15.07.2024

Usbekistan: Neue Strafen für Eltern

die ihren Kindern die Teilnahme an Religionsunterricht erlauben bzw. sie religiös erziehen

Am 25. Juni nahm die Legislativkammer (Oliy Majlis) des nicht frei gewählten Parlaments von Usbekistan einen Gesetzesentwurf an, der angeblich darauf abzielt, „die Rechte von Kindern weiter zu stärken“. Sollte dieser Entwurf Gesetzeskraft erlangen, wäre es Eltern bzw. Erziehungsberechtigten verboten und strafbar, ihren Kindern vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs die Teilnahme an „illegalem“ Religionsunterricht zu erlauben.

Die bestehenden Gesetze richten sich gegen Personen, die unter Achtzehnjährige in Religion unterrichten, nicht jedoch gegen Eltern oder Erziehungsberechtigte, die allerdings schon bisher mit Repressalien der Staatsmacht zu rechnen hatten.

Die geplante Änderung der bestehenden Gesetze sieht Geldstrafen von über einem durchschnittlichen Monatsgehalt oder bis zu 15 Tage Haft für Eltern oder Erziehungsberechtigte vor, die „illegalen“ Religionsunterricht für unter Achtzehnjährige erlauben oder arrangieren.

Das Innenministerium vertritt die Auffassung, dass durch das neue Gesetz verhindert würde, dass Kinder in den Einflussbereich terroristischer Gruppen kommen. Die Regierung beschuldigt immer wieder Menschen des „Terrorismus“, insbesondere fromme Muslime, ohne glaubwürdige Beweise vorlegen zu können.

Viele Bürger von Usbekistan, die niemals die Chance hatten, ihre Regierung in einer freien und fairen Wahl zu bestimmen, sind mit dem Gesetzesvorhaben nicht einverstanden. Bereits 2021, anlässlich der Verschärfung des Religionsgesetzes, äußerten Bürger gegenüber Forum 18 den Wunsch nach einem Ende des Verbots von privatem Religionsunterricht, insbesondere für Kinder.

Der Gesetzesentwurf wurde am 26. Juni auf der Website der Legislativkammer des Parlaments zur öffentlichen Diskussion publiziert, wofür lediglich eine Woche gewährt wurde. Die eingehenden Kommentare waren fast durchgehend ablehnend: „Ich bin dagegen“, war eine typische Äußerung. „Die Eltern sollten entscheiden, wie sie ihre Kinder erziehen. Durch dieses Gesetz werden die Wahlmöglichkeiten der Menschen eingeschränkt. Religiöse Erziehung bzw. Religionsunterricht für unsere Kinder müssen legal sein“. Ein weiterer Kommentar lautete: „Was für Eltern sind das, die ihre Kinder nicht religiös erziehen?“ Auch in den sozialen Medien äußerten viele Bürger ihre Besorgnis, dass das neue Gesetz die Religions- bzw. Glaubensfreiheit weiter einschränken würde. Eine weitere kritische Stimme merkt an: „Wie kann es sein, dass ich kein Muslim werden kann, bevor ich 18 Jahre alt bin? Wie kann ich mich Muslim nennen, wenn ich bis dahin nichts über den Islam weiß? Werden die wichtigsten Charaktereigenschaften wie gute Sitten, Ehre, Bescheidenheit und Keuschheit nicht gebildet, bevor man 18 Jahre alt ist?

Der umstrittene Gesetzesentwurf wird derzeit vom Komitee für demokratische Institutionen, NGOs und Selbstverwaltungskörperschaften der Legislativkammer geprüft. Rakhmatjon Umarov von der Informationsabteilung der Legislativkammer erklärte, von Forum 18 auf die zahlreichen negativen Kommentare zu dem Gesetzesentwurf angesprochen, „Die Kommentare sind uns bekannt. Wir werden sie studieren und besprechen.“

Das Regime plant auch ein neues Informationsgesetzbuch, durch das die Zensur von Rundfunk- und Mediengesellschaften weiter verschärft würde. Dieses Vorhaben war bereits Gegenstand entschiedener Kritik seitens des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und des OSZE-Beauftragen für die Freiheit der Medien. Sie kritisieren den Gebrauch vager Formulierungen, die zu widersprüchlichen Auslegungen und willkürlicher Anwendung führen könnten. In einer gemeinsamen Stellungnahme wird betont, dass es keine international verbindliche Definition der Begriffe Extremismus, Extremist, gewalttätiger Extremismus oder Fundamentalismus gibt. Es wird auf die wiederholten Probleme im Zusammenhang mit Anklagen wegen angeblichem Extremismus und die Auswirkungen auf das Recht auf Religions- bzw. Glaubensfreiheit, Freiheit der Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit hingewiesen, ebenso auf widerrechtliche Festnahmen, illegale Haft, Folter und sonstige Misshandlungen. Ein Vertreter der Abteilung, die den Entwurf zum Informationsgesetz erstellt hat, erklärte gegenüber Forum 18: „Wir prüfen die Empfehlungen der OSZE und werden eine neue Version des Gesetzes erstellen.“

Quelle: Forum 18, Oslo (Bericht vom 12. Juli 2024).

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA