10.12.2024

Syrien: Menschenrechtler fordern Schutz für Minderheiten

Wie Christen auf den Sturz von Baschar al-Assad reagieren

Damaskus/Göttingen (IDEA) – Nach dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad in Syrien ist die Situation in vielen Regionen des Landes noch unüberschaubar und die Unsicherheit groß. Ein von Islamisten angeführtes Rebellenbündnis hatte am 8. Dezember die Macht in Damaskus übernommen. Diktator Assad hat mit seiner Familie Asyl in Russland erhalten. Seit dem Beginn des Bürgerkrieges in Syrien 2011 haben nach Schätzungen mehr als eine halbe Million Menschen ihr Leben verloren.

Sorgenvoller Blick

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (Göttingen) blickt sorgenvoll in die Zukunft. Denn „die Islamisten, die nun die Macht übernehmen wollen, warten auf Rache oder darauf, endlich einen islamistischen Staat in Syrien zu errichten“, erklärte der Nahostreferent der Menschenrechtsorganisation, Kamal Sido. Viele Syrer wüssten, „dass der Islamismus noch nie etwas Gutes gebracht hat“.

Vorsichtig optimistisch

Vorsichtig optimistisch äußerte sich der Apostolische Nuntius in Damaskus, Kardinal Mario Zenari. Er sagte gegenüber „Vatican News“: „Diejenigen, die die Macht übernommen haben, haben versprochen, dass sie alle respektieren werden, aber der Weg ist noch steinig.“ In Aleppo, wo auch viele Christen leben, hätten sich die Rebellen bereits mit den Bischöfen getroffen. Sie hätten zugesichert, die verschiedenen religiösen Konfessionen zu respektieren. Die Länderreferentin für den Nahen Osten des katholischen Hilfswerks missio, Romina Elbracht, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), es gebe bislang keine Nachrichten über Ausschreitungen von Islamisten gegen Christen oder christliche Einrichtungen. Wie die katholische Presseagentur „Fides“ (Vatikanstadt) unter Berufung auf das Nachrichtenportal „SiriacPress“ berichtet, gingen in den Städten Qamischli und Hassakeh im Nordosten Syriens Vertreter der von Christen geführten politischen Parteien auf die Straße, um das Ende des Assad-Regimes zu feiern.

Religionsfreiheit garantieren

Die Geschäftsführende Präsidentin von „Kirche in Not“ (ACN) International, Regina Lynch, forderte sowohl die internationale Gemeinschaft als auch die neuen Machthaber in Syrien auf, den Schutz der Grundrechte aller Religionsgemeinschaften sicherzustellen und ihre Religionsfreiheit, ihre Bildungsfreiheit und ihr Recht auf ein Leben in Frieden zu garantieren. Religiöse Minderheiten würden zwar aktuell respektiert, aber Erfahrungen zeigten, „dass die Religionsfreiheit in Zeiten der Instabilität in der Region stark eingeschränkt werden kann“.

Die Not ist groß

Die Kinderhilfsorganisation World Vision will ihre Arbeit in Syrien ausweiten. Die jüngsten Kämpfe haben dem Werk zufolge in den großen Städten erneut den Zugang zu Gesundheitseinrichtungen stark beeinträchtigt. Vor allem im Nordwesten des Landes lebten Hunderttausende Binnenvertriebene unter prekären Bedingungen in überfüllten Lagern. Caritas international zeigte sich „vorsichtig hoffnungsvoll“, dass jetzt die Chance zu einem nachhaltigen Wiederaufbau und zu einer Ausweitung der humanitären Hilfe bestehe. Wie der Leiter von Caritas international, Oliver Müller, gegenüber KNA sagte, ist der Bedarf in der Region Idlib besonders groß.

Asylentscheidungen gestoppt

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßte den Sturz des syrischen Regimes. Es bedeute für Millionen von Menschen „ein erstes großes Aufatmen nach einer Ewigkeit der Gräuel des Assad-Regimes“. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilte mit, dass es derzeit alle Entscheidungen über Asylanträge von Syrern gestoppt hat. Die Entwicklungen seien schwer zu bewerten. Unionsfraktionsvize Jens Spahn will die Heimkehr von nach Deutschland geflohenen Flüchtlingen unterstützen. Er sagte im RTL/ ntv-„Frühstart“: „Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurück will nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1.000 Euro.“