14.06.2024
Türkei: Höchstes Gericht bestätigt Ausweisung ausländischer Christen
ADF: Türkische Regierung will christlichen Glauben im Land auslöschen
Ankara/Wien (IDEA) – Das Verfassungsgericht der Türkei in Ankara hat die Ausweisung von neun ausländischen Christen wegen angeblicher „Missionsaktivitäten“ für rechtens erklärt. Die türkische Regierung habe damit die Rechte der Betroffenen nicht verletzt, urteilte das höchste Gericht des Landes mehrheitlich. Die christliche Menschenrechtsorganisation ADF International (Alliance Defending Freedom International/Wien) kritisierte die Entscheidung vom 7. Juni. Zum Hintergrund: Alle neun Ausländer hatten eine offizielle Aufenthaltserlaubnis für die Türkei erhalten. Wegen ihrer angeblichen „missionarischen Aktivitäten“ bekamen sie jedoch Codes, die sie an der Einreise oder dem Aufenthalt im Land hinderten. Die „N-82“-Codes stufen die Christen als „Risiko für die nationale Sicherheit“ ein. Grundlage dafür sind Behauptungen des türkischen Geheimdienstes. Die neun Kläger gehören zu mehr als 30 ausländischen Christen, die von den türkischen Behörden einen „N-82“-Code erhalten haben, weil sie im Land religiös tätig sind. Laut ADF widersprachen sechs der 13 Richter der Mehrheitsmeinung im Gericht. Zühtü Arslan, früherer Präsident des Verfassungsgerichts, erklärte in seinem abweichenden Votum: „Es gibt weder in den Verwaltungs- noch in den Gerichtsverfahren in diesem Fall eine konkrete Begründung dafür, dass die Aktivitäten der Antragsteller eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen.“ Umgekehrt sei es unmöglich, „die gegen die Antragsteller gerichtete ‚missionarische‘ Tätigkeit kategorisch und abstrakt als Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu betrachten“. Die neun ausgewiesenen Personen können jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Berufung gegen das Urteil einlegen. Einer der Anwälte der Betroffenen, Can Kurtulan, kündigte an, dass das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof fortgesetzt werde: „Diejenigen, die in dieser Angelegenheit Gerechtigkeit suchen, haben immer noch Hoffnung.“
ADF: Klarer Verstoß gegen Menschenrechte
Die ADF-Direktorin für globale Religionsfreiheit, Kelsey Zorzi (New York), übte heftige Kritik an der türkischen Regierung. Deren „diskriminierendes Vorgehen“ gegen christliche Mitarbeiter, „die alle seit vielen Jahren friedlich in der Türkei leben, stellt einen klaren Verstoß sowohl gegen die Europäische Menschenrechtskonvention als auch gegen die internationalen Pakte dar, denen die Türkei beigetreten ist“. Da jedes Jahr eine wachsende Zahl ausländischer Christen als Bedrohung für die nationale Sicherheit eingestuft werde, „wird immer deutlicher, dass die Türkei systematisch versucht, den christlichen Glauben innerhalb ihrer Grenzen auszulöschen“. ADF zufolge wurden schätzungsweise 185 ausländische evangelische Geistliche aus der Türkei abgeschoben oder dürfen seit 2018 nicht mehr einreisen. Obwohl das Land keine verfassungsmäßig anerkannte Staatsreligion habe, sei die Regierung zunehmend von Islamisierung und Nationalismus geprägt, so die Organisation. Etwa 99 Prozent der 86 Millionen Einwohner bezeichnen sich als Muslime. Die Zahl der Christen liegt bei 170.000.