02.12.2024
Deutschland: Debatte über gleichgeschlechtliche Trauungen in Synode
Württemberg: Das Kirchenparlament soll im Sommer 2025 darüber entscheiden
Stuttgart (IDEA) – Die württembergische Landessynode hat am 29. November in Stuttgart über die kirchliche Trauung gleichgeschlechtlicher Paare debattiert. Sie können in Württemberg bisher gesegnet, aber nicht getraut werden. Grundlage ist der Beschluss der Landessynode vom März 2019. Er ermöglicht Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Partner in bis zu einem Viertel der Kirchengemeinden Vorausssetzung ist, dass drei Viertel der Mitglieder eines Kirchengemeinderats und der ihm angehörenden Pfarrer eine öffentliche Segnung befürworten. Der Synodale Hans-Ulrich Probst (Tübingen) von der linksliberalen „Offenen Kirche“ lobte während der Aussprache die Vielfalt, die in Deutschland heute gelebt werde – „auch was die Formen des Zusammenlebens angeht. Für manche mag diese Vielfalt Ausdruck von Sittenverfall, vielleicht gar von Krankheit sein.“ Für viele Menschen bedeute sie aber weniger Zwang, weniger Druck, mehr Freiheit und mehr Selbstbestimmung. Deshalb bedauere er, dass in Württemberg bisher keine kirchlichen Trauungen gleichgeschlechtlicher Paare erlaubt seien. Es könne doch nicht in Stein gemeißelt sein, „dass homosexuell Liebende bei einem Segnungsgottesdienst wie Konfirmanden einzeln gesegnet werden sollen“, wie es die entsprechende Handreichung vorsehe. Pfarrerin Antje Fetzer-Kapolnek (Weinstadt bei Stuttgart/„Offene Kirche“) betonte, dass sie sich „von keinem Gesetz abhalten“ lassen werde, Menschen zu verheiraten. Sie bekannte in diesem Zusammenhang, bereits ein homosexuelles Paar „widerrechtlich“ vermählt zu haben.
„Das ist ein fauler Kompromiss“
Pfarrer Burkhard Frauer (Ditzingen bei Stuttgart) von der Mitte-Gruppierung „Evangelium und Kirche“ erklärte, dass für ihn und die anderen Befürworter der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare nur deren Einführung genügen werde. Die bisherige Regelung sei aus ihrer Sicht ein „fauler Kompromiss“. Da die Gegenseite jedoch ebenfalls darauf beharre, dass in der Kirche nur die Trauung von Mann und Frau erlaubt sein dürfe, plädiere er dafür, zwei verschiedene Eheverständnisse nebeneinander gelten zu lassen. Frauer bat daher darum, ein entsprechendes Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode zu beschließen. Er wisse im Übrigen aus Gesprächen, dass für nicht wenige Synodale die Traufrage der Grund gewesen sei, überhaupt für das Kirchenparlament zu kandidieren. Zum Hintergrund: Am 30. November 2025 wird in Württemberg eine neue Landessynode gewählt.
Die Kirche sollte sich an der gesetzlichen Regelung in der BRD orientieren
Die Synodale Anja Faißt (Ludwigsburg) von der Reforminitiative „Kirche für morgen“ plädierte ebenfalls für die Einführung der Trauung homosexueller Paare. Die Bundesrepublik sei mit der Einführung der „Ehe für alle“ im Jahr 2017 einen wichtigen Schritt gegangen. Die geltende Regelung in der Landeskirche aus dem Jahr 2019 entspreche weder der gesetzlichen Lage noch der Realität in der Kirche und schließe weiterhin Menschen aus. „Die Grundlage einer christlichen Perspektive auf die Ehe ist meiner Meinung nach nicht die Geschlechtlichkeit, sondern die Liebe, die Zuneigung, die Fürsorge, Verantwortungsübernahme füreinander und die Bereitschaft, ein Leben gemeinsam zu gestalten.“
„Lebendige Gemeinde“: Den Kompromiss nicht schon wieder aufkündigen
Der Sprecher des theologisch konservativen Gesprächskreises „Lebendige Gemeinde“, Pfarrer Matthias Hanßmann (Horb am Neckar), trug ein Votum seines Gesprächskreises vor, der als einziger am geltenden Kompromiss festhalten will: „Wir unterstützen zum jetzigen Zeitpunkt keine Fortschreibung mit kirchenrechtlichen Folgen, die eine Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglicht.“ Die „Lebendige Gemeinde“ sehe sich in ihrer Haltung mit dem württembergischen Pietismus, einem großen Teil der theologisch konservativen Christen und der weltweiten Christenheit verbunden. Nicht wenige Kirchenmitglieder seien mit dem geltenden Kompromiss nicht zufrieden und wünschten sich eine Rückkehr zum Zustand vor dem 23. März 2019 zurück. Gleichzeitig gebe es diejenigen, die ihn aufkündigen wollten, um die Trauung Homosexueller zu ermöglichen. Das jedoch lehne die „Lebendige Gemeinde“ ab.
Es gibt auch enthaltsam lebende homosexuelle Christen
Die Synodale Gabriele Schöll (Aalen/„Lebendige Gemeinde“) verwies auf das Buch „Weil ich es will. Homosexualität. Wandlungen. Identität“, das die Lebensberichte von 39 Christen enthält, die ihre homoerotischen Neigungen hinterfragten. Sie schilderte, dass sich homosexuell empfindende Menschen ihrer Neigung keineswegs immer sicher seien. Viele erlebten sie auch als wandelbar oder verliebten sich in einen gegengeschlechtlichen Partner. Es gebe zudem homosexuelle Christen, die sich am Vorbild Jesu orientierten und enthaltsam lebten. Aus ihrer Arbeit als Ärztin kenne sie zudem selbst viele, die unter einer inneren Zerrissenheit litten. „Solchen Menschen wird ja jetzt offiziell Therapie verweigert.“ Es sei in Deutschland teilweise schon strafbar, wenn man ihnen helfen wolle. Schöll verwies außerdem darauf, dass die weltweite Christenheit seit 2.000 Jahren am traditionellen Eheverständnis festgehalten habe.
Landesbischof: Trauung gleichgeschlechtlicher Paare ermöglichen
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl (Stuttgart) bekundete seine Zustimmung für die Einführung der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare. Viele Menschen könnten die bisherige Regelung ohnehin nicht nachvollziehen. Der Unterschied zwischen einer Segnung und einer Trauung sei den Gottesdienstbesuchern meist ohnehin nicht hinreichend ersichtlich. Er werde deshalb dem Beschluss des Rechtsausschusses der Landessynode vom 11. April 2024 nachkommen und eine entsprechende Arbeitsgruppe im Oberkirchenrat einsetzen. Sie solle bis zur Sommersynode 2025 einen Gesetzesentwurf vorlegen, der eine Trauung gleichgeschlechtlicher Ehepaare ermögliche. Von zentraler Bedeutung müsse dabei der gesetzlich verankerte Gewissensschutz sein, der Pfarrern das Recht einräume, eine Trauung gleichgeschlechtlicher Ehepaare aus Gewissensgründen abzulehnen. „Im Blick auf den zu entwickelnden Gesetzentwurf haben wir als Kirche auch die Chance, positiv stilbildend für unsere Gesellschaft zu wirken.“ Denn gerade in Fragen, in denen unterschiedliche Überzeugungen aufeinanderträfen, erlebe er derzeit die Tendenz, eindeutige Antworten formulieren zu wollen. „Diese Antworten betonen den Unterschied und definieren Grenzen – schwarz oder weiß, entweder-oder. Als Christ glaube ich, dass in Christus und in seiner Gemeinde viele der Unterschiede, die wir machen, längst überwunden sind. Dass also viel seltener das Entweder-oder gefragt ist, sondern viel mehr das Sowohl-als-auch.“ Die Landessynode tagt noch bis zum 30. November. Sie hat 91 Mitglieder. Im Gegensatz zu allen anderen Landeskirchen werden die württembergischen Synodalen per Urwahl direkt von den Kirchenmitgliedern gewählt. Die württembergische Landeskirche ist mit knapp 1,77 Millionen Mitgliedern in 1.169 Gemeinden die fünftgrößte EKD-Gliedkirche.