12.10.2024

Russland: Internetzensur mit Auswirkungen auf Religions- bzw. Glaubensfreiheit

AKREF-A/12.10.24 - Die ständig ausgeweitete Internetzensur beeinträchtigt die Ausübung der Religions- bzw. Glaubensfreiheit in Russland. Durch die Zensur wird das Recht der Bürger auf freie Meinungsäußerung in verschiedenen Lebensbereichen, darunter auch der Religion, massiv eingeschränkt. Die Möglichkeit, frei nach Informationen und Ansichten über religiöse Angelegenheiten zu suchen ist nicht mehr gegeben.

So blockiert die Überwachungsbehörde Roskomnadzor den Zugang zu Webseiten und Apps, die mit den Zeugen Jehovas oder muslimischen Lesern der Werke Said Nursis in Zusammenhang stehen, inklusive der Wikipedia Seiten, die sich mit diesen beschäftigen, da diese als „extremistisch“ eingestuft werden. Die Internetauftritte von religiös motivierten und anderen Akteuren, die sich gegen den Angriffskrieg gegen die Ukraine aussprechen, werden ebenfalls blockiert, ebenso wie die Website der Orthodoxen Kirche der Ukraine und anderer Religionsgemeinschaften aus der Ukraine. Auch die Auftritte von Kriegsgegnern in den sozialen Medien und Internetseiten von Medienunternehmen, Menschenrechtsgruppen und sonstigen Playern der Zivilgesellschaft, die über Verletzungen der Religions- bzw. Glaubensfreiheit berichten oder Kritik am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine äußern, sind gesperrt.

Roskomnadzor fordert sogar, dass ausländische Anbieter Informationen löschen, die als Bedrohung für die Staatssicherheit oder öffentliche Ordnung in Russland gewertet werden, überwacht in Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten die Nutzung der sozialen Medien und arbeitet daran, diese Prozesse durch den Einsatz künstlicher Intelligenz noch effizienter zu machen.

Roskomnadzor ist jedoch nicht der einzige Player, der die Internetzensur vorantreibt. Die Mehrheit der gesperrten Internetauftritte religiöser Organisationen sind seit der russischen Invasion in der Ukraine Opfer der Militärzensur geworden. Kleriker und Privatpersonen, die sich gegen den Krieg ausgesprochen haben, werden in ihrer Nutzung der sozialen Medien eingeschränkt. Kritik am Krieg gegen die Ukraine oder an Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten durch das Militär wird gemäß Artikel 280.3 des Strafgesetzbuchs als öffentliche Aktion zur Diskreditierung des Einsatzes der russischen Streitkräfte gewertet und verfolgt.

Obwohl es kein Verbot gibt, Links zu verbotenen Webseiten zu teilen oder aus solchen zu zitieren, birgt dies die Gefahr der Verfolgung nach dem Verwaltungsstrafrecht oder Strafgesetzbuch in sich. Wenn ein Internetuser aus der gesperrten Seite einer „unerwünschten Organisation“ zitiert, kann dies zu einer Anklage wegen Teilnahme an den Aktivitäten einer unerwünschten Organisation führen. Ein Link zur Website einer „extremistischen Organisation“, man denke nur an eine Website der Zeugen Jehovas aus dem Ausland, oder ein Zitat aus deren Inhalten kann zu einem Verwaltungsstrafverfahren oder sogar zu einem Strafverfahren nach dem Extremismusgesetz führen.

Die durch diese Maßnahmen ausgelöste Furcht vor staatlichen Repressionen bis hin zu Geld- und Haftstrafen hat zu einem erschreckenden Ausmaß an Selbstzensur unter russischen Bürgern geführt.  

Quelle: Forum 18, Oslo (Bericht vom 4. Oktober 2024)

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA