18.07.2024

Algerien: Das ECLJ mobilisiert die Vereinten Nationen zur Unterstützung der Christen Algeriens

IIRF-D/ECLJ/Tübingen/18/07/2024 - Am 2. Juli 2024 organisierte das ECLJ – European Centre for Law and Justice (Europäische Zentrum für Recht und Gerechtigkeit) eine Konferenz beim UN-Menschenrechtsrat in Genf, um sich für die Sache der Christen Algeriens einzusetzen, die von der algerischen Regierung wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Zu den Rednern der Konferenz gehörten der ehemalige französische Botschafter in Algerien, Xavier Driencourt, die UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Vereinigungsfreiheit sowie der Vizepräsident der Église Protestante d'Algérie (EPA).

Das ECLJ hat auch zwei exklusive Interviews geführt, eines mit Botschafter Xavier Driencourt und das andere mit Pastor Youssef Ourahmane über die Situation der Christen in Algerien.

Mehrere diplomatische Vertretungen bei den Vereinten Nationen zeigten besonderes Interesse an dieser Angelegenheit, darunter Vertreter aus Belgien, den USA, den Niederlanden, Schweden und der Schweiz. Die Konferenz wurde gemeinsam mit der Jubilee Campaign, einer in den Niederlanden ansäßigen NGO, die sich auch für verfolgte Christen einsetzt, organisiert.

Die Konferenz bestätigt: In Algerien wird durch die Einschränkung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit für Christen die Freiheit genommen, ihren Glauben auszudrücken und auszuüben.

In Algerien leben rund 144.000 Christen bei einer Gesamtbevölkerung von 46 Millionen. Die Mehrheit dieser Christen ist algerischer Nationalität (und Berber-Abstammung/Anmerkung der Redaktion) und in den letzten Jahrzehnten zum Christentum konvertiert.

Während die algerische Verfassung das Recht auf freie Meinungsäußerung grundsätzlich garantiert, verurteilt das algerische Recht alles, was dazu führen könnte, "einen Muslim zu einer anderen Religion zu konvertieren" oder "den Glauben eines Muslims zu erschüttern".[1] Die Gewissensfreiheit wurde 2020 aus der Verfassung gestrichen.[2]

Schließlich wird die Gesetzgebung über Vereinigungen und die Ausübung nichtmuslimischer Religionen willkürlich angewandt. Die algerischen Behörden gewähren evangelikalen Kirchen nicht mehr den Status einer religiösen Vereinigung. Sie erkennen ihre Gotteshäuser nicht mehr als solche an und schließen sie missbräuchlich.

Infolgedessen sind heute Dreiundvierzig der siebenundvierzig Kirchen der protestantischen Kirche Algeriens geschlossen, und mindestens achtzehn Christen drohen Haftstrafen[3] wegen der Ausübung ihrer Religion. Einer dieser Christen ist der Vizepräsident der protestantischen Kirche von Algerien, Pastor Youssef Ourahmane, der am 2. Mai 2024 in der Berufung zu einem Jahr Gefängnis, sechs Monaten auf Bewährung und 100.000 Dinar Geldstrafe verurteilt wurde, weil er einen nicht genehmigten Gottesdienst gefeiert hatte. Der ECLJ schloss sich seiner Unterstützung an (siehe die Artikel in Le Figaro).[4] Als letztes Mittel wartet er auf seinen Prozess vor dem Obersten Gerichtshof.

Die katholische Kirche, deren Gläubige überwiegend aus der ausländischen Subsahara stammen, leidet ebenfalls unter diesen Einschränkungen, die sie zu äußerster Diskretion zwingen und sie daran hindern, das Evangelium offen zu verkünden. Alle Katholiken, die in irgendeiner Weise missionieren, machen sich strafbar und werden ausgewiesen, wenn sie keine algerischen Staatsangehörigen sind. Die katholische Kirche war darauf reduziert, allein durch Taten der Nächstenliebe Zeugnis zu geben. Nachdem die algerische Regierung jedoch die Schließung des Caritas Algerien Organisation am 1. Oktober 2022 angeordnet hat, ist nun auch dies verboten. Der Erzbischof von Algier, Jean-Paul Vesco, sagte, er wolle "nicht in Konflikt mit den Behörden geraten" und wolle "weiterhin Gutes tun, ohne Lärm zu machen".[5]

Damit gehört Algerien heute zu den Ländern, die die Religionsfreiheit am wenigsten achten. Algerien belegt Platz 15 auf dem Weltindex der Christenverfolgung 2024[6] und steht seit 2021 auf der Liste der Länder der US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF), die "wegen schwerer Verletzungen der Religionsfreiheit" genau beobachtet werden sollten.[7]

UN-Experten fordern Algerien auf, die Versammlungs- und Religionsfreiheit der algerischen Christen zu respektieren

 

Angesichts des Ausmaßes der Tragödie, mit der die Christen in Algerien konfrontiert sind, hat das ECLJ zwei UN-Sonderberichterstatter mobilisiert. Die Sonderberichterstatterin für die Vereinigungsfreiheit, Gina Romero, stellte den Bericht ihres Vorgängers Clément Voule vor, der Algerien im September 2023 besucht hatte. Es war der erste Besuch eines Sonderberichterstatters seit 2016 und damit seit dem Start des Hirak, der Bewegung, die im Februar 2019 Hunderttausende Algerier auf die Straße brachte, um politische Reformen zu fordern.

In dem Bericht wird auf die große Schwierigkeit hingewiesen, die durch Einschränkung der Vereinigungsfreiheit für religiöse Vereinigungen in Algerien und damit für Kirchen entstanden sind.[8] Die Evangelische Kirche Algeriens, die 1972 durch den Zusammenschluss mehrerer bereits im Land ansässiger reformierter Kirchen gegründet und 1974 offiziell anerkannt wurde, konnte ihre Zulassung seit dem Vereinsgesetz von 2012 nicht mehr erneuern. Während ihrer Rede betonte Gina Romero die Notwendigkeit, der EPA die Verammlungserlaubnis zu erteilen und die Kirchen offen zu halten, da sie den Gemeinschaften eine wesentliche spirituelle und moralische Unterstützung bieten.

Die Sonderberichterstatterin für Religionsfreiheit, Nazila Ghanea, sprach von den willkürlichen Urteilen gegen Christen wie Hamid Soudad, der im Januar 2021 zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, weil er eine Mohammed-Karikatur auf Facebook gepostet aber schließlich im Juli 2023 begnadigt wurde. Auch Muslime bleiben nicht verschont, und Nazila Ghanea hob den Fall des Islamologen Saïd Djabelkhir hervor, der im April 2021 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil er gesagt hatte, dass bestimmte muslimische Praktiken älter als der Islam und heidnischen Ursprungs seien. [9] Er wurde schließlich im Februar 2023 vom Berufungsgericht Algier nach einer internationalen Mobilisierung, an der die ECLJ teilnahm, freigesprochen.[10]

Evangelikale und Katholiken werden von der algerischen Regierung gleichermaßen verfolgt

Der algerische Pastor Youssef Ourahmane (dessen ergreifendes Zeugnis die ECLJ bereits veröffentlicht hat) und seine Tochter Sarah erklärten die Ursachen für diese Einschränkungen für Christen: Die algerische Regierung steht den Konversionen von Muslimen zum Christentum, die sich seit Anfang der 2000er Jahre vervielfacht haben, sehr skeptisch gegenüber. Diese Konversionen stehen im Widerspruch zur algerischen Identität, die als arabischsprachig und muslimisch definiert wird. Auch die Christen, die mehrheitlich in der Kabylei leben, setzt die Regierung mit den Unabhängigkeitskämpfern der Region gleich. Um der Ausbreitung des Christentums entgegenzuwirken, verabschiedete die Regierung 2006 die Verordnung Nr. 06-03. Diese Verordnung legt die Bedingungen und Regeln für die Ausübung nichtmuslimischer Religionen fest, die eine besondere Diskriminierung von Christen zulassen.

Der ehemalige französische Botschafter in Algerien, Xavier Driencourt, erzählte, dass er während seiner mehr als siebenjährigen Tätigkeit in Algier die Möglichkeit hatte, zu intervenieren, um die Erteilung von Genehmigungen für Vereinigungen zu erleichtern, "ohne die du nichts bist, ohne die du nicht existierst". Er prangerte auch die falsche Vortäuschung der Situation in Algerien an. Seine Regierung lädt katholische Bischöfe zu offiziellen Zeremonien ein und akzeptiert die Renovierung der katholischen Kirchen, um so den Anschein von Offenheit und interreligiöser Toleranz zu erwecken. Aber in Wirklichkeit ist die Gewissensfreiheit und damit die Freiheit, die Religion zu wechseln, nicht garantiert. Christen unterliegen weitaus restriktiveren und bürokratischeren Bestimmungen als Muslime, Pfarrer in abgelegenen Pfarreien und Mönche werden besonders streng überwacht, und Missionierung ist verboten. Die Regierung geht sogar so weit, dass sie es der katholischen Kirche unmöglich macht, Überweisungen vom Vatican zu erhalten.

Das ECLJ schließt sich der Evangelischen Kirche Algeriens sowie den Sonderberichterstattern und dem Menschenrechtsausschuss an.[11] indem es Algerien auffordert, die Gewissensfreiheit wiederherzustellen, alle Bestimmungen aufzuheben, die die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit untergraben, aufzuheben und allen Menschen die volle Ausübung ihrer Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit zu garantieren.

Es fordert auch, dass alle Strafverfahren gegen Christen wegen ihrer Religion eingestellt werden, und dass Kirchen und Caritas wieder geöffnet werden.

 

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[1] Portes Ouvertes, “Algeria,” para.1 (last visited on June 26, 2024).

[2] Razika Adnani, “The Algerian Constition: Have the Islamists Won?,” para. 30 (February 15, 2021).

[3] Portes Ouvertes, “Algeria,” para. 3 (last visited June 26, 2024).

[4] Le Figaro, “Algerian Christians are a source of peace for the country, let's preserve their freedom of worship!," (April 23, 2024).

[5] Le Monde, “In Algeria, authorities order the closure of Christian association Caritas,” para. 2, 5 (September 30, 2022).

[6]Open Doors, “Algeria Full Country Dossier 2024,” (last visited July 4, 2024).

[7]USCIRF, “USCIRF Releases 2024 Annual Report with New Recommendations for U.S. Policy,” para. 3 (May 1, 2024).

[8] OHCHR, “Report of the Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and to freedom of association, Clément Nyaletsossi Voule, following his visit to Algeria in September 2023 (A/HRC/56/50/Add.2),” §§ 27-30 (May 17, 2024).

[9] Le Figaro, “For the acquittal of Saïd Djabelkhir and scientific freedom in Algeria,” para. 1-4 (January 27, 2022).

[10]Id.

[11]OHCHR, “Concluding observations on the fourth periodic report of Algeria (CCPR/C/DZA/CO/4),” § 42 (August 17, 2018).