28.11.2024
Türkei: Gemeinde soll historische Kirche räumen
Laut Behörden ist sie bei Erdbeben nicht sicher – Der Pastor vermutet etwas anderes
Bursa (IDEA) – In der nordwestlich gelegenen türkischen Stadt Bursa haben die Behörden die Räumung der historischen „Französischen Kirche“ angeordnet. Offizielle Begründung: Sie soll erdbebensicher gemacht werden. Gegen die Entscheidung wehrt sich die dortige protestantische Gemeinde nun vor Gericht. Das bestätigte der Vorsitzende der „Stiftung für das Leben und die Kultur der protestantischen Kirche von Bursa“, Pastor Ismail Kulakçioglu, gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA. Ende Juli hatte die Stiftung die Aufforderung erhalten, die historische Kirche bis zum 26. August zu räumen. Die Behörden begründeten dies u. a. damit, dass „der Grundwasserspiegel hoch ist, die Gefahr einer Verflüssigung des Bodens besteht, sie auf einer Verwerfungslinie liegt und Spannungen im Boden vorhanden sind“. Diese Angaben seien jedoch unzutreffend, so Kulakçioglu, wie ein von der Stiftung beauftragtes Gutachten von Geologen ergeben habe. Mit dem Gutachten bat er die Verantwortlichen, den Räumungsbescheid aufzuheben. Dies blieb erfolglos. Daraufhin legte der Pastor vor Gericht Widerspruch ein. Als dieses den Fall ungesehen abwies, legte Kulakçioglu Berufung ein: „Es ist bedauerlich, dass wir aufgefordert werden, das Gebäude zu räumen, ohne dass die notwendige Untersuchung des Gebäudes stattgefunden hat.“ Gegenüber IDEA kündigte er an, notfalls bis zum Obersten Gerichtshof zu gehen.
Was sind die Hintergründe?
Die Geschichte der „Französischen Kirche“ geht auf die Gründung einer Seidenfabrik in Bursa im Jahre 1835 zurück. Durch zugezogene Arbeiter aus Frankreich entstand eine katholische Gemeinde. 1880 bis 1881 wurde die Kirche erbaut. Das Gebäude wurde 1992 enteignet und an die Generaldirektion für Stiftungen des Staates übertragen. Seit der umfassenden Restaurierung zwischen 2002 und 2004 teilen sich etwa 200 Christen aus protestantischen, orthodoxen und katholischen Gemeinden das einzige traditionelle Kirchengebäude der Stadt für den Gottesdienst. Der Pastor vermutet hinter der Aufforderung, die Kirche zu räumen, den Versuch, die Gemeindeaktivitäten massiv zu schwächen oder gar zu zerstören. „Die Behörden sprechen zwar von einer Sicherung der Kirche gegen Erdbeben, haben jedoch nie gesagt, wie lange diese Maßnahme dauern würde“, so der Pfarrer. Für seine Gemeinde sei die Kirche aber der einzige Ort, an dem sie sich legal versammeln könne. Eine Alternative habe man den Christen nicht angeboten. In der Türkei dürfen sich christliche Gemeinden nur an Orten versammeln, die als religiöse Versammlungsstätten anerkannt sind. Etwa 99 Prozent der 86 Millionen Einwohner der Türkei bezeichnen sich als Muslime. Die Zahl der Christen liegt bei etwa 170.000.