23.12.2024

Deutschland: "Friedensweihnachtsmarkt“

Offiziell hieß er „Friedensweihnachtsmarkt“, doch die Solidaritätsveranstaltung für Palästinenser wird zu einem antisemitischen Eklat. Der verantwortliche Pfarrer darf inzwischen sein Amt nicht mehr ausüben.

(israelnetz.com ) DARMSTADT (inn) – Der „Antikolonialistische Friedensweihnachtsmarkt“ sollte am dritten Advent (14. und 15. Dezember) Solidarität mit Palästinensern ausdrücken und Spendengelder einbringen. Doch auf dem Weihnachtsmarkt, veranstaltet von der evangelischen Michaelsgemeinde im Martinsviertel in Darmstadt, wurde antisemitisches Material verbreitet.

Fotos von Mitgliedern des Vereins „Honestly Concerned“ dokumentieren, was auf dem Weihnachtsmarkt unter anderem verkauft wurde: Auf Schlüsselanhängern war die palästinensische Flagge mit dem Slogan „Free Palestine“ (Befreit Palästina) zu sehen. Auf Stofftaschen war eine Landkarte Israels mit dem Schriftzug „Palästina“ abgebildet – ein Symbol, das Israel das Existenzrecht abspricht. Auch das rote Dreieck war mehrfach abgedruckt – das Erkennungszeichen der verbotenen Terror-Organisation Hamas. Auf Flyern war der Spruch „From the river to the sea“ (Vom Fluss bis zum Meer) – er fordert die Auslöschung Israels.

Wie der Hessische Rundfunk (HR) berichtet, hatte die evangelische Michaelsgemeinde den Weihnachtsmarkt zusammen mit der Palästina-Solidaritätsgruppe „Darmstadt4Palestine“ (Darmstadt für Palästina) veranstaltet. Auf dem Flyer zur Veranstaltung heißt es über das Ziel, Palästinenser sollten „mit den Einnahmen unseres Marktes unterstützt werden“. Es solle „palästinensisches Olivenöl, passender Schmuck und Kleidung“ auf Spendenbasis verkauft werden.

Zur Illustration der Veranstaltung nutzte die Gemeinde ein besonderes Bilder einer Krippe: Die Figuren waren schwarz, das Dach der Krippe ist zerstört. „Im Dach des Stalles gähnt ein Loch wie von einem Beschuss“, heißt es in der Bildbeschreibung.

Pfarrer will von nichts gewusst haben

Am Dienstagabend veröffentlichte der Pfarrer der Michaelsgemeinde, Manfred Werner, eine Entschuldigung. Darin heißt es: „Ich bedauere zutiefst, dass es zu diesem Vorfall gekommen ist und habe Verständnis für die zu Recht entstandene Empörung über diese Form der Menschenverachtung.“ Er hätte die Symbole vom Weihnachtsmarkt verbannt, wenn er davon gewusst hätte. Doch der Verkauf und die Präsentation der antisemitischen Symbolen seien nicht abgesprochen gewesen. Er betonte: „Das Existenzrecht Israels steht für mich nicht in Frage.“

Die Jüdische Gemeinde sowie mehrere Privatpersonen stellten Strafanzeige wegen des Ausstellens verfassungswidriger und terroristischer Symbole. Der Vorsitzende der Gemeinde, Daniel Neumann, verurteilte in einer Stellungnahme die Vorwürfe, Israel begehe seit 75 Jahren einen „Genozid“ an Palästinensern, betreibe „ethnische Säuberungen“ und praktiziere eine „Apartheid“ im Land. Diese ideologisch motivierten Vorwürfe stellten „israelbezogenen Antisemitismus“ dar, kritisierte Neumann. Das Abhalten des Weihnachtsmarktes der Kirchengemeinde sei „skandalös“.

Oberbürgermeister: Verstörende Bilder

Der Darmstädter Oberbürgermeister Hanno Benz (SPD) warf der Michaelsgemeinde vor, „antisemitische Inhalte propagiert“ zu haben. „Die Bilder sind zutiefst verstörend. Es wird versucht, das Existenzrecht Israels zu delegitimieren und den Staat Israel zu dämonisieren, indem judenfeindliche Stereotype auf den Staat Israel und seine Politik übertragen werden“, schrieb Benz in einem Brief an die Kirchengemeinde und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). „Eine solche Veranstaltung unter dem Dach einer evangelischen Gemeinschaft durchzuführen, ist deshalb unerträglich.“

Benz kritisierte, dass antisemitische Erzählmuster aufgenommen worden seien. Gleichzeitig habe es keine Kritik an dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel und damit auf jüdisches Leben am 7. Oktober 2023 gegeben.

Die EKHN nannte die Berichte über den „Friedensweihnachtsmarkt“ in einer Stellungnahme am 21. Dezember „verstörend“. Man habe den Kirchenvorstand der Gemeinde aufgefordert, sich von der Veranstaltung zu distanzieren. Die Kirchenleitung der EKHN habe am Donnerstag beschlossen, „dem Pfarrer nach Pfarrdienstrecht mit sofortiger Wirkung vorläufig die Ausübung seines Amtes zu untersagen“. Weiter heißt es: „Sollten sich (die Vorwürfe) bewahrheiten, behalten wir uns vor, rechtliche Schritte gegenüber der Kirchengemeinde einzuleiten.“

Morddrohungen gegen den verantwortlichen Pfarrer

Pfarrer Werner selbst teilte mit: „Ich würde es begrüßen, in dieser Situation von der Ausübung meines Amtes entbunden zu werden.“ Er habe Morddrohungen gegen ihn und seine Familie von mehreren Personen am Telefon und von einer Person per SMS erhalten. Er habe dies der Polizei mitgeteilt und die Kirchenleitung um Unterstützung gebeten. Werner sagte, er hoffe, dass die Kirche ihn aus seinem Dienst herausnehme und ihn schütze. Das für die Organisation des Weihnachtsmarkts zuständige Mitglied des Gemeindevorstands trat unterdessen zurück, wie am Freitag bekannt wurde.

Gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ teilte der Kirchenvorstand mit, er sei von der teilnehmenden Gruppe „Darmstadt4Palestine“ hintergangen worden. Es habe die klare Absprache gegeben, dass Teilnehmer nichts auslegen dürften, was den Charakter der Gemeindeveranstaltungen als Dialogforum stört. Die Gruppe habe den Markt für ihre Zwecke missbraucht. Er und die Gemeinde lehnten Rassismus und Antisemitismus strikt ab.

Der hessische Antisemitismus-Beauftragte Uwe Becker (CDU) erklärte am Mittwoch: „Es ist unfassbar, völlig inakzeptabel und absolut skandalös, in welch infamer Weise in Darmstadt Hamas-Propaganda und Holocaust-Relativierung eine Plattform geboten wurde“.

Der Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte, der Vorfall in Darmstadt zeige ein grundlegendes Problem: „Das verständliche Anliegen, das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung anzumahnen, hat in unserer Gesellschaft nahezu keinen Raum, da es von Israelhassern vereinnahmt wird.“ Genau das sei auch in Darmstadt geschehen. „Statt ‚Frieden‘ wurde die Vernichtung Israels propagiert und Devotionalien einer mörderischen Terrororganisation verkauft.“ Das sei nicht nur unehrlich, sondern verabscheuungswürdig. Dies gelte auch für die Morddrohungen gegen den Gemeindepfarrer.

„Spiegel“: Parolen auch bei Instagram

„Spiegel Online“ kommentierte den Fall am Freitag in einem Artikel mit den Worten: „Genaues Hinschauen hätte wohl auch diesmal einiges verhindern können: Die Gruppe ‚Darmstadt für Palästina‘, die ebenfalls zum Weihnachtsmarkt einlud, lässt auf ihrem Instagram-Profil keinen Zweifel daran, wo sie steht. Die Parolen, die auf dem Weihnachtsmarkt zu sehen waren, finden sich zum Teil auch dort.“

Im Übrigen habe die Gruppe am Mittwoch ein Video veröffentlicht, wie Stolpersteine gereinigt werden, die an Opfer der Schoa erinnern. Die „Spiegel“-Journalistin schreibt: „Es ist das erste Posting der Gruppe, in dem Antisemitismus oder der Holocaust problematisiert werden. Man könnte unterstellen, da sollten nicht nur Stolpersteine reingewaschen werden.“