpfers!“ Der Mutterleib stehe für die „große Wahrheit“, dass kein Mensch sich selbst geschaffen habe, sondern dass es einen Schöpfer gebe. Hillermann: „Das verbindet uns, und wer unter Gott, seinem Schöpfer lebt, erkennt das in jedem seiner Mitmenschen.“ Diese Wahrheit werde jedoch „täglich, stündlich“ von den Menschen missachtet, so der Pfarrer. Das zeigten die Zahlen der Statistik. „Sie schreien zum Himmel. Und der Himmel hört sie.“ Zum Hintergrund: Jährlich werden dem Statistischen Bundesamt über 100.000 Abtreibungen gemeldet.

Weihbischof: Was für ein Drama!

Ein weiterer Gottesdienst fand in der katholischen Kirche St. Marien am Behnitz statt. Auch hier waren in der Nacht vor dem Marsch Unbekannte am Werk: Sie beschmierten die Tür mit Bauschaum und beschädigten das Schloss des Hauptportals, heißt es in einer Pressemitteilung der Kirchengemeinde. Noch am Morgen habe die Polizei die Anzeige der Kirchengemeinde aufgenommen. Der Zugang zur Kirche sei problemlos möglich gewesen. Dabei fragte der Weihbischof Florian Wörner (Augsburg) in seiner Predigt. „Wie gehen wir mit den Kleinsten um, die noch nicht das Licht der Welt erblickt haben?“ Über 27.000 Babys seien zwischen April und Juni diesen Jahres abgetrieben worden: „Was für ein Drama! Eine Niederlage der Menschlichkeit!“ Dies könne nicht einfach so hingenommen werden. „Wir möchten unsere Stimme erheben für die Kleinen, die keine Stimme haben.“ Es gelte nun, Farbe zu bekennen, dass das menschliche Leben keine Sache ist, die man „beherrschen, besitzen oder ablehnen“ kann. Stattdessen sei das Leben vom ersten Moment im Mutterleib bis zum letzten Atemzug heilig und unverfügbar. „Als Gläubige verdanken wir uns der Schöpferliebe Gottes. Wir kommen aus seiner guten Hand.“ Jesus Christus identifiziere sich mit den Kleinsten und Schwächsten.